Konden

En staatsen Konden, so sëiht man in Solig, wenn man einen prächtigen Burschen, richtigen Jungen, anständigen Kerl, kurzum den echten wahren wirklichen Nachwuchs-Solinger meint. Heute Kiddy, Zwerg, Kurzer oder - nach wie vor - Stuppmann genannt. Und was ein solcher ist, der, weiß nicht nur das Sprichwort, übt sich früh und bereitet sich auf das Leben vor.  Und macht sich so seine Gedanken ...

 

 

Nach dem Motto: das ganze Leben ist ein Flohmarkt, schauen wir einmal in die Erinnerungs-Galerie eines echten Solingers.

Natürlich, wie es sich für Voyeure gehört, völlig anonym. Und da Kindergesichter bis zu einem gewissen Alter, was nachfolgend noch bewiesen wird, irgendwie ähnlich sind, könnte es eben auch jeder sein, dessen kleine Episödchen hier den Weg ins Netz gefunden haben.

 

 

Als einzigen Hinweis auf die Identität desser, der hier abgebildet ist, ein Vers aus dem Gedicht "Das Hirtenfeuer" von Annette von Droste-Hülshoff:

Und Hirtenbuben hocken
Im Kreis' umher, sie strecken
Die Hände, Torfes Brocken
Seh' ich die Lohe lecken;
Da bricht ein starker Knabe
Aus des Gestrüppes Windel,
Und schleifet nach im Trabe
Ein wüst Wacholderbündel.

 

Am Anfang steht, man residiert bereits auf einem Throne, die wichtige Frage: in wessen Schuhe werde ich einmal treten? Da macht es denn rein gar nichts, wenn diese, ein, zwei Nummern zu groß sind. Der Solinger wächst in jeden Schuh rein und, leider, es drückt auch auch jeder. Zwei unegale trägt er ständig, weshalb er früh lernt, mit offenem Munde zu staunen, d'r Solijer Konden.

 

 

 
 

Auch ist wichtig zu wissen, wem man dann mal die Stange halten kann oder wo es den festen Halt gibt, da doch alles schwankt. Der Boden unter den Füßen oder der Kopf auf dem Hals, Allo'ol sei Dank. Auch lässt es sich fein hinter solch einem mächtigen Stamm verstecken und, ach ja, man will ja kein Spielverderber sein, ach ja, dann wird man eben Stammhalter.

 

 

 

 

Auch ist zweckmäßigerweise rechtzeitig zu klären, wer einem denn den Buckel runterrutschen kann und nachzuschauen ist, wer einem denn da wieder ans Bein gepinkelt hat.

Die moderne Einrichtung des Badezimmers, Zinnwanne Marke Kohlen-Gurken-Wäsche-Bade-Kübel, nebst praktischer Befeuerung (im Hintergrund) sowie zeitlosem Muster im faltigen Vorhang lässt darauf schließen, dass es sich hier um einen Haushalt handelt, der voll auf der Höhe der Zeit war. Seinerzeit. Im vorigen Jahrhundert. Und so mancher erinnert sich ... ach ja! Ach ja?

 

 

 

Rechtzeitig zu wissen, bei dem man denn einen Blumenstrauß gewinnen kann, oder eben umgekehrt, wen man mit Hatschiblumen verwöhnen muss, ist ein Frage der gesellschaftlichen Anpassung und sozialen Stellung. Wichtig ist, dass man dabei aktiv bleibt, die Ärmel hochkrempelt und die viel zu weiten Hosen durch geeignete Hosenträger sichert. Auch wenn die hängenden Schultern die Last kaum bürden können. Hauptsache, der Scheitel ist gerade gezogen.

 

 

 

 

Es ist nicht lange, bis man entdeckt, welche Chancen man als Strahlemännchen hat. Die Sympathien fliegen einem nur so zu, und mit ihnen die Geschenke. Auch wenn die Blumen eher vereinzelt daherkommen, man muss sehen, auf welchem Berg der Bildung sie stehen und das allein, neben der oblitorischen Fliege am Kommunionsanzug, zählt doch. Auch hier deuten zarter Damast auf dem Tisch, das zart schimmernde Muster der Tapete und die unauffällige Schrankwand an: der Zeitgeschmack ist noch nicht ganz das, was er heute ist, aber auf gutem Wege. Und der Scheitel ist immer noch gerade. Dafür aber auch die Haare kürzer.

 

 

 

Doch alle kirchlichen Weihen entbinden nicht von und ersetzen nicht die Pflicht, darüber zu prakesieren, wem man denn am Zeug flicken könnte. Geübt wird derweil an einem Fahrrad, das jetzt noch nicht ganz in Leichtmetall und Kohlefaserstoffverbundmaterial gefertigt ist, dafür aber auch zur Not Panzer, LKWs und liegengebliebene Dampflokomotiven abschleppen kann. Die Eingangschaltung macht sowieso alle Fehleranfälligkeit der Mechanik überflüssig und garantiert bei den Solinger Bergstraßen maximalen Muskelkater ("Wer sein Rad liebt, schiebt"). Doch die Bremsen sind dafür um so wirkungsvoller und machen den Abstieg nach vorne über den Lenker relativ leicht. Nicht ganz TÜV-like ist allerdings das Stromkabel. Aber daran bastelt man ja gerade noch. Oder ist es die Luftpumpe?

 

 

 

Eben, der Solijer Konden ist ein echter Hansdampf-in-allen-Gassen und so zieht es ihn zum Traumberuf aller Männer und probehalber wird man, kaum dem Kindergarten entronnen, schon einmal Lokführer. Der Blick genau geradeaus, ein jedes Signal fest im Auge, die Dampfgewalt von etlichen hundert PS jederzeit unter Kontrolle. Kein Wunder, dass nun, bei dem Fahrtwind, die Haare ins Gesicht hängen und das Ohr als Windabweiser dienen muss. Volldampf voraus, Müngstener Brücke, wir kommen. Solig lot jonn.

 

 

 

Bis man dann eines Tages entdeckt: alles viel zu kompliziert. D'r Solijer Konden is en janz jauen, de lött en liëven Jott en jouden Mann sinn on denkt sich: bloos mer jet. Richtig, und so wird er eben Frauenheld, Charmeur, Entertainer, Dressmen oder Gigolo, wozu das dezente Brillengestell einen gewissen Hinweis drauf gibt. Die Hornbrille als Ausweis eines gewissen intellektuellen Reifegrades war zu Zeiten, da die AOK noch Gläser und Gestell vollständige finanzierte, Pflicht und selbstverständlich. Was auch sonst hätte man wählen können. Et jov doch nix angersch. Aber nach wie vor: Blick nach vorne und Scheitel gezogen. Dass die Haare länger wurden, lag nicht am Frisör, sondern an den Beatles.

 

 

 

 

 

 

 

Fazit von der Geschichte: trotz gegenteiliger Bildbeweise, ut dem Solijer Konden es jet gewoorden.

 

 

Allerdings: die Haare sind ein wenig kürzer geworden. Aber der Scheitel wird immer noch korrekt getragen, wenn auch in etwas breiterer Form. So spielt das Leben eben :-)