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Bergische Nostalgie |
Hemmungslose Nostalgiker sind die besseren Menschen: sie
sehen eine Welt, in der das Gute stets gewinnt. Modern ausgedrückt: sie
betreiben positives Denken, mentales Training, stärken sich durch
Autosuggestion und sind von ihren Missions & Visions überzeugt. Alles
Forderungen, die moderne Managementlehren entdeckt haben wollen und als
Religion verbreiten. Dabei braucht man doch nur durchs Bergische Land zu
fahren und zu wissen: die Welt ist in Ordnung. Fragt sich, in welcher.
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Es ist schon ein Faszinosum, dem sich nachzugehen
lohnt. Warum nur haben Menschen vor allem in der Zeit vor rund 100 Jahren
so vom Bergischen geschwärmt und es gewissermaßen als deutsche
Musterregion stilisiert? Hing das nur mit den heroischen Vorstellungen
zusammen, dass hier einst Waffen geschmiedet wurde, mit denen Deutschland
stark wurde? War es der Mythos der eisernen Faust, des eisernen Willens,
der eisernen Disziplin? Das Bergische Land als Agrar- und Waldland - was
es eigentlich ist - hat nie eine wirkliche Bedeutung gehabt, wurde nicht
wahrgenommen. Nur über seine Industrie und einige markante Orte und
Bauwerke, die zu Symbolen für was auch immer stilisiert wurden, hat es
sich ein Image aufgebaut, von dem nicht viel geblieben ist, der aber auch
nicht so sang- und klanglos verschwinden muss. Zumindest "früher" konnten
sich Zeichner wie Schriftsteller am Bergischen "aufgeilen". |
«
...
Und wie in ros'gen Lüften
ein Brausen näher zieht,
erhebt sich von der Erde
der Arbeit Hohes Lied.
Hie Schöpfraddrehn und Rauschen,
hie Amboß, Hammer drauf :
Ihr singenden, klingenden Berge
mein Heimatland, wach auf !
»
Emil Uellenberg
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Schriftleiter: Gustav Schlipköter in Vohwinkel und
Fritz Pferdmenges in Elberfeld
Verlag: Jugendschriften-Verlag Beenken, Berlin
Druck: Buchdruckerei Gutenberg (Beenken), Berlin
Heft 11, Februar 1929
"Blätter für die deutsche Jugend zur Pflege der Heimatliebe"
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Kaiser-Wilhelm-Brücke
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Im stillen Tal zu Müngsten
ein stählerner Riese lebt,
bei dessen Anblick dem Jüngsten
wie dem Alten das Herze bebt.
Ach, so viel Kraft aus Eisen
die hat man sonst nie geseh'n;
so gleiten auf den Gleisen
die Züge in schwindelnden Höh'n.
Und wenn die Winde pfeifen
durchs Fachwerk der Pfeiler im Tann,
dann kann man es kaum noch begreifen,
wer solch eine Plan ersann.
Es waren ganz sicher die Helden,
die kühnen und klugen zugleich,
sie wollten dem Kaiser vermelden:
dies Bauwerk, es ehret Dein Reich.
Sie bauten im Bergischen Lande,
was fürhin noch niemand gekannt:
die Brücke, den Städten zum Bande,
Als Ruhm für das Bergische Land.
»
Frei erfunden.
Aber seien Sie ehrlich: Klingt echt.
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Typisches Bergisches "Fabrikanten-Haus"
Noch'n moralisches Gedicht? Bitte schön:
Er war ein strenger
Handelsherr
und kannte seine Pflichten.
Streng zu sich selbst, streng zum Gescherr,
er wusste es zu richten.
Sein Reichtum wuchs, Not gab
es nicht,
er feilschte um die Preise.
Und Ehrlichkeit war bei ihm Pflicht,
daheim und auf der Reise.
So gingen viele Jahre hin,
bis er das Alter spürte.
Da kam ihm etwas in den Sinn,
was seine Seele rührte:
Er sprach zu sich: im Grabe
kühl,
nutzt mir kein Geld zum Bette.
Drum gönn ich mir jetzt das Gefühl,
dass ich die Menschheit rette.
Ich schenke jedem, der mich
freut,
sofort 'nen ganzen Stüber.
bestimmt mich dann das Geld nicht reut,
Nichts andres wär' mir lieber.
Da er ein Bergisch Dickkopf
war,
der kritisch sah die Leute,
traf er im ganzen nächsten Jahr,
nicht einen, der ihn freute.
So starb er reich, mit Ruhm
und Geld,
und prächtigem Gebäude.
Und ging betrübt von dieser Welt.
Denn Geld kauft keine Freude.
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Alter Kotten im Ittertal
Ohne Gedicht. Außer dem:
Am Lauf der wilden Itter
stand einst ein Kotten klein.
Darin der Frie, der Pitter,
gebeugt am großen Stein.
Sie schliffen mit Geschicke,
war'n Meister ihrer Kunst.
Kein Wunder, dass das Glücke
erwies den beiden Gunst.
Bis einst Sturm und Gewitter
zur Sindflut schwollen an,
da rollt die wilde Itter,
mit wilden Wogen an.
Die Flut greift nach dem
Kotten,
die Welle schwappt hinein,
als kämen fremde Rotten
und schlügen alles klein.
Der Kotten schwamm zum Rheine
Viel blieb den beiden nicht.
Da sprachen sie: "Man weine
ob so ein trauriges Gedicht.
Ach hätte doch der Dichter,
was bess'res uns gegönnt."
Bedröppelte Gesichter:
d'r Frie, de schnieft, d'r Pitter flennt.
De seiht: vajeht die Muppen,
mir jonnt jetz einen suppen.
denn besser als er-sopen,
es allemal be-sopen !
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Der "Bergische Dom", Klosterkirche Altenberg
Auf Kloster reimt sich nichts. Nur:
Im Kloster zum alten Berge,
da hausten die kalten Zwerge.
Sie brachten den Nonnen
gelegentlich Wonnen.
Da freut sich der Abt,
wenn's überhaupt kappt.
Nu is aba jut.
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Bergisches Schloss Burg an der Wupper |
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Dass es sie aber wirklich
noch gibt, die Bergische Nostalgie, die Schönheit der Fachwerk- und
Schieferhäuser, das sieht auf praktisch jedem Schritt, wer sich Solingen
erwandert oder auch ganz einfach - wörtlich genommen - erfährt: |
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