Feilenhauer-Buch

Die Mentalität der Bergischen Kaufleute müsste den Betriebsprüfern vom Finanzamt entgegenkommen. Aus Misstrauen, jemand könnte Ihnen einen Thaler vorenthalten, zeichnen sie penibel jeden Geschäftsvorfall auf ...

Erhaltene Fragmente des Umschlages bzw. Etikettes eines Feilenhauer-Buches. Es stammt vermutlich aus der Firma Niebch in Burg
(wurde auf einem Zöppkesmarkt zusammen mit anderen Geschäftsdokumenten der Firma erworben)

 

Das Buch verzeichnet über eine Zeitspanne offensichtlich alle Aufträge, die an selbständige Handwerker (Feilenhauer) vergeben wurden. Es ist das Buch eines Kaufmannes ("Fabrikanten"), der in Lohnarbeit fertigen lässt und die erhaltenen Waren mit ihren Preisen in diesem Buch als "zentralem Warenwirtschaftssystem" (SAP/R3 lässt grüßen) notiert hat.

Pro Handwerker / LIeferant ist eine oder mehrere Seiten angelegt. Das Buch startet auf Seite 1 mit dem Handelsverkehr bzw. Einkauf / Auftragsvergabe an / mit einem Wilhelm Müller, Cremenholl (noch heute existente Ortschaftsbezeichnung in Remscheid).

 

Alles handgeschrieben, alles mit Tinte, alles penibel, alles mit einer Mischung aus Sorgfalt und Routine.

 

 

Seite 1
Wilhelm Müller
1882
Mai, 12.
71 Stück ...lligscheit ((??))
14" 21,30

 .... usw.

Geld wurde offensichtlich
"baar"
ausgezahlt

 

 

Die letzte Eintragungsseite 351 für einen AltGesell (bf ???) A. Wagner

1886
Juli 17

5/6 Iz ((??) [halbrund] 10" [Zoll] ungef.
3/50       2,91
.... usw.

 

Telefonbuch aus dem Jahre 1882. Sicher gab es erst das "Fräulein vom Amt" und die wenigen Anschlussbesitzer hätte man sich fast merken können ...

 

Aug. Everts 175
Fried. Fischer 180
Aug.Siedt [???] 180
I. Enke 152

usw.

Aus dem Jahre 193 stammt ein kleiner Taschenkalender, der als "Handwerker-Büchlein" viel Platz für Eintragungen lässt. Viel Platz für sich beansprucht das Unternehmen für sich auf dem Terrain des benachbarten Remscheids; die BSI ist ein heute noch existentes, virulentes Werk.

 

Ein nicht namentlich zu identifizierender Nutzer hat auf etlichen Seiten Aufträge, Ideen und Konstruktionspläne notiert.

 

 

 

 

 

Vielleicht hätte sich schon damals Export gelohnt: bei den Umrechnungskursen 1912 (Wert in Reichsmark):

Argentinien 1 Peso 4,05
China 1 Liang 4,80
Frankreich 1 Franc -,81
Großbrit. 1 Pfund 20,40
Holland 1 Gulden 1,68
Japan 1 Yen 2,10
Indien 1 Rupie 1,36
Italien 1 Lira 0,81
Mexiko 1 Peso 4,05
Österr.-Ungarn 1 Krone -,85
Rußland 1 Rubel 2,15
Schweiz 1 Franken 0,80
Spanien 1 Peseta 0,70
USA 1 Dollar 4,18

 

Man kann ja heute über die EU lästern wie man will und die normierende Bürokratie für "blöd" halten. Aber mehr als blöd war es vor 100 und mehr Jahren, als Maße, Gewichte, Tarife, ja auch Uhrzeiten in Kleinstaaten-Manier geregelt waren und ein Zoll noch lange kein Zoll, in der Landwirtschaft der badische Morgen artout nicht mit dem preußischen Morgen übereinstimmte und die Steuern so unterschiedlich sein konnten wie heute noch in den Kantonen der Schweiz. 

 

 

 

 

Diese Karte macht deutlich, warum die nationalen Maße kaum noch eine Chance haben konnten: Europa war um 1910 nämlich längst via Eisenbahn zusammengewachsen und de Handel stützte sich weitgehend auf die neue, schnelle und preiswerte Güterbahn.

Einwohnerzahlen um 1912 (i.Tsd.):
Lüttringhausen 14
Ronsdorf 15
Höhescheid 16
Wald 25
Ohligs 28
Solingen 51
Remscheid 71
Barmen 169
Elberfeld 170
Düsseldorf 359
Cöln 516
Berlin 2.071