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Industrieleichen |
Die Tripolis Wuppertal-Solingen-Remscheid ist eine der
ältesten kompakten Industrieregionen Europas. Ihre über Jahrhunderte
anhaltende Stärke und zum Teil Weltruf verdanken die drei Städte in einem
großen Maße ihrer jeweiligen Spezialisierung. Vereinfacht: Solingen für
Stahlwaren, Remscheid für Werkzeuge, Wuppertal für Tuch/Weberei. Allen
drei gemeinsam ist - vielleicht mehr noch als im dafür gerühmten Schwaben
- ein Hang zur "Knösterei", dem Tüfteln und Basteln, das oft Erfindungen
nach sich zog. Viele bedeutende Marken wurden im Bergischen Städtedreieck
erfunden, wahrscheinlich ist es sogar die älteste und sicherlich eine der
bedeutendsten "Marken-Regionen" (marketing-englisch: brands) Deutschlands
- gewesen! Denn der Niedergang scheint unaufhaltsam. Viele der großen
Namen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten ausgelöscht oder an andere
Eigner "in die Fremde" verkauft.
Dass dieser Wandel eingetreten ist, stellt kein
Problem dar. Wie die Kommunalpolitiker summa summarum damit umgehen, ein
riesengroßes. Ich kenne erschreckend viele, die vor den notwendigen
rigorosen Wandlungsprozessen schlichtweg die Augen schließen - oft, weil
es ihnen an Wissen und Erfahrung fehlt. Die meisten von ihnen hoffen auf
ein Wunder, obwohl keiner weiß, auf welches.
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Knapp zweihundert Jahre nach der Gründung ist noch
ein Industrieareal mit musealen Bauten und eine
Auffanggesellschaft übriggeblieben. Staatliche Fördergelder halten mehr
den Schein denn wirkliche Substanz aufrecht.
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Einst wirklich ein Unternehmen, auf das alle stolz
waren und dem man zutraute, "ewig" weiterzumachen. Heute ist es eine
formale Auffanggesellschaft für einen Großteil der Belegschaft geworden
und ein kleiner Teil macht mit einem neuen Investor weiter. |
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Einst legendär: Die Waagen von Krups.
rechts: "Krups Roberval" |
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"Ihre Familie
wird immer wieder erstaunt sein, welche wohlschmeckenden Speisen Sie mit
Hilfe dieser neuen Küchenmaschine KRUPS-3 MIX zubereiten können!
Unsere Rezepte sollen Ihnen dazu eine kleine Anregung geben."
gedruckt 1963 |
Geradezu an biblische Vergeltung fühlt man sich bei diesem Text und der
damit verbundenen Logik der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert:
Wachstum ist ewig, Erfolg ist ein Garant, wer gut ist, dem kann nichts
passieren.
Erst an Moulinex verkauft, dann drastisch in der
Belegschaft reduziert und zum Schluss als Gebäude so gut wie komplett
abgerissen ist Krups so gut wie vollständig von der Bühne der Solinger
Industrie verschwunden.
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vollständig Buchdruck, um 1960 |
... in aller Kraft und Herrlichkeit untergegangen,
eliminiert, von der Bildfläche verschwunden. Von wegen ausbaubar.
Krups war abbaubar. |
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Das verbliebene Vertriebscentrum an der Foche macht
vielleicht deshalb nicht von ungefähr den Eindruck eines Gefängnisbaus. |
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Bremshey Von diesem Namen ging Glanz aus, und ein gewisser Mythos. So ganz haben
die Solinger nie durchgeblickt, was "die von Bremshey" alles so machten.
Der Begriff "Portfolio" für Produktpalette war noch unbekannt und deshalb
reduzierte sich Bremshey vor allem auf Dinett (ein rollbarer,
zusammenklappbarer Servierwagen) oder die Variante Variett, ein
eigentlich völlig unnützes Ding, dass man aber unbedingt haben musste, um
in den 60er und anfangs 70er Jahren "chic" zu sein.
Seien Sie ehrlich: soeben haben Sie gesagt:
"Mensch, das Ding hatten wir auch mal!"
In Zeiten immer noch beengten Wohnens, wie 10, aber
auch 20 Jahre nach dem 2. Weltkrieg noch üblich, waren solche Lösungen
sehr praktisch. Da die Firma Bremshey jedoch - nach heutigen
Gesichtspunkten - trotzt der immensen Stärke ihrer Marke mit den
Produkten irgendwann den Anschluss an das Lebensgefühl und -stil verlor,
musste sie letztendlich die Segel streichen.
Dieser Prospekt ist undatiert, stammt aber mit großer
Wahrscheinlichkeit aus den 50er Jahren. Druck: Gebr.
Hölterhoff G.m.b.H., Oelde i. W. |
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Es gibt ihn noch, den Knirps, die Marke wird
fortgeführt, doch eben nicht mehr durch die Firma des Erfinders, Bremshey. |
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Solingen war Filmstadt! Echt und wahr. Im
Cobra-Studio gingen durchaus "Berühmtheiten" ein und aus. Sehr viele
bekannte Werbefilme der 60er, 70er Jahre und später wurden hier
produziert. Als "die Cobra", eine alternative Kult- und Szene-Lokalität,
lebt das Industrieerbe fort. |
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"Bitte entschuldigen Sie", dass wir einen Computer
haben", so ähnlich könnte auch die Überschrift lauten. Das waren noch
Zeiten, als Banken ihrem Publikum erzählen und visualisieren mussten,
warum "Elektronengehirne" einen Teil der Arbeit übernehmen. Man wird sich
besser um die Kunden kümmern, verspricht das Institut. Vergebens. Wie so
viele kapitalistische Aktivitäten haben die Gewerkschaften auch die Bank,
die ihnen nahe stand, in den Sand gesetzt resp. an zahlende Kapitalisten
verkauft (Nachfolger: SEB).
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Dieser Schnaps wurde einem in Gaststätten immer
aufgedrängt. Freiwillig hätte man den sich doch nie gekauft, nein, nur
aus Mitleid dem Wirt gegenüber oder aus Anstand oder weil er weg musste
oder weil das Glas leer war oder weil man doch auf seinen guten Ruf
achten musste, nein, freiwillig nicht, nur immer gezwungen. Bis zu
zwanzig Mal hintereinander. Furchtbar.
Aber wie Sie sehen, der Solinger an sich war schon
immer italophil. Wenn es heute der Grappa ist, von dem er sich ein
Gläschen nach der in kaltgepresstem Olivenöl sanft geschmorten
toskanischen Lammkeule an Rosmarinkartoffeln und Edelratatouille
genehmigt, so war es seinerzeit nach einem Pferdesauerbraten eben ein
doppelter Doppelwacholder. Pfui, wie lecker. |
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Ausgegossen: wo einst Rautenbach werkelte, kaufen
heute die Werktätigen bei Obi Sachen fürs werkelnde Hobby. |
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Tolle Leistung (1962). Heute pleite. So ist das
Leben. |
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Die, die einst stürmisch und energisch gegen allzu
viel stürmisch-kapitalistische Industrie und Dominanz zu Felde zogen,
sind selbst längst Opfer der globalen industriellen Revolution geworden.
Übrig blieben nur noch wenige Gewerkschaften, sie
haben sich zusammengeschlossen, wie zur mächtigen ver.di, andere sind bei
größen Kollegen untergekommen, z. B. Textil zu IGM.
Annonce aus 1963 |
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An solche Anblicke wird man sich gewöhnen müssen.
Was einst den Ruhm und Ruf der Stadt produzierte, ist jetzt eine
zugenagelte Immobilie mit Tendenz zum Zerfall.
Und das Wohnhaus nebenan, die "Fabrikantenvilla", verströmt auch den
Hauch von Geisterstadt. |
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Hillers-Reklame an der Schlagbaumer Straße, zum
Wasserturm rauf. Eine "2", Vohwinkel—Burg kommt gerade
die Straße herunter. Und ein VW-Käfer quält sich rauf (an genau dieser
Stelle wurde später VW-Flocke errichtet). |
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Dr.Hillers Pfefferminz-Drops als Viagra des Kleinen
Mannes: so mutet der Werbespruch aus heutiger Sicht an: "Erhöht die
Spannkraft". Was immer damit gemeint sein mag. Am Dreieck wurde dafür
geworben, unübersehbar.
Wie wär's mit: "Ist scharf. Macht scharf."? Hätte
dann auch zu Solingen gepasst, weil natürlich NUR die Messer gemeint
gewesen wären ;-) |
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aus: Heribert Kremer: Solingen, Bewegte Zeiten - die
50er Jahre, Wartberg Verlag, 1998
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Rund 100 Jahren wurden in Gräfrath Bonbons und
Schokoladen gekocht; bekannt waren die Hillers Pfefferminz in der
charakteristischen Rolle. Dann wurde das Werk von Haribo gekauft und seit
dem werden hier die berühmten Gummibärchen geboren.
Bergina Schokolade - der
Schmelz des Bergischen Landes.
Herr alle Gummibären ist bekanntlich Thomas Gottschalk ...
... und Damen haben sie auf's Verführerischste am Halse.
Haribo Werbung in der amerikanischen Vogue, 2001 |
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Idee: hgw
Umsetzung: Kl.P. Nicolay
Nutzung: a:prico Hamburg
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Aber es gibt sie noch, die Nachfolger der ältesten
deutschen Pfefferminzmarke, seit 1885 bestehend. Die Firma Katjes Fassin
in Emmerich hat 1997 die Markenrechte aufgekauft und produziert als
"Bonbon-Multi" alte und neue Sorten weiter. |
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Das ist nicht nur einfach Werbung, das ist eine
Schallplatte. die Rillen in harte Pappe gepresst und mit 45 Umdrehungen
abspielbar. |
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Ade.
"Dorthin, wo billiger produziert werden kann" verlagert
ab 2006 die Olbo-Unternehmensleitung Maschinen und Arbeitsplätze. Die
menschen müssen mitgehen oder bleiben arbeitslos zurück.
Die "Ohligser Leinen- und Baumwollweberei" OLBO ist
eine Tochter der Stöhr AG Mönchengladbach und stellt Gewebe für
Fördergurte her und Garne für Hochdruckschläuche. In Ohligs galt das
Unternehmen als solide und mit einem gewissen Ewigkeitswert, zumal
Leistung, Qualität und Produktionsprogramm auf dem Weltmarkt topp sind.
Solinger Morgenpost, 4.5.05; Foto: Martin Kempner |
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