De Leuw - der Landschaftsmaler

Wir werden heutzutage von Bildern überflutet. Früher waren Landschaftsmaler die Augenzeugen, die Bilder in die Welt trugen. De Leuw, Sohn des in Gräfrath ansässigen, berühmten Arztes, gehörte zu den Großen seines Genres. 1817 in Gräfrath geboren, studierte er in Düsseldorf, ging nach Englang, heiratete und kam mit Frau und vier Kindern 1868 nach Gräfrath zurück. Er wohnte im Haus Grünewald und Düsseldorf zugleich und starb dort 1888; sein Grab ist im Geburtsort Gräfrath.

 

 

Aus seinen Bildern kann man lernen. Entdeckungen machen, Reisen ins Detail gewissermaßen. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Bilder ausgewählt, wiedergegeben und kommentiert. Den kunsthistorischen Wert können und werden anderen feststellen und einzuordnen vermögen; mir und hier geht es um Gräfrath als Teil des heutigen Solingens in einer Zeit, da es zwar viele Überlieferungen in Form von Texten, noch nicht in Form fotorealistischer Bilder gibt und die durch die Skizzen des Malers de Leuw plötzlich aus dem Dunkeln ins Rampenlicht treten. hgw

 

Mappe mit ca. 2 Dutzend Reproduktionen; herausgegeben 1976 von der Stadtsparkasse Solingen

 Zwei Charakterköpfe, die unterschiedlicher kaum sein können und doch etwas gemein haben: den Blick des Bergischen Zweiflers. Links ein mit "Peter Vinzens" bezeichnetes Portrait, als in Gräfrath gezeichnet im Skizzenbuch vermerkt, allein, einen solchen Namen findet man in der seinerzeitigen Bürgerliste nicht. Dennoch könnte so der Ur-Bergische aussehen - ob in echt oder symbolischer Phantasie, fast spielt es keine Rolle mehr. Skeptisch, aber interessiert, mit Spuren von Arbeit und Entbehrung, aber bei Kräften, alles andere als reich, aber stolz und selbstbewusst. Und rechts der Maler, in der symbolisierten oder gelebten Pose des Boheme, der Düsseldorfer "feinen Gesellschaft" und der Kreise, die sich in Kunst - und vielleicht auch Müßiggang - ergingen. Auf diesem Portrait war De Leuw 23 Jahre alt und Student. Da sehen die heute aber verdammt jünger aus in dem Alter ...

 

Nur skizziert - und doch so echt: Der Kunde - in Uniform, ein Soldat der Gräfrather Garnison? - wird vom eilfertigen Friseur bedient. Der im Kittel, hält offensichtlich Abstand zu seinem Opfer. Dennoch meint man, sein verkniffenes Gesicht erkennen zu können, das ausdrückt: su löppt man nit röm. Und es nähem nicht wunder, käme der Rotberockte kurzgeschoren davon.

 

 

Der Maler datiert die Skizze auf den 3. März 1840. Anfang März und noch die Wupper (!) gefroren? Früher war das Wetter doch immer besser, oder? Schlittschuhe waren noch nicht erfunden, man "litschte" übers Eis. Der Mann vorne links hat dazu offensichtlich schnabelförmige (Holz-?)Kufen oder -schuhe umgeschnallt - oder gab es etwa "Eislauf-Blotschen"? Und ein "Schlidderstuohl" anstatt Rollstuhl!. Man zeltet am Eis - Abenteuerurlaub? Wer hängt da die Fahne raus, die Pfadfinder waren's jedenfalls nicht. Fremde Händler, Durchziehende, gar Söldner? Warum stehen die Mensche abwartend-neugierig vor dem Zelt? Die Wupper, auch das ist erkennbar, war alles andere als begradigt, kanalisiert, sie floss durch eine Augenlandschaft. Und rechts ist ein deutlicher Saumpfad zu sehen.

 

Der Brandteich (heute zugeschüttet, nur der Name blieb) mit Blick auf die Garnisonstraße (die es so auch heute noch gibt). Links im Talkessel kuschelt sich der Dorfkern, der Blick geht nach Südwesten, Richtung Bandesmühle.

Das dominante Haus rechts im Bild (höchstes) ist das Elternhaus von de Leuw (siehe Blick aus dem Haus unten), es existiert noch.

 

 

Gewissermaßen weiter nach links geschaut - wenn auch von einer etwas anderen Position, ebenfalls der Brandteich, dahinter Kloster und Kirche, es lugt der Turm der ev. Kirche am Markt hervor. Kurios: beide haben identische Wetterhähne, die auf anderen Bildern manchmal fehlen. Erbärmlich dürr der Klappergaul, auf dem der Reiter hoppelt - insgesamt mehr stilisiert als Realität.

 

War Gräfrath schon immer so, wie es heute noch aussieht - im Großen und Ganzen ja. Das Ensemble mit der Klostertreppe ist mehre hundert Jahre alt, gleichwohl auf diesem Bild die Proportionen geradezu in kubistischer Manier verschoben sind.

Auf alten Fotos nicht mehr zu sehen der zweite Brunnen vor dem eigentlichen Marktbrunnen, dem offensichtlich noch ein Trog als Viehtränke angeschlossen ist. Später wurde nur der Hauptbrunnen erhalten und umgebaut.

 

Interessant sind die Details und outen de Leuw, bei allem Respekt vor seinem Können, doch eher als begabten Szenenzeichner denn realismusbemühten Dokumentar:

Hier der Reiter mit fliegenden Rockschößen, der sich eine saftige Strafe wegen Überschreiten der höchstzulässigen Galoppgeschwindigkeit einhandelt, zumal er das Pferd wohl zur Vollbremsung zwingt. Und auf der Treppe, als hätte de Leuw die Figur vorausgeahnt, Charly Chaplin in seiner unverwechselbaren Slapstick-Manier.

 

Des Kaufmanns Pferd ist einer großen Dürre anheim gefallen und die fleißige Hausfrau geht, Korb am Arm, zum Kramladen um die Ecke, um das Nötigste zu besorgen. Für den Brenkel, dies zeigt das Bild, waren seinerzeit schon Schleifsteine, fein säuberlich halbiert, gute Bausubstanz.

 

Blick aus dem Elternhaus auf Gräfrath - heute würde man sagen, mit Teleobjektiv-Perspektive, den Raum stark verkürzend. Das Haus steht an  der heutigen Wuppertaler Straße, gegenüber der Einmündung Garnisonstraße.

 

 Auch diesem Bild, oben, fehlt der Wetterhahn, der auf einem anderen Gemälde zu sehen ist und heute noch das Türmchen krönt