100 Jahre Kortenbach und Rauh

Sie haben den zusammenlegbaren Schirm erfunden, der unter dem Namen "Kobold" weltberühmt wurde. Aber Kortenbach & Rauh hat noch viel mehr produziert, was praktisch war und reißenden Absatz fand. Bis, ja, bis eines Tages die wirtschaftlichen Verhältnisse - aber nein, schon fällt man auf den Trick der Legendenbildung rein. Nein: bis es eines Tages der Geschäftsführung nicht mehr gelang, das Unternehmen und seine Produkte dem Markt anzupassen. Und so ist eines der einst stolzesten Solinger Unternehmen und "feste Bank" den Weg gegangen, der in den letzten Jahren so typisch war für die Solinger Industrie: Zum Amtsgericht. Chef zum Lehrling: Zieh Dir morgen was Schwarzes an, wir gehen Konkurs anmelden, damit Du das auch mal lernst. Aber zurück zu den Glanzzeiten:

 

 

Um das Jahr 1800 wogen Schirmgestelle gut 10 Pfund - eine Mühsal, sie zu tragen. Wir ahnen also nicht, wie bequem wir es heute mit den winzigen superleichten Dingern haben, die sich per Knopfdruck zu beachtlicher Größe entfalten. Kortenbach & Rauh aus Solingen ist Pionier auf diesem Gebiet und neben dem legendären Kobold wurden andere "Heinzelmännchen" hergestellt: Cadet, Flirt oder Puck.

 

Jubiläumsschrift
Gesaltung: Werbeberater H. Dettmar, Essen
Gesamtherstellung: Westfalendruck, Dortmund

Als August Kortenbach und Carl Rauh eine offene Handelsgesellschaft gründeten, hieß der Ort noch Weyer / Rhld. und war selbständig. Eingekeilt zwischen Ohligs und Wald wurde er bald dieser Kleinstadt einverleibt. Das Unternehmen expandierte im Laufe der Jahrzehnte, dass es eine Industrie-Insel zwischen Wohngebieten und dem Grünen wurde, an den Hängen des Lochbachtals. Erst war die Fertigung ein Familienunternehmen, der erste Gehilfe hieß, nomen est omen, Wilhelm Hilf und war 65 Jahre dort beschäftigt! Als erstes Fabrikationsgebäude erwarb man eine ehemalige Ziegelei an der Scheuer.

Wie damals üblich, gründete der Aufstieg auch auf  Erfindergeist, denn jeweils geeignete Hilfsmaschinen konnte man nicht kaufen, sondern musste sie selbst anfertigen. Doch dies gab Vorsprung: durch solche Methoden konnte man schneller und billiger arbeiten und dabei auch noch die Qualität wesentlich steigern. Die Stückpreise waren dann für Massenprodukte gut. Um 1890 beschäftigte K&R bereits mehrere hundert Arbeiter. Man entschloss sich - revolutionär! - Frauen als Arbeiterinnen "aufzunehmen", wie die Chronik berichtet. Bevorzugt wurden Töchter der Arbeiter. Und: die Fabrikräume wurden elektrisch beleuchtet.

 

Die Eintragung des Unternehmens beim Handelsregister als Auszug.

Für die Fertigung der Schirmgestellte benötigte K&R mehrere hundert Spezialmaschinen, die ausnahmslos in einem eigenen Werk gebaut wurden. Verarbeitet wurde übrigens Krupp-Stahl (in Drahtform).

Für die notwendige Energie baute man eine eigene Dampfzentrale, mit der Elektrizität erzeugt und die Maschinen angetrieben wurden.

 

Die Gesichter und ihre Traurigkeit stehen im krassen Widerspruch zu den Erfolgen, über die man sich am Weyer mit schöner Regelmäßigkeit freuen konnte.

 

 

Auf diesem Patent beruht der Kobold, der selbst aufspringende und klein zusammenlegebare Taschenschirm.

 

In der Schlosserei wurden die Hilfs- und Produktionsmaschinen in Eigenfertigung gebaut und repariert.

 

Die nachfolgenden Bilder entstanden 1954/55 und geben einen wohl typischen Einblick in die seinerzeitige Arbeitswelt, wie sie in vielen Solinger Firmen anzutreffen war.

 

Campingmöbel en masse stellte das Unternehmen her, praktische Klappsitze, auf denen sogar die legendäre deutsche Himalaya-Expedition 1955 ausruhte oder wissenschaftliche Arbeiten verrichtete. Damals, Automaten waren erst allenfalls Halb-Automaten, hieß "mehr Umsatz" und "mehr Aufträge" auch noch automatisch "mehr Arbeitsplätze". Relationenen, denen wir längst hinterherweinen.

 

 

Die Galvanotechnik; völlig computerfrei. Am Kopfende der beeindruckende Gleichrichter, der mit dazu beträgt, dass der erwünschte Metallauftrag ordentlich funktioniert.

 

 

Rohr-Schweißerei

 

 

Rohr-Biegerei

 

Das Kaltwalzwerk

 

 

 

 

Das Werksgelände zwischen Weyerstraße und Lochbachtal.

 

 

 

 

 

Das Gebäude um 1920

 

 

 

 

 

 

 

 

 

... und ein Blick in sein Inneres ...

 

 

 

 

 

 

 

 

... und hier wurde die Kraft gebraucht, in den Fabrikationsräumen (siehe Transmissionsscheiben an der Decke).