Millionenerbe

Wenn doch bloß auf den Staat Verlass wäre. Nie im Leben hätte ich arbeiten müssen. Reich wäre ich gewesen von Anfang an, ach, was wäre es uns gut gegangen: Mein Opa hätte 6 Monate nach meiner Geburt Millionen über Millionen Bargeld bekommen und bestimmt hätte er, wie ich meinen Opa kenne, es mir gerne gegeben. Allein, da war damals diese dumme Inflation ...

 

10 Millionen Mark Lebensversicherung. Na, wenn das nicht die kluge Tat eines vorausschauenden Erblassers gewesen ist. Über die Prämie von 480.000 Mark im Jahr, schlaffe 40.000 im Monat, brauchen wir ja wohl nicht zu reden. Eben: 1923, das Jahr der Hyperinflation.

 

 
 

 

Das sind eben die kleinen Tricks, die die ollen Setzer immer schon drauf hatten: mit einem imposant aussehenden Rahmen, ein paar gestalterischen Grundregeln haben sie die beeindruckenste Urkunde für die profansten Dinge hinbekommen. Wie hier: die Urkunde verspricht mehr, als das Papier wert ist, auf das es gedruckt wurde.. Aber man glaubt, die Sicherheit in Person in Händen zu haben. Setzen und Drucken ist eben die Kunst der Illusion auf Papier.

Gab es nicht nur, sondern gibt es immer noch, allerdings jetzt nur noch mit Sitz in Wuppertal: die Sterbekasse Eintracht. Seinerzeit - das Buch wurde 1952 ausgestellt - gingen die Leute wirklich einen Sonntagsspaziergang machen, um das Sterbegeld einzuzahlen - oder Versicherungsvertreter gingen von Haus zu Haus, um zu kassieren. 

 

Ja, 1954, sechs Jahre nach den erwarteten 10 Millionen, starb dann leider mein Opa und die Familie kassierte die enorme Summe von 200 DM = 0,002 %. Der einzige Trost: der Monatsbeitrag betrug auch nur 1,30 DM.
Zum Tode der Oma, 7 Jahre später, war dann der Zahlbetrag schon auf 250,- DM geklettert.

Da ich auch noch in dieser Kasse versichert bin und die Inflation ja wieder kommen könnte, dürfen meine Erben dann vielleicht doch auf 10 Millionen hoffen .... ??? !!!

 

Was vielleicht schon nach damaliger "Überversicherung" aussah, war bittere wirtschaftliche Notwendigkeit, nämlich auch Kinder gegen den Todesfall zu ersichern.

Geradezu rührend muten die damaligen Namen an, die sich jedoch auch im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte einer tief empfundenen Volkssolidarität Ende des 19. Jahrhunderts erklären lässt.

 

 

Baltes & Henniges / Solingen
Buchdruckerei / Steinduckerei

 

Sammlung des Beitrages:
jeden 2. Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr
Clemens-Horn und Kreuzstraße Ecke
(Radenberg)

Traurig, aber echt: der letzte von 12 noch erhalten gebliebenen originalen 1000-Reichsmark-Scheinen, die meine Urgroßeltern mütterlicherseits zur Seite gelegt und mühsam angespart hatten, um sich ein Haus zu kaufen. Als sie die scheinbar ausreichende Menge, eben 12.000 Mark, zusammen hatten, kam die Inflation 1923. Alles, was blieb, waren die Scheine - und die Erinnerung an einen Traum.