Kronprinz

Ja, auch Kronprinzen waren mal in dieser Stadt - und gingen wieder. Aber Kronprinz blieb. Es ist ein Unternehmen der Metallverarbeitung, das mehrfach Geschichte geschrieben hat und zu den festen Burgen gehört, auf die Solingen als Industriestadt so lange vertraut hat. Und das bis jetzt, toi, toi, toi, 2005, immer noch übrig geblieben ist. Gesund und zu weiteren Aktivitäten bereit.

 

Was Sie hier sehen, ist Kronprinz und der Fortschritt. Der adrette Mann ist der Chauffeur, nicht der Kronprinz, nein, Kronprinz sind die Felgen. Abnehmbar und robust. Für den jeweiligen Autotyp geeignet. Die Felgenmanie, die bis heute unter Autofreaks anhält, hat viel mit dem zu tun, was Kronprinz über Jahrzehnte angeboten hat: Felgen von allerhöchster Qualität. Und kaum ein Auto läuft auch sonst ohne Kronprinz, denn hier werden nahtlos gezogene Rohre höchster Qualität gefertigt, die häufig im Automobilbau eingesetzt werden.

Auto um 1910

alle Bilder aus "100 Jahre Kronprinz), 1997 herausgegeben von der Kronprinz AG, Solingen

 

Werbung von 1900 für Autoreifen und dazu passende Felgen (ermöglichten schnellen Reifenwechsel bei Pannen) sowie aus Rohr gefertigte Spazierstöcke, die wohl besonders gern von Hunden apportiert wurden.

 

Rudolf Kronenberg (links) wurde am 4.3.1859 im Lochbachtal bei Wald geboren. Schon als Kind, ältestes von 11, musste er seinem Vater in der Landwirtschaft und dazugehöriger Werkstatt helfen, wobei er sehr viel Geschick zeigte. Er erlernte den Schlosserberuf, wurde technischer Zeichner. Er ging auf berufliche Wanderschaft, kam nach Altena und lernte dort seinen späteren Partner Carl Prinz kennen. Kronenberg verstarb 1934.

 

Mangels familiärem Nachfolge wurde in den 30er Jahren Mannesmann der Hauptaktionär, führte das Unternehmen jedoch mit seiner eigenen Identität fort. Ende des 20. Jhdts. wurde es an Michelin verkauft.

Leider steht die heutige Internet-Domain gestalterisch im extrem krassen Kontrast zu diesem mit viel typografischem Einfühlungsvermögen gemachten Doku-Band.

 

Carl Prinz, bereits in Altena Fabrikbesitzer, unterstützte das Talent Kronenberg, der sich auf Grund eines Patentes von Fahrradspeichen in Solingen mit einer Fabrikation niederließ. Prinz verlagerte 1893 seine Firma von der Lenne nach Immigrath, trat als Mitgesellschafter bei Kronenberg ein und gründete mit diesem am 27. Juli 1997 Kronprinz (aus Kronenberg und Prinz), Aktiengesellschaft für Fahrradteile in Ohligs.

 

Lässt den Laien staunen und gute Rennfahrer siegen: die Schnelligkeit des Reifenwechsels ist bei Autorennen zum entscheidenden Faktor geworden.

Kaum einer weiß, dass die Grundlage dafür in Solingen gelegt wurde. Durch Räder von Kronprinz, mit denen in früheren Zeiten die Sieger fuhren.

 

 

 

1950, um 1955

Irgendwann durften sich dann nicht nur die Rennsieger als Helden fühlen, sondern auch Otto Normalluxusautofahrer nebst Gattin.

 

Gut gelandet? Na klar, sehr sanft. Schon früher galt: das war ein Verdienst nicht nur der Piloten, sondern auch von Kronprinz. Denn in den 30er Jahren stieg der Bedarf nach Flugzeugteiln, Kronprinz entwickelte Räder und Fahrwerke für etliche Flugzeugtypen.

 


Nicht von Kronprinz, aber heute immer noch das gleiche Prinzip: die Landung wird durch hydraulisch-eleastische Rohre ("Stossdämpfer" abgefedert.

So kennen die Solinger noch aus der Vergangenheit (hier: 50er Jahre) den Haupteingang des Werkes. Und er ist, abgesehen vom Austausch des Firmensignets, auch bis heute praktisch so geblieben.

 

 

 


 

 

In den Semesterferien 1969 und 70 habe ich bei Kronprinz gearbeitet - im Versandbüro für Stahlrohre. Ich erinnere mich noch genau, den damals wertvollsten "Computer" des Unternehmens bedienen zu dürfen (was eine Ehre war): ein Tischrechner mit Röhren-Ziffernanzeige. Dieses Ding kostete genau so viel wie ein Auto (VW Käfer) und konnte gerade mal addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Nur eben in einer "affenartigen Geschwindigkeit", nämlich auf Knopfdruck. Alle Leute liefen zusammen und bestaunten das Wunderwerk. Denn sie mussten noch mit einer Handkurbel-Rechenmaschinen die kompliziertesten Berechnungen durchführen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2005 bekam Kronprinz wieder einen neuen Eigentümer. Die Michelin-Gruppe verkaufte es an die Mefro-Gruppe. Mindestens deren Firmensitz lässt Gutes ahnen: Rohrdorf (zwischen der unverbrauchten Landschaft der Chiemgauer Berge und des Oberbayerischen Inntals, so eine Hotel-Eigenwerbung aus diesem Ort).

 

1952/53 kam dieser KPZ-Katalog auf den Markt. Auf der Titelseite individualisiert für die jeweiligen Vertriebspartner. Wie für die damalige Zeit üblich waren gedruckte Bilder in der Herstellung teuer. Zeichnungen vom Gebrauchsgrafiker waren billiger und vor allem schneller, einfacher zu haben. Und so ist auch diese Titelseite eine typische Melange aus Handzeichnung und in der Reinzeichnung eingeklebtem oder in der Lithographie einkopiertem Bild. Dem wiederum sieht man die handwerklich saubere Ausführung des Fotografen an, der mit der Lichtführung die Plastizität und technische Eleganz des Eisenkranzes gleichermaßen "herauszukitzeln" vermochte.

 

Grafik: Heumann
Druck: Carl Vieth, Sol-Ohligs

Die Typographie der 50er Jahre: einerseits großzügiger Umgang mit Freiraum, andererseits Vorlieben für Tabellen und serifenlose Schriften.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat kein externer Grafiker, sondern die Setzerei der Druckerei Vieth die Innenseiten gestaltet. Ich habe in einem Betrieb gelernt, der Vieth genau gegenüber lag - und erinnere mich noch genau, dass mir als Stift eingebläut wurde, die bei Vieth könnten nicht setzen (ein Solinger akzeptiert NIE die Leistung der Konkurrenz). Und in der Tat, nun entdecke ich im Satz dutzende von Merkmalen, für die ich bei Wilh. Müller jr. auf der anderen Straßenseite vom Meister verprügelt worden wäre: fast quadratgroße Wortzwischenräume, Strecken- statt Binde- oder Gedankenstriche, mehrere tabellarische Block auf einer Seite nacheinander ohne Register, dafür Mittelachse gesetzt - endlos lange Auspunktierungen und vieles mehr.

 

Interessant für alle, die sich noch erinnern können, die Auflistung der damals existenten Automarken und einiger typischer Modelle (PKW und Kleinlieferwagen)

Ford Taunus 12 M
Ford-Taunus 51
Gutbrod-Superior
Gutbrod Atlas 800
Lloyd-Kombi
NSU/Fiat Topolino 500
NSU/Fiat Modell 1500
DKW F 89 P
DKW F 7
DKW Frontantrieb
Opel Olympia 51
Opel P 4
Opel Blitz
Daimler 170 S
Borgward H 1500
Volkswagen
BMW 0,8 l 20 PS
Adler Trumpf-Jetta 1 E
Goliath GP 700
Hansa H 1100
Citroen Wanderer
Steyr Typ 100/200
Wanderer W 24
Porsche P 356
Tempo Matador
Maybach SW 38
... ... ...

Das konnten sie damals gewissermaßen aus dem Handgelenk, die Gebrauchsgrafiker (Vorläufer der Graphic Designer). Mal eben schnell eine Skizze anfertigen, wo ein Foto unmöglich oder viel zu teuer gewesen wäre. Die Zeichnungen entbehren niemals einer geradezu dramatischen Perspektive und damit Eindringlichkeit.

 
   
 

Übrigens: so stellte man sich damals den Italien-Urlaub vor *g*

Geradezu eine heroische Herausforderung, die brausende Fahrt über eine Westerwald-Autobahn. In kraftstrotzenden Limousinen.

Man achte auf die Details: keine Leitplanken, keine Markierungen, keine Verkehrsschilder, kein Verkehr, nirgendwo Sendemasten - einfach nur eine schnelle Straße durch eine hübsche Landschaft. Illusion oder Wirklichkeit?

 

Ein Stück Rennsportgeschichte hat Kronprinz durchaus mitgestaltet. Durch Sonderfelgen für die schnellen Flitzer, die allerdings zu dieser Zeit mehr oder weniger windschnittig gemachte hochmotorisierte Normalautos waren. Vom Konstrukt eines Formel-1-Boliden sehr weit entfernt. Und vor allem: Rennautos hatten Licht!

 

 
 

 

 

Von Automatisierung keine Spur. In gewaltigen Exenterpressen und anderen wuchtigen, kraftvollen Geräten wurde der Stahl geschmolzen, gegossen, geformt, zurechtgemacht. Wahre Knochenarbeit für die Beschäftigten, denn jede gewiss nicht leichte Felge musste dutzende Male angehoben, eingelegt, wieder aus der jeweiligen Maschine genommen, ab- und umgestapelt werden.

 

 

Da sprühten die Funken - und der Arbeiter galt als Held. So mancher galt alsbald als Invalide, denn solche Arbeit ohne Schutzkleidung, ohne Schutzbrille wäre heute schlichtweg streng verboten.