Ämter

Jeder hat mit Ämtern zu tun. Das ist nun einmal deutsches Schicksal. Und kein Amt, das nicht Dokumente produziert. Solche, die man am besten in einem Schuhkarton aufhebt. Das ist die beste Art, sie zu sortieren.

 

Zu Ende des Ersten Weltkrieges wird genau abgewogen, wer "an der Heimatfront" gebraucht wird, wie der damalige Ausdruck war. Das (damals noch königlich-preussische) Bezirkskommando Solingen stellt eine Befreiung aus. Inzwischen ist Solingen "entmilitarisiert", denn das bundesrepublikanische Kreiswehrersatzsamt verlässt Solingen.

 

 

Arbeitsamt

"Stempeln gehen". Dieser Begriff aus der Arbeitslosigkeit kommt nicht von ungefähr. Wer "früher" arbeitslos wurde, musste, auch wenn es für wenige Tage Übergang war, sich regelrechte Stempel-Orgien abholen: angemeldet, da gewesen, wiedergekommen, Unterstützung abgeholt, Antrag gestellt, abgemeldet ....
Man ging eben nicht immer zum Arbeitsamt, um sich ein Jobangebot abzuholen, sondern eben einen Stempel.

Und die Gestaltung war selbst 1967 noch so scheußlich, wie sich das nur ein Amt ausdenken konnte. Die Warn- und Strafhinweise wurden aber gebührend mit Ausrufezeichen versehen.

 

Eine Unterschrift von Solingen-historischer Bedeutung: Elisabeth Roock, die spätere (ehrenamtliche) Oberbürgermeisterin war auf dem Arbeitsamt tätig.

 

 

 

 

II 31 - 10.3 H'stelle

Ausgleichsamt

Dem SBV und anderen Wohnungsträgern wurde für Flüchtlinge, an die er vermietete, Darlehen zu besonderen Konditionen gezahlt. Trick bei der Sache: die Betroffenen stellten den Antrag und anschließend das Geld der Genossenschaft zur Verfügung.

Das ist doch ein Formular (Montage Vorder- und Rückseite), wie es ins Lehrbuch gehört. Es hat alles, was ein deutsches Formular braucht:

1. ein Aktenzeichen
2. ein Datum
3. die Angabe des Vordrucks
4. einen Adressaten
5. viele Felder, die mit der Schreibmaschine oder "von Hand" ausgefüllt werden müssen
6. Titel und Untertitel
7. einen quersitzenden Stempel, der die Verwendung signalisiert
8. genügend Bezüge auf zahlreiche Gesetze
9. Wertangaben in Ziffern und Worten
10. durchge-xte oder durchgestrichene Passagen
11. hochgestellte Ziffern, die auf Fußnoten verweisen
12. Einen kategorischen Imperativ: "Sie haben ... !"
13. eine Rechtsmittelbelehrung
14. einen Verteiler für die Durchschriften
15. einen lieblos aufgeknallten Amtsstempel
16. einen Stempel mit dem Namen des Ausstellers
17. eine unleserliche Unterschrift

Mehr braucht ein deutsches Formular nicht. Weniger sollte man allerdings auch nicht akzeptieren, als Bürger.

 

Flüchtlingsamt

Das ist deutsche Logik: Als Flüchtling oder Vertriebener gilt, wer einen Flüchtlingsausweis hat.

Und heute? Ausländeramt.

 

 

Hang-Druck, Düsseldorf

 

Postamt

So langsam schwindet es ja aus dem Gedächtnis: man ging früher zu einem Post-Amt. Und als solches musste es sich auch gebärden: Stempel, Stempel, Nummer, Rückseite beachten, und in gewichtigem Kasten gesetzt: "Sorgfältig aufbewahren".

 

 

Stadtverwaltung

Es hat Gründe, warum man von einem "Blauen Brief" spricht, wenn man etwas unangenehmes zu erwarten hat. Die Stadt hat einem nur selten Geld geschenkt, eher denn als Steuern und Gebühren eingefordert. Der Blaue Brief als gewissermaßen amtliche Androhung, da kann auch kein netter werbewirksamer Stempel drüberweghelfen.

Poststemepl: 5. 7. 1939

 

 

 

Düsseldorf, 21. Octbr. 1868
(sog. Hufeisen-Stempel)

KOEN PREUSS REGIERUNG ZU DÜSSELDORF

Als Briefe noch wichtig, Ämter noch würdig und Schreiben noch wichtig waren:

An das königl. Landraths Amt zu Solingen

Zur Warnung gegen Auswanderung von gewerbe u. ackerbau treibenden Deutschen nach Russischen Ostsee Gouvermenents wird Folgenden mitgeteheilt

 

Die Krönung der öffentlichen Armut. 1948, das Dritte (tausendjährige) Reich ist untergegangen, Solingen von den Briten besetzt, die Bundesrepublik erst in Ansätzen im Entstehen, hat das Finanzamt Solingen-Ost kein Geld, neue Briefumschläge drucken zu lassen. Die alten Hohheitszeichen und Frei-Verfügungen werden per Kopierstift, so hieß der klecksende Bleistift, übermalt.

Poststempel August 1948

 

So sahen nämlich die Umschläge der Ämter, hier des Amtsgerichts Solingen, im Dritten Reich aus: Das Hakenkreuz als Obrigkeits-Emblem; ansonsten gestalterische Hilflosigkeit zum Steinerweichen, ein einziges Chaos. Schlechter als diesen Umschlag kann man nicht setzen und drucken. Kein Wunder, dass es den Empfänger hingerafft hat. 

 

 

 

Mitteilung auf der Rückseite.


 

   

 

In einem kleinen Dorf vor den Toren Solingens, dort wo das Bier nie die helle Farbe erreicht, auch nicht neu, sondern Alt ist, weiß man Anektötchen zu erzählen, urige im Uerigen (was, Schleichwerbung lässt grüßen, eine sehr empfehlenswerte Brauereigaststätte ist, in der man an Sommertagen gemütlich und intim mit mehreren tausend Menschen zusammenhockt). Steuern und Ämter, so die implizite Suggestion, sind eben nur noch im Suff zu ertragen. Wie wahr. Zumal ja Fleiß, des Solingers liebste Eigenschaft, vom Finanzamt bestraft wird.

Wie wäre es, analog zum Straßenverkehr, Steuern über 0,8 Promille würden ganz einfach verboten ?

 

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12. Juli 2005 Der CDU-Politiker Friedrich Merz (49) erhält für Humor und Menschlichkeit im Amt den Aachener Karnevalsorden wider den tierischen Ernst 2006. „Sein Vorschlag, die Steuer auf einem Bierdeckel zu erklären, ist ein Beweis für seine Fähigkeit, in Bildern zu sprechen und kniffelige Situationen mit Witz und Humor zu entkräften”, sagte der Präsident des Aachener Karnevalsvereins Dieter Bischoff am Dienstag in Aachen. Als „Friedrich der Große” werde der fast zwei Meter große Merz in die Runde der Ordensritter eingehen.

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Wollten Sie diesem Ex-Bundeskanzler nicht immer schon mal das Bierglas voll auf's Gesicht hauen? Nun, dank eines Bierfilzes, den er zu Wahlkampfzwecken eingesetzt hat, wäre es ja auch symbolisch möglich, wenn auch nicht fein, gewesen. Auch war unnötig, seine späten Amtsjahre des Filzes zu verdächtigen. Sein Konterfei war schon längst mit einem solchen verbunden. Merke: Verarschen kann sich das Volk zwar eigentlich selbst, aber so richtig Spaß macht es erst, wenn ein Politiker die Leute für besoffen hält.

 

Und deshalb zum Schluss der ultimative Service: der Austritt aus dem Finanzamt. Laden Sie sich dieses PDF-Formular auf den Rechner, ausdrucken, ausfüllen und ab ans Finanzamt. Ohne Anerkennungs-Garantieversprechen, aber Sie werden wieder Achtung vor sich selbst bekommen !