Amtsgericht

Die Gerichtsbarkeit war bei der Stadtwerdung früherer Jahrhunderte ein zentraler Aspekt, weil sie Selbständigkeit symbolisierte. Während jedoch "damals" lokales Recht gesprochen wurde (des Herzogtums bzw. der Grafschaft usw.), wurden mit der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen (1872) der Code Napoleon eingeführt, die Preußens nahmen dann das Heft fest in die Hand (1879). Spätestens mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) 1900 war klar, die Zeiten des Partikulismus sind endgültig vorbei.

 

Noch heute (in der Nutzung als Arbeitsgericht) eines der schönsten Gebäude in Solingen, das ehemalige Amtsgericht an der Wupperstraße, hervorgegangen aus der Villa Jagenberg. Neben dem Amtsgericht gab es einst ein Gefängnis, das lange Jahre als U-Haft und als Jugendarrest genutzt wurde.

Herausgegeben von Wolfgang Kotthaus, Direktor des Amtsgerichts
Walter Braun Verlag Duisburg 1979
unterstützt von Stadt Solingen und Stadtsparkasse Solingen
ISBN 3-8-87096-153-8

 

Der Bundespräsident, Solinger, grüßt seine ehemaligen Mitbürger.

Anlass der Gründung des Amtsgerichts Solingen war das Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze 1879.

Ein Bergisches Schöffengericht hatte in einem Protokollbuch um 1530 festhalten lassen:

Hetten wir all eynen glouen
Gott unnd gemeynen nutz vur ougen
Eynen ell, eynen mais unnd eyn gewicht
Eynn recht, eyn muntz und guet gelt
So stuntte es waill in gantzer welt

 

 

 

1878 war man auf der Suche nach einem geeigneten Gebäude für ein neues Amtsgericht nach preußischer ("wilhelminischer", nach Kaiser Wilhelm) Anordnung. Ein Neubau wäre sehr teuer gewesen, man wurde auf die Villa Jagenberg aufmerksam. Hier ein Blick um das Jahr 1860 "von hinten", über die heute dort angelegte Schwertstraße hinweg Richtung Stadtkern. Dieser Ursprungsteil ist der spätere Mittelteil des klassizistisch ausgeführten Baus. Der Fabrikant Jagenberg (Papiermühle) war dreimal verheiratet, hatte 12 Kinder, brauchte also Platz. Durch einen Konkurs des Fabrikanten war das Gebäude an eine Wuppertaler Bank gefallen. Übrigens, die Nachkommen des Kaufmanns Emil Jagenberg gründeten in Düsseldorf eine neu Firma und wurden extrem erfolgreich.

 

1898 wurde der erste Anbau an die Villa fertiggestellt. Der ursprünglich an der Seite gelegene Haupteingang musste neu gestaltet werden und blieb so bis heute.

 

 

Mehr Verwaltung als Gerichtssaal. Im ursprünglichen Gebäude gab es lediglich im Erdgeschoss einen Sitzungssaal. Alle anderen Räume sind mit den üblichen Büros eines Amtsgerichts belegt, denn hier werden auch Immobilien und Testamente der Bürger registriert und dokumentiert.

 

 

Das "Königliche Amtsgericht" in Solingen in seiner noch heute sichtbaren Gestalt.

 

Einsame "Wanderin" mit Koffer in der Hand auf der abschüssigen Oststraße, die direkt auf das Gebäude des früheren Amts-, heutigen Arbeitsgerichts zuläuft. Es wurde im Bombenhagel teilzerstört, konnte aber im ursprünglichen Zustand wieder aufgebaut werden.

 

Bis heute hat das Gebäude eine faszinierende Ausstrahlung behalten. Ein neoklassizistischer Bau, der die Funktion "Gericht", also Würde und eine gewisse "Unnahbarkeit" glaubwürdig verkörpert.

 

 

Das heutige Amtsgericht an der Goerdeler Straße.

 

Formvollendet ladet der lokale Gerichtspräsident Honoratioren ein, sich dem Studium der Denkschrift, wie Chroniken und "Imagebroschüren" damals hießen, zu widmen.

 

 

 

 

 

 

Hochinteressant und zugleich typisch für diese Zeit ist die Ambivalenz der Schrift: halb deutsch, halb lateinisch nach der Regel, dass Namen und Orte lateinisch, alles andere deutsch geschrieben wurde !