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Notgeld |
Die früheren Generationen sprachen von der "schlechten Zeit". Jene
Inflationsjahre um 1923, in der so gut wie alle Menschen ihre Existenz und
restlos all ihr Erspartes verloren. In die Geschichte eingegangen als die
Hyperinflation.
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1917
Obwohl der Krieg schon verloren ging, hing noch
"Geruch" von Größe im Land. Immer noch gab man sich kämpferisch, das
Schwert in der Hand. Der Obere Kreis Solingen (Landkreis) wollte mit dem
"Kriegsgeld" die Sache des Staates in eigener Regie regeln. Vorläufer der
späteren gedruckten Inflations-Geldscheine. |
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1919
Bevor die Inflation kam, nach dem 1. Weltkrieg,
wurde Geld nicht vom Reich ausgegeben, sondern von den Gemeinden. Auch die
Stadt Solingen prägte ihre eigenen Münzen. |
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1919
Wald hatte wie die anderen Städte des Kreises
Solingen (Opladen, Gräfrath, Höscheid usw.) natürlich auch eigenes Geld.
Heute bekommt die Bezirksvertretung als Stadtteilvertretung umgerechnet
auch nicht mehr als diese Münze wert war. Almosen, damit die Gemüter
beruhigt sind. |
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1920
Auch Ohligs prägt die eigenen Kleingeld-Münzen, um
die Wirtschaft wieder anzukurbeln. |
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Gleiches galt auch für Höhscheid: eigenes Geld |
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Gräfrath |
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1919 wurde diese Münze geprägt und ausgegeben. Das
Reich war zusammengebrochen, die Städte mussten selbst für Geld sorgen.
Warum tun sie das heute denn bloß nicht? |
1922 Im Volksmund wurde das
3-Mark-Stück "Taler" (oder (Thaler) genannt.
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Im September 1922 erklärte Reichspräsident Ebert das
"Lied der Deutschen zur Nationalhymne": Einigkeit und Recht und Freiheit
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1923 Die Inflation beginnt zu
galoppieren. |
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1923 |
Ein Paradies für die Arbeiter. Nie vorher und nie
nachher gab es dermaßen massive Lohnerhöhungen. Man konnte von Woche zu
Woche etliche Millionen Mark mehr verdienen. Das einzig Dumme war, das
Geld verlor von Stunde zu Stunde mehr an Wert. Tatsächlich war es so, dass
der Lohn am gleichen Tag ausgegeben sein musste, anderntags war er schon
wieder wertlos. Wie dramatisch die Entwicklung verlief, zeigen ein paar
Zahlen samt Datum über ausgegebene Infomations-Geldscheine:
10.7. |
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20.000 |
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50.000 |
1.8. |
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500.000 |
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1.000.000 |
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5.000.000 |
1.9. |
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20.000.000 |
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50.000.000 |
20.9. |
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500.000.000 |
15.10. |
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5.000.000.000 |
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10.000.000.000 |
23.10. |
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100.000.000.000 |
......... |
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1 Dollar kostet rund 12 Mrd. Mark
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Ohligs |
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"Die Stadt Ohligs zahlt bei ihren sämtlichen Kassen dem Vorzeiger
1.000.000 Mk.
Der Zeitpunkt der Einlösung wird öffentl. bekannt gemacht."
Ohligs, 15. August 1923
Der Bürgermeister:
Sauerbrey
Kunstanstalt Hermann Rabitz, Solingen
Wilh. Müller jr., Solingen-Ohligs |
Wald |
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"Dieser Gutschein wird von allen Kassen der Stadtgemeinde
Wald eingelöst. Er verliert seine Gültigkeit nach Aufkündigung in den
Zeitungen des oberen Kreises Solingen"
Wald, 24. September 1923
...???...
Bürgermeister
Walter Stöpfgeshoff, Solingen |
Höhscheid |
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"Dieser Gutschein wird von allen Kassen der Stadtgemeinde
Höhscheid eingelöst. Er verliert seine Gültigkeit nach Aufkündigung in den
Solinger Zeitungen "
Höhscheid, 7. August 1923
Der
Bürgermeister
Walter Stöpfgeshoff, Solingen |
Höhscheid Auch Inflationen fangen
einmal klein an. Oder: da, wo kein Staat ist, muss sich die Gemeinde zu
helfen wissen.
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Burg Aus der Not, sprich
behördlicher Armut, machte Burg eine Tugend und ließ die Geldnoten
zeichnen. Liebevoll hat hier der Hobbygrafiker Insignien des
Wertpapierdrucks nachgeahmt.
Die Scheine wurden als Serie mit verschiedenen Rückseitenmotiven gedruckt,
dies ist eines davon.
Burg war und ist ein bescheidenes Städtchen. Hier begnügte man sich noch
mit "Kleingeld" - 1 Mark als "große Note". |
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Burg a.d. Wupper
1. Dezember 1921
Der Bürgermeister
Beversdorff
kein Druckvermerk |
Gräfrath
Man kann über die Gräfrather ja vieles sagen, aber eines nicht, dass es
ihnen an Größe und Selbstbewusstsein mangele. Wenn schon Inflation, dann
aber auch richtig, 1 Milliarde sind die Beträge, die so für's tägliche
Leben gerade richtig sind. Leider.
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"Hundert Millionen Mark zahlt die Stadt Gräfrath gegen
diesen Gutschein dem Einlieferer. Der Gutschein verliert seine Gültigkeit
nach Aufkündigung in den Solinger Zeitungen."
Gräfrath, 20. September 1923
Der Bürgermeister:
Bruno Klein
Walter Schreiber & Fey, Foche - Solingen
(1-Mrd-Mark-Note auf Wasserzeichenpapier) |
Auf der Rückseite dieses Notgeldscheines bilden die
Gräfrather den Förderer des Ortes ab, Augenarzt Dr. de Leuw, der das
hübsche Städtchen für einige Jahre zum europaweit bekannten Heil- und
Kurort gemacht hatte. |
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Landkreis Solingen Der Not gehorchend,
nicht dem eigenen Triebe wird diesem Geldschein als
Motto vorangestellt. Zur damaligen Zeit gehörten Opladen und Solingen zum
Landkreis Solingen mit Sitz des Landratsamtes in Opladen. Dieses Gebäude
ist auf der Rückseite der Inflationsnote abgebildet und ist noch heute
erhalten (steht unter Denkmalschutz)
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Kunstanstalt Hermann Rabitz, Solingen
Dieser Gutschein wird von allen städtischen u. anderen
öffentlichen Kassen im Landkreise Solingen in Zahlung genommen.
Er verliert seine Gültigkeit einen Monat nach Aufkündigung in den
Ortsblättern /// Der Landkreis Solingen haftet für die Einlösung.
Opladen, den 23. August 1923
Der Kreis-Ausschuss des Landkreises Solingen |
Stadt Solingen
Auch eine Inflation fängt mal klein an. Aus
Ermangelung an Geldscheinen der Reichsbank - durch Besatzung war das
Deutsche Reich noch nicht wieder "normalisiert" - druckten die Städte
Gutscheine, die versprachen, den Wert auf der Stadtkasse gegen Leistungen
der Stadt umzutauschen. In diesem Sinne war dies also nie wirklich Geld,
weil Geld frei konvertierbar ist und nicht an einen bestimmten Empfänger
gebunden.
Hermann Rabitz, Solingen |
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Sagt der Pessimist: "Schlimmer kann es nicht
kommen." Daraufhin der Optimist: "Ha, hast Du eine Ahnung!" Und was so
hoffnungsfroh improvisiert anfing, nämlich Gutscheine statt Geld, wurde
zur Existenz vernichtenden Inflation. Von Monat zu Monat, dann von Woche
zu Woche und schließlich täglich wurden immer gigantischere Summen auf die
Gutscheine gedruckt. Eingelöst in Geld wurden sie nie.
Drucke: Kunstanstalt Hermann Rabitz, Solingen
Wenigstens ein Stück Illusion und Erinnerung blieb
erhalten: der Millionen-Note spendete die Stadt auf der Rückseite einen
Blick auf den Alten Markt. Wie symbolisch: Da brach die alte Mark zusammen
und der Alte Markt zierte es auch noch. |
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... aber wie gesagt: es kann noch schlimmer kommen. Zum
Vergleich: im Moment beträgt der öffentliche Schuldenstand
(Gesamtverschuldung aller Haushalte) in Deutschland rund 20.000 Euro pro
Einwohner, sind hochgerechnet nominell ca. 40.000 Mark, auf Kaufkraft von
damals
umgerechnet mehrere hunderttausend. Soooo weit sind wir doch gar nicht
mehr von 1923 entfernt, oder?
Entwicklung der Inflation von Jan. 1919 bis Nov. 1923 |
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Kunstanstalt Hermann Rabitz, Solingen
In Berlin kostet
ein Laib Brot 10,37 Millionen Mark; ein Kilo Rindfleisch wird für 76
Millionen Mark verkauft.
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Deutsches Reich Es hätte ja alles
noch viel schlimmer kommen können. Vorbereitet war für den 15. Februar 1924
ein Schein mit dem (fiktiven) Wert von 100 Billionen Mark. Das sind
100 x 1.000 x 1.000 x 1.000. |
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"Das Geld"
Urania-Verlag
Leipzig-Jena-Berlin (DDR)
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Deutsches Reich 1 Brot = 50.000 RM
Weißkohl = 30.000 RM
5 Pf. Mehl = 120.000 RM
4 Eier = 40.000 RM
Tomaten kg 40.000 RM
Seife = 100.000 RM
1/4 Pf. Kaffee = 60.000 RM
Wurst 1 Pf. = 180.000 RM
Blumenkohl = 40.000 RM
2 Pf. Schmalz 340.000 RM
= alles zusammen eine schlappe Million, geht doch
noch, oder?
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1923
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Deutsches Reich "Preise der Plätze
Um mit der Teuerung Schritt
zu halten, ohne das Publikum zu
übervorteilen, kosten:
der billigste Platz = 2 Eier
der teuerste Platz = 1 Pf. Butter
lt. Tagespreis
Schloßparktheater
Die Direktion"
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19. September 1923
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Solingen-Wald Arbeiter als
Millionäre -
Firmen garantieren Millionenbeträge Leider keine
Story von der guten Fee, sondern bittere Armut. 1 000 000
Gebr. Krusius AG Solingen-Wald
nimmt für
Eine Millionen Mark
diesen Gutschein in Zahlung, sobald der Mangel an Zahlungsmitteln behoben
ist, spätesens am 31. Dezember 1923.
Für den Betrag übernehmen wir die volle Haftung. |
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15. August 1923
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"richtiges Geld" 1919 So sah das
"gute Geld" aus, welches kurz nach dem Ersten Weltkrieg im Umlauf war.
Mit dieser 50-Mark-Note war man reich. Daher der
Begriff "Reichs-Banknote" ... ?? ;-)
(Kalau lässt grüßen)
Die Funktion des gedruckten - also als Material wertlosen - Geldes ist
heutigen Menschen kaum noch bewusst. Denn sie unterscheidet sich kaum von
einem Scheck oder Wechsel, die Banknote ist kein Geld, sondern ein
Zahlungsversprechen: "Fünfzig Mark .... zahlt die Reichsbankhauptkasse in
Berlin gegen diese Banknote dem Einlieferer" steht im mittleren Text. |
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Nach dem 2. Weltkrieg verfügten die Amerikaner eine
Währungsreform. Das Geld hieß von 1948 an "Deutsche Mark" und war anfangs
noch ohne Hoheitszeichen. Denn wie sollte auch - die Bundesrepublik war ja
gerade erst in Gründung begriffen.
So ging dann 2002 die DM in Rente:
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