Humboldtgymnasium

Schon immer gab es in Solingen eine kräftige Rivalität zwischen gymnasialen Lagern. In der Innen-/Südstadt die elitären Cliquen des Gymnasiums Schwertstraße und "da unten", Wald-Weyer-Ohligs, das Humboldtgymnasium. Tatsache ist, beide Schulen haben - neben inzwischen entstandenen anderen Gymnasien in Solingen - über alle Jahrzehnte gute bis sehr gute Arbeit geleistet und zehntausende von Absolventen, hier wie da, haben seitdem auf der Basis der jeweiligen Schulen Karriere gemacht.

 

Originell: Das alte und neue Gebäude werden gegeneinander gesetzt.

Angesichts heute oft anzutreffender grafisch-gestalterischer Unsicherheit und Absinken auf naives Erstklässler-Niveau auch bei Publikationen von Bildungsinstituten, die etwas auf sich halten, muss man erstaunt sagen "Hut ab" vor der für damalige Verhältnisse grundsoliden und außerordentlich professionellen Gestaltung dieses Jubiläumsbandes "75 Jahre HGS". Aufklärung bringt das Impressum. Kein Geringerer als Werner Brattig, einer der Solinger Top-Grafiker, hat es gestaltet. Er leitete damals an der Schule Kunstkurse und hat den Schülern das Layout überlassen, was wohl heißen will, sie so angeleitet, bis sie eins schufen, dass seinem Stil entsprach. Eine durch und durch bemerkenswerte Dokumentation in grafischer wie auch in inhaltlicher Hinsicht, mit Illustrationen, die weit über das Normale hinausgehen.

 

 

Die Lage am Weyer machte dieses Gymnasium interessant für ein "Gemeinschaftsprojekt" der damals noch selbständigen Städte Ohligs und Wald. Sie legten beim Bau- und Betriebsaufwand gewissermaßen zusammen.

 

 

 

 

 

Das Beschlussprotokoll des Walder Stadtrates über die Errichtung des Gymnasiums, das erst viel später in Humboldtgymnasium umgetauft wurde. Und zwar nicht nur nach dem berühmten Forscher, Entdecker, Geologen Alexander von Humboldt, sondern auch Wilhelm von Humboldt, seinem jüngeren Bruder. Ein Freund von Schiller und Goethe, politischer Karrierist und Diplomat, Kämpfer gegen die Bevormundung der Bevölkerung durch den Staat, Forscher und Wegbereiter für vergleichende (deutsche) Sprachstudien. Es ist nicht geklärt, welcher der beiden Brüder bei der Namenstaufe gemeint war - oder vielleicht sogar beide. Denn all die genannten Disziplinen spielen an dieser Schule eine wichtige Rolle.

So sah der Walder Photograph Bruno Unterbühner das Gebäude in den 30er Jahren.

 

 

Gemalt im Atelier Malladen

 

Der Krieg zerstörte das Gebäude nicht, sondern es wurde in den 70er Jahren abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

 

Ob schön oder nicht schön, war seinerzeit - und ist heute noch nicht - die Frage. Hauptsache mehr Platz und zweckmäßigere Räume, das war und ist die Devise.

Die endgültige Einweihung des Neubaus fand 1978 statt. Durch den damaligen Oberbürgermeister Georg Schlösser, selbst Walder.

 

 

 

Mit einer noch heute erstaunlichen und absolut modernen "Handschrift" entwerfen Schüler ein Signet für das Jubiläum. Allererste Sahne, diese Symbolik des Fingerabdrucks.

 

 

Seiten der Chronik zeigen zwei Welten auf: Hier die Technik, dort die Kunst. Hervorragende Lösungen grafischer "Spielereien", sicherlich durch einen Profi wie Brattig (und andere?) massgeblich und sehr intensiv beeinflusst bzw. angeregt. Und eine E-Technik, die heut wie Steinzeit vorkommt.

Persönliche Anmerkung: Wenn ich, Entlass-Jahrgang 1964 an anderer Schule, damals in meinem Kursfach Elektrotechnik auch annähernd solche Instrumente gehabt hätte wie diese (die man heute in ebay als "antik" anpreisen würde), wäre ich ja heilfroh gewesen ...

 

Was soll man da noch zu sagen: Plädiert man für Schuluniformen statt Markenmodediktat, gilt man als altnational-anachronistisch, lästert man über soviel preußische Uniformität, wird man hören, Disziplin sei kein Nachteil. Es bilde sich jeder seine Meinung ... :-)

Ich hatte vor einigen Tagen das Vergnügen, eine total kotz-besoffene, grölende, pöbelnde deutsche Klasse (15/16jährige) über den Marktplatz einer von sehr vielen ausländischen Touristen besuchten deutschen Vorzeigestadt torkeln zu sehen und frage mich nun, ob nicht wenigstens ein Mittelding zwischen dieser Parade-Ausgehuniform und Benehmen wie im Irrenhaus einforderbar sein sollte. Diese mögen hier vielleicht nur komisch aussehen, aber zugedröhnte abgerissene Lumpengestalten von heute (sorry, ich vergaß, es ist Markenkleidung im second-hand-look) sind auch nicht gerade das, was man unter geistigem Niveau versteht. Ich jedenfalls nicht. OK, bevor nun ein Pädagosoziologe sich genötigt sieht, einen Leserbrief zu schreiben: ja, alle sind nicht so. Aber alle gingen auch nicht 1909 so spazieren. Einige fuhren auch so mit der Straßenbahn.

Linolschnitt Jahrgangsstufe 12.1; veröffentlich in der oben gezeigten Chronik.