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Solingisch |
Sie haben eine eigene "Schrift" entwickelt, die Solinger:
ihre Bildmarken, mit denen Solinger Stahlwaren gekennzeichnet werden. Seit
wann, weiß man nicht genau, es wird vermutet, schon seit Beginn des
Handwerks. Die jeweiligen Privilegien, die die Zünfte von ihren
Herzögen/Grafen erhielten, regelten den Gebrauch der Zeichen. Zweck: das
"Ausland" (es begann unweit der Wupper) sollte wissen, dass die Schwerter
und Messer aus Solingen kommen. Ein früher Fall von Branding, wie so etwas
heute im Marketingdeutsch heisst. Die Qualität der Ware wurde übrigens von
Zunftvögten vor dem Verkauf geprüft. Wie auch immer: Solingisch ist eine
Brücke zwischen der Steinzeit und dem Cyberspace.
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Ob Buchstabenkombination oder symbolisches Bild, freie
Phantasie-Konstruktion oder grafisches Grundelement: Hauptsache, das
Zeichen hat einen Wiedererkennungswert und ist unverwechselbar. So will
es die Vorschrift und so ist es auch sinnvoll. Auf Schönheit kommt es
nicht an.
Das Wort "Solingen" in verschiedenen sog. Pi-Fonts |
Ingesamt wurden 13 Rollen (Verzeichnisse) im Laufe
der Zeit für die verschiedenen Handwerke geführt. Aus diesen hat die
Autorin in einer bewunderswürdigen akribischen Kleinarbeit die Zeichen
zusammengetragen und systematisch geordnet. Aber nicht nur das, sie hat
die handschriftlichen Eintragungen lesbar gemacht und eintragungsgetreu
gelistet.
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Bildschriften, von denen die Bildmarken abgeleitet sind, sind nicht neu.
Ob Hierogglyphen der chinesisch - alles ähnliche Wurzeln wie die heutigen
Icons oder Dingbats, von den Schriftschöpfer-Genie Hermann Zapf auch in
der Neuzeit etliche erfunden und populär gemacht hat. . |
Unterschriften der Autorin, des damaligen Solinger
Oberbürgermeisters Georg Schlößr und des Verlegers Walter Braun.
Die Herausgabe des Buches wurde von der Stadt Solingen
mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland finanziert. |
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Gesamtherstellung Kaschuge-Druck, Duisburg
Walter Braun Verlag, Duisburg, 1978
ISBN 3-8-87096-144-9 |
Das jeweilige Zeichen konnte jemand "erfinden"
(heutiger Slang: designen) oder kaufen bzw. ererbt bekommen. Es war, wie
heute, ein Handelswert. |
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Et jov nix, wat et nit jov. Nichts, was es nicht
gegeben hätte. Erika Schlesinger hat das Kunststück fertig bekommen, die
über anderthalb tausend Zeichen in eine logische Ordnung zu bekommen. |
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Hier die echten ägyptischen Hieroglyphen mit der
deutschen phonetischen Transkription (auf heutige Sprache übersetzte
Aussprache). |
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zum Vergleich: hethitische Keilschrift, könnte auch
benutzt werden, um Solinger Klingen zu kennzeichnen, ist aber weniger
übersichtlich als die mehr bildhaften Zeichen der Rolle. |
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Auch Buchstaben und Buchstabenkombination wurden
gerne verwendet, natürlich oft in willkürlicher Stilisierung oder als
Ligatur (zusammengefasste Buchstaben). |
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Solinger Zeichenrolle? Nein, indianische
Schriftzeichen. Erstaunlich, diese Ähnlichkeit. Haben die Solinger in
Amerika stibitzt oder waren die Indianer in Solingen zum Spionieren? |
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Unglaubliche Ähnlichkeit: rechts die Solinger
Zeichenrolle, unten 10.000 Jahre alte spanische Höhlenmalerei.
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Der Erfinder der modernen Pictogramme: Otl Aicher,
Schöpfer auch der genial-schönen Rotis (benannt nach seinem winzigen
Wohnort im Allgäu); Otl Aicher ist Symbolfigur der sog. Ulmer Schule und,
was in Vergessenheit geraten ist, "Vater" des Designs der Olympiade 1972
in München, die typografisch und von der Farb-/Bildsprache her der
Eintritt in die totale Informations- und Kommunikationsära war. Er ist
ein wirklicher Pionier, der leider viel zu früh verstarb, weil ihn ein
Motorradfahrer tötete, als Aicher unaufmerksam auf seinem
Rasenmähertraktor vom Grundstück auf die Straße fuhr. |
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(Ich hatte mal das Vergnügen, mit Otl Aicher
zusammen eine hochkarätige Broschüre für eine internationale Bank zu
schreiben und zu gestalten. Sein Können war beispiellos und er schaffte
es, alle Mitarbeiter optimal zu motivieren. Allerdings ließ er nie auch
nur die geringste Kleinigkeit durchgehen, unter 100 Komma null Prozent
lief bei ihm nichts.) |
Beispiel für eine Seite aus der Zeichenrolle,
Eintragungen von 1777 |
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Ganz moderne Zeichen ... :-) |
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... und zurück zum
Wort.
Womit übrigens bewiesen wäre, dass "klein-klein" eine starke Solinger
Marke ist. |
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Einige Markenzeichen (Erbmarken) mit Namen und
ergänzenden Angaben.
Aus: Solingen und sein Industriebezirk, 1922 |
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