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St. Clemens |
Der Gretchenfrage, wie man es mit der Religion hält, ist
das Bergische nie ausgewichen. Zwar erst spät - 50 Jahre nach Luthers
Thesenanschlag 1519 - zur Reformation gekommen, ist das Bergische in
deutlichem Abstand danach zu einem der eifrigsten Reformgegenden in
Deutschland geworden. Das Wuppertal um Elberfeld und Barmen - plus
umgebender Höhenzüge - hat nicht umsonst den Ruf einer sektiererischen
Landschaft. Zwei bedeutende, aber keineswegs überregional bekannte
Kirchenbauten prägen das Bergische: Der Dom zu Altenberg, Stammort des
Bergischen überhaupt, und die moderne Wallfahrtskirche zu Neviges.
Solingen war St. Clemens (gewidmet. Der wiederum hat den Anker als Symbol
und ist mit Köln - der "kirchlichen Hauptstadt" des Bergischen -
verbunden. Und so erklärt es sich, warum das Bistum Köln und Solingen
ähnliche Wappen haben.
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Wappen des Erzbistums Köln mit dem Anker, dem Symbol des St. Engelbert.
Der Anker ist auch zentrales Element des Solinger Stadtwappens.
23. November: Sankt Clemens (auch Ankertag)
An Sankt Clemens gedenken die Gläubigen der Katholischen Kirche dem
Beisetzungstag von Papst Clemens I. (92 - 101). In der oströmischen
Kirche feiert man Sankt Clemens am 24. November.
In Solingen gibt es (2004) in dieser Zeit eine St.-Clemens-Woche.
Der Legende nach soll Clemens mit einem Anker um den Hals gebunden ins
Schwarze Meer geworfen worden sein. Deshalb wird der 23. November auch
Ankertag genannt. |
Clemens Romanus kam um das Jahr 50 n.Chr. in Rom zur
Welt. Er wurde im heidnischen Glauben erzogen. Nach der Überlieferung
suchte Clemens als junger Gelehrter einen Beweis für die Unsterblichkeit
der Seele. Beim Anhören einer Predigt des Apostels Barnabas wurde er von
der Faszination des Christentums ergriffen und ließ sich taufen. Barnabas
führte ihn zu Petrus. Petrus bestätigte ihm die Unsterblichkeit der
Seele. In der Folgezeit lernte Petrus den jungen Clemens schätzen und
bestimmte ihn zu seinem Nachfolger als Gemeindevorsteher von Rom, sprich
Bischof von Rom.
Nach dem Tode von Petrus im Jahre 64 weigerte sich Clemens jedoch, die
Nachfolge anzutreten. So wurden Linus und später Anakletus zu Bischöfen
von Rom gewählt. Um das Jahr 88 wurde der Druck der Geistlichen und des
Volkes auf ihn so groß, daß er endlich das Amt dem Wunsche Petrus
entsprechend antrat. Gemäß früher Papstverzeichnisse hatte er es bis zum
Jahre 97 inne. Allerdings ist über seine Amtszeit kaum etwas überliefert.
Er gilt als Verfasser der beiden "Clemensbriefe". Diese Briefe sind eine
wichtige Informationsquelle über das Leben, die Lehre und die
Organisation der frühen christlichen Kirche.
Kaiser Trajan verbannte Clemens der Legende nach mit vielen anderen
Christen in den berüchtigten Marmorsteinbruch von Chersonnes - dem
heutigen Sewastopol - auf der Krim. In den dortigen Steinbrüchen
herrschte akuter Wassermangel und die Zwangsarbeiter drohten zu
verdursten. Während eines inständigen Gebetes sah Clemens ein Lamm an
einer bestimmten Stelle mit dem Huf scharren. Er grub mit den Händen nach
und plötzlich ersprudelte eine Quelle aus dem Boden. Viele Zwangsarbeiter
ließen sich daraufhin taufen. Davon unterrichtet, ließ Kaiser Trajan ihn
mit einem Anker um den Hals ins Meer stütrzen. Die neugetauften
Mitchristen wurden ebenfalls hingerichtet.
Der Slawenapostel Cyrillus von Saloniki soll die Gebeine von Clemens
schließlich gefunden haben und in die nach ihm geweihte Kirche St.
Clemens in Rom übertragen haben. Diese Kirche war an der Stelle des
Elternhauses von Clemens errichtet worden und wurde bereits im 4.
Jahrhundert erwähnt. Sie gehört kunsthistorisch zu den wichtigsten
Kirchenbauten überhaupt, da sie den Charakter einer frühchristlichen
Basilika bewahrt hat. Die Reliquien des großen Papstes Clemens I. werden
im Hochaltar der über der uralten Basilika errichteten Oberkirche
aufbewahrt.
Infolge der Todesart seines Märtyrertodes gilt Papst Clemens I. unter
anderem auch als Schutzpatron der Seeleute.
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Die Heiligensäule vor der St.-Clemens-Kirche am Mühlenplätzchen. |
Wie alles im Leben ist auch diese Kirche ein Frage
der interpretorischen Betrachtung. Im 2. Weltkrieg zerstört, wurde sie im
Geist der modernistischen 50er Jahre erneuert und verändert - mit
Betonspitzen, die längst zum Wahrzeichen von Solingen geworden sind, aber
kaum von jemanden aktiv gut geheißen werden. Der damalige Pfarrer Peter
Zorn leitete den Wiederaufbau, Dominikus Böhm plante die Modernisierung.
Von Norden aus gesehen (mitte, oben) sind Kirchenschiff und Türme eher
unproportional, buckelig-hässlich. Doch alleine in der Betrachtung als
Silhoutte (rechts, kleines Bild) offenbart, so falsch gewählt sind die
Maße nicht, nur die heutige Umgebung irritiert den Blick und lenkt vom
Bauwerk ab. In der richtigen photografischen Pespektive (hier vom
Friedhof Cronenberger Straße aus gesehen) und in das Verhältnis mit der
Natur gestellt, sind die Türme plötzlich absolut stimmig. Ganz in der
Intention des Planers, der wortwörtlich von einer "Verbindung mit der
Natur" gesprochen hat. Und je nach Wetter entfaltet der helle Beton eine
mystische Leuchtkraft.
Das filigrane Durchbrechen der Betonwände soll das
Licht ins Innere leiten und bewusst an gotische Prinzipien erinnern. Die
Kirche, ein neugotischer Bau, ist nämlich in der Tat in eine Art
Anlehnung an den Kölner Dom geplant und konzipiert, auch wenn Maße und
Ausführung völlig anders sind.
Mit heutigem Bewusstsein betrachtet haben die
Betontürme einen durchaus ästhetischen Reiz, zumal einige bauliche
Veränderungen gegenüber dem Original (Übergang von Backstein zu Beton)
von Architekt Theo Scholten hervorragend gelöst wurden. Das Pech der
Kirche war und ist, dass sie eingeklemmt ist in Bauten, die ihrer
Gesamtform keine Möglichkeit geben, sich zu entfalten. |
Um 1000, möglicherweise auch gut 100 Jahre früher,
ein exaktes Datum lässt sich nicht nennen, existiert am heutigen Fronhof,
auf den Grundrissen der heutigen ev. Stadtkirche, bereits eine Kirche.
Diese ist die Vorläuferkirche der heutigen kath. St.-Clemenskirche; denn,
logisch, um 1000 gibt es hierzulande nur eine, die kath. Religion. Das
Bergische Land konvertierte nach der durch Luther 1517 eingeleiteten (von
ihm in dieser Form ursprünglich gar nicht geplanten) sog. Reformation zu
weiten Teilen der Bevölkerung zu der neuen kirchlichen Ausrichtung,
splittete sich aber in verschiedene Zweige auf, namentlich die
lutherische und reformierte ev. Kirche. Die jetzige St.-Clemenskirche ist
vom Baukörper und Standort her gerade mal etwas über 100 Jahre alt
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Nur aus der Luft oder einem Stadtplan ist die Nähe
der Kirche zum Friedhof Casinostraße so deutlich zu erkennen. Die
Häuserzeile der Straße Unter St. Clemens versperrt Fußgängern und
Autofahrern vollständig die Sicht auf den Gottesacker.
Die 1955 errichteten zwei Beton-Turmspitzen
(Planung: Dominikus Böhm, bauausführende Firma Kissel-Rapid, Solingen)
haben als Unikate niemals einen volkstümlichen Spottnamen bekommen- was
in Berlin auf der Stelle passiert wäre. "Zuckerhüte", wie sie manchmal
genannt werden, ist ja eine eher zahme und sogar treffende Bemerkung,
denn nach wie sticht der weißliche Beton deutlich gegen den Backstein der
neugotischen Kirche vor.
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Alle nachfolgenden schwarzweißen Kirchenbilder aus der Dokumentation
"Geschichte der St. Clemenskirchen in Solingen"
von Annemarie Scholl
Herausgegeben von der St. Clemensgemeinde, Solingen, 1969
Druck: Hans Kohsen, Solingen
Aufnahme 1968
Der umgekehrte Blick: St. Clemens im Jahre 2004 vom entfernten Ende des
Friedhofes an der Cronenberger Straße gesehen.
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Der Standort der St.-Clemens-Kirche hat im Laufe
der Jahrhunderte eine deutliche Verlagerung erfahren. Auf diesem im Jahr
1788 - also vor rund 225 Jahren - gezeichneten Stadtplan ist die Kirche
in etwa am heutigen Klosterwall (südlich von P&C/Kaufhof) zu sehen
(Klosterwall biegt bei McDonalds von der Kölner Straße ab).
Alle im Plan rot mit ./.
gekennzeichneten Gebiete sind heute in dieser Form nicht mehr existent
und weichen in der Straßenführung sehr stark von diesem Plan ab (sind
also "nicht wiederzuerkennen"). |
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Legende:
lila: kath. Kirche
blau: kath. Friedhof
hellgrün: lutherische ev. Kirche
dunkelgrün: reformierte ev. Kirche
Buchstaben
C = südl. Eingang der heutigen Clemensgalerie
M = Mühlenplätchen (heute in etwa der Bereich der offenen Plaza
der Clemensgalerie)
K = Verlauf der Kölner Straße (im Plan links aus dem Bild gehend)
F = Fronhof
O = Ostwall (nicht mehr existent)
L = Linkgasse
A = Alter Markt
D = "Dicker Stein", Breidbacher Tor
W = Westwall (nicht mehr existent)
D = Dreieck, Graf-Wilhelm-Platz
U = Ufergarten
S = Südwall (nicht mehr existent)
H = Hauptstraße, unterer Teil
E = Bereich Entenpfuhl |
Auf dieser Karte, von Peter Stamm gezeichnet, sind
die zur Abtei Altenberg gehörenden Ländereien zu sehen. Sie sind nach
heutigen Verhältnissen ziemlch deckungsgleich mit dem Areal P&C/Kaufhof +
Clemensgalerie. Der Straßenverlauf und die Zuschnitte der einzelnen
Grundstücke weicht jedoch im Detail sehr stark von den heutigen
Verhältnissen ab. Die Mühlenstraße (bei den Buchstaben K und C)
entspricht grob gesehen der heute noch verbliebenen kleinen Gasse
zwischen Clemensgalerie und P&C/Kaufhof. Wo oben rechts "P.P.
Mission-Garthe" steht ist heute das Gebäude der Dresdner Bank.. |
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Der Innenraum der (heutigen) St.-Clemenskirche,
einem neugotischen Bau aus dem Jahre 1890 (Konsekration, d. h. kirchliche
feierliche "Inbetriebnahme" 1892). Die Ausmalung des Innenraums geschah
um 1926. Die Glocken der Kirche wurden 1942 eingeschmolzen - zu
Kriegsgerät, wie überall im Land. Am 5. 11. 44 brannte die Kirche durch
ein Übergreifen des Feuers der in der Nachbarschaft zerbombten Gebäude.
Links um 1940, rechts um 1965 |
Die erste Kirche Solingens war ein sog. Saalkirche; dies ist nichts
anderes als ein gewöhnlicher viereckiger Raum. Sie bestand in etwa bis
1300. Danach wurde eine ca 15 x 15 m große Pfeilerbasilika gebaut, etwa
300 Personen fassend. Um die Kirche herum befand sich, wie früher üblich,
ein Friedhof. Um 1507 und 1523 wurde die Kirche vergrößert. Bis zur
Bombardierung haben sich übrigens noch sakrale Gegenstände (z. B. ein
Meßkelche) aus dieser spätmittelalterlichen zeit erhalten. Ende des 16.
Jahrhunderts gab es verheerende Kirchenbrände, das Gebäude wurde mehrfach
umgestaltet.
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Ähnlicher Vergleich außen:
Links um 1940, rechts um 1965 |
Die Katholiken wurden aus ihrer eigenen Kirche - dem damaligen Gebäude
auf der Stelle der heutigen ev. reformierten Stadtkirche - vertrieben. In
einer Art Handstreich wurde 1644 dem Küster der Schlüssel entwendet um
dem ref. Pastor Lüneschloss übergeben. Diesem "Gerangel" war mehrfaches
gegenseitiges Vertreiben vorangegangen. Die katholische Gemeine musste
fortan ihren Gottesdienst im Rathaus zelebrieren, bevor sie später eine
eigene, neue Kirche errichtete.
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Ab 1701 wurde dann am heutigen Klosterwall (früher
Stadtwall) eine neue Kirche gebaut. Auf dieser Zeichnung aus dem Jahr
1850 ist sie nach einem Umbau zu sehen - 1832 war der Bau durch einen
Orkan schwer beschädigt worden. In der Wirtschaft
links neben der Kirche war übrigens das erste Theater Solingens (noch mit
reisenden Schauspieltruppen). Interessant dort das Gestell zum Anbinden
der Pferde (ganz exakt so, wie man es aus Western- und Cowboy-Filmen
kennt) und gegen "Verkehrsrowdies", die am liebsten mit der Kutsche bis
zum Altar fahren würden, mussten schon damals Poller vor der Kirche
aufgestellt werden. Parkverbote sind also keineswegs eine neue Erfindung. |
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Die Dokumentation wurde 1967 unter Pfarrer Josef
Schmatz beauftragt. Er wie auch andere Pfarrer der Kirchengemeinde sind
an zentraler Stelle auf dem Friedhof Cronenberger Straße beerdigt; die
Stelle ist markant mit einer "Troststeele" hervorgehoben.
Wie das heute in Gemeinden so ist, kommunikativ ist man fröhlich
engagiert, die Begeisterung ist meist intensiver als die Solidität der
Ausführung. Und deshalb ist die Website der Kirchengemeinde ein
Spiegelbild des Gebäudes: gut gemeint, aber nicht zur Geltung kommend.
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Solinger sind Eiferer und deshalb ist es logisch,
dass sie vor allem auch fromme Eiferer sind. Von Solinger Pfarrern sind
zahlreiche Bücher zur Erbauung der Menschheit, vor allem Erziehung der
Kinder zu Frömmigkeit überliefert. |
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Die heutige Zeit ist sensibilisiert für fromme
Eiferer und fundamentalistische Verfechter der totalen Machtausübung
einer Kirche - immer mit der Drohung, alles geschähe im Namen Gottes oder
Allahs. Sehr weit von den heute so angegriffenen Fundi-Positionen der
Islamisten sind solche Texte, gerade mal etwas über 100 Jahre alt und dem
christlichen Denken entstammend, nun auch nicht gerade entfernt. |
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Ein Fotoessay der St.-Clemens-Kirche und des Denkmals |
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