Andere Ansichten

Klar, dass der Solinger als solcher immer alles anders sieht. Aber hier sehen auch Sie Solingen einmal anders als nur in den Klischee- und Standard-Bildern. Aspekte und Details, die nicht unbedingt jedem bekannt sein müssen. Vor allem, wenn dieser jemand noch keine 100 Jahre alt ist.

 

Es ist ganz einfach nicht wahr, wenn behauptet wird, die Stadtverwaltung würde nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Schauen Sie sich dieses Bild an: gleich zwei Kanonen stehen abwehrbereit, um gegen Spatzen wie Bürger vorzugehen. Kein Wunder, wenn die Frauen der Frühzeit die Rathäuser stürmten, woran heute noch am 11. im 11. um 11 Uhr 11 daran erinnert wird. Hier stehen die Kanonenmädels schon bereit, um tätig zu werden. Für Auswärtige muss immer wieder gesagt werden, dass an Stelle dieses Verwaltungsgebäudes heute eine Seniorenresidenz steht, der Verwendungszweck also erhalten werden konnte, während im gegenüberliegenden WKC-Gebäude der Blick auf den Friedhof von den Verwaltungszimmern aus immer noch ungetrübt ist. Ruhe sanft.

Max Biegel, Elberfeld
Poststempel 11. Sept. 1919

 

 

 

Sie kämen von Dorp her gewandert. Damals, vor knapp hundert Jahren. Dann hätten Sie durchaus diesen Anblick genießen können. Falls dieser Anblick etwas Genussvolles zu sagen hat.

Wilh. Fülle, Barmen
2. Oktober 1909

 

Rüdenstein. Ein Rüde macht durch anhaltendes Kläffen auf den Unfall seines "Herren" aufmerksam. Der Herzog Robert von Berg soll hier 1424 vom Pferd gestürzt sein, und das hartnäckige Bellen seines Jagdhundes hat die späteren Retter darauf aufmerksam gemacht.  Der Felsen heißt übrigens Totenstein - von alters her, weil man hier eine Opferstätte vermutet.

 

Ateilie Röder, W.-Barmen

 

 

Die Wupper als ungebändigter Fluss, sich in die Wiesen ("Banden") grabend, mit eher primitiven Wehren in Grabenläufe gezwungen, die Wasserräder mit Energie versorgten.

 

Müngsten. Eine Ortschaft, die so heute nicht mehr existiert. Man bezeichnet die wenigen Häuser im Schatten der Müngstener Brücke heute so. Aber vor rund 100 Jahren waren einige wenige Gebäude an heute nicht mehr sichtbaren Platz der Ort Müngsten; dort, wo heute eine geschwungene Landstraßenbrücke die Wupper quert. Auf dem Wege von Solignen nach Remscheid.

Einst war hier das Baumgärtnersche Lokal, in dem, wie man heute sagen würde, wohl damals "der Bär tanzte".

 

Max Wipperling, Elberfeld

 

An der Einmündung des Morsbaches - zuvor war er zu einem Weiher gestaut - in die Wuppert. Die Bogenbrücke überspannt die Wupper. Links oben Schloss Küppelstein auf Remscheider Gebiet. 

Gerhardt & Co., Solingen

 

 

Die Chaussee nach Burg. Wer die Straße befährt, die zwar nicht breit, aber gut ausgebaut ist, hat wohl kaum noch eine Assoziation zum Zustand der Alleen und Verbindungsstraßen von vor hundert Jahren. Nicht gepflastert (geschweige denn geteert), eben allenfalls gestampftter Lehm, bei Regen und Schneee oder Schneeschmelze mehr als rutschig, schmal, ungesichert. So ging es damals für Pferdegespanne, Bollerwagen-Zieher oder Fußgänger wahrlich über Berg udn Tal, Stock udn Stein. Die Straßenteerung wurde erst nach 1900 zögerlich ausprobiert.

Lichtdruck v. Zedler & Vogel, Darmstadt 1905, Vertrieb durch Gerhard Thiem, Elberfeld

 

 

Der in Solingen über Jahrzente ansässige Maler P. Insel hat exakt die Stimmung auf dieser Landstraße / Chausee in seinem berühmten Bild "Le château des comtes de la montagne le matin précoce" einfangen können. Das Bild ist in der Sammlung "BlueMonday" zu sehen.

 

 

Die Sengbachtalsperre im Bau, kurz nach 1900. Das Wasser wird in einem Vorbecken (ganz vorne) gesammelt und läuft dann in die eigentliche Talsperre (3 Mio cbm). Die, wie zu erkennen, noch nicht ganz gefüllt.

Sprachforscher rätseln immer noch, ob Seng von Senke kommt oder dem Singen, in Solinger Platt Sengen. Vielleicht ein Bach in einer Senke, an dem gesungen wird. Käme es vom Familienname Seng (ausgewanderter Chinese), würde der Kölner klar analysieren: Seng sinn Sengbach.

Poststempel 30. Sept. 1907

 

Eine der zahlreichen Glorien-Postkarten über die Technik-Wunder zur vorigen Jahrhundertwende. Die Staaten feierten ingeniöses Schaffen als Heldentaten. Kein Wunder, in Zeiten, da Straßen selten gepflastert waren, Elektrizität alles andere als normal, fließend Wasser im Haus unbekannt, das Auto etwas Abenteuerliches, da mussten Brückenwerke wie diese als absolute Sensation gelten, bei denen der Himmel, der Kaiser und Volkes Seele gleichermaßen im Spiel waren.

Also durften sich auch die Künstler, allen voran die Herren Postkarten-Lithographen, erlauben, was über das Normale hinausging.  

W. Fülle, Barmen
Poststempel 18. Juli 1898

 

Wie zum Beispiel dieser Angelo Del Treno, der Eisenbahn-Engel. Der hält die dampfende Lok wie eine Spielzeugeisenbahn in der Hand und hält die flackernde Fackel des Enthusiasmus hoch. Fakt ist inzwischen, dass die Müngstener Brücke wie kaum eine zweit zum Selbstmord-Instrumentarium taugt und die Züge zwischen Remscheid und Solingen regelmäßig verspätet sind. Aber das wussten die Menschen damals noch nicht. 

 

 

 

 

Am allerbesten jedoch diese botanische Begleitung des kaltnassen Tales der Wupper: Edelweiss und Enzian. Jo mei, sagt da der Bayer und schlägt sich vor Vergnügen auf die Krachlederne.

 

 

Burg Hohenscheid als Ausflugsziel in der bundesdeutschen Werbung

   

Blick ins Innere