Rasierklingen

"Mit ROMI-Klingen ein gutes Gelingen" war einer der optimistischen - und stimmenden - Werbeslogans dieses Pionierunternhmens in Solingen. Noch heute existiert es und stellt nach wie vor Rasierklingen her. Rasierklingen sind nicht der Ursprung des Solinger Beinamens "Klingenstadt". Damit waren einst die Klingen der Schwerter und dann der Messer gemeint. Aber vor etwas mehr als 100 Jahren setzte dann der große Rasierklingenboom ein, eine phantastische Gelegenheit für die Solinger Industrie, sich in dieser Sparte einen Weltruhm durch Qualität zu erarbeiten. Mit Wilkinson ist heute noch einer der ganz großen dieses Genres in Solingen angesiedelt. Was die Qualität ausmacht, schildert eine Broschüre von ROWI-Werk Rob. Middeldorf, Solingen, wahrscheinlich aus den 20er-, spätestens 30er Jahren.

 

 
 

 

Auch noch später hält die Firma Middeldorf konsequent am ROWI-Branding fest (wie man es heute im Marketing-Slang ausdrücken würde): die Edle von Solingen, die Gelbe Zauberklinge, ist zur Stolz-Serie mutiert und bietet jeder Wehrmachts-Gattung eine eigene Identifikation. Rasieren war eben etwas für "ganze Kerls", und sowieso war nach seinerzeitigem Menschen-Ideal der blonde blauäugige germanische Hühne stes gepflegt und souverän bartfrei - nur ein gewisser Adolf hatte da ein kleines Stückchen übersehen.

 

 

In "die Heimat", Heft 15, 1999, aus dem beide SW-Abbildungen stammen, weiß Autor Johannes Großewinkelmann ungemein spannend und vielfältig über die Entwicklung der Solinger Rasierklingenindustrie zu erzählen. Er ruft in Erinnerung, wie normal der Gang zum Barbier zwecks Rasieren einst war. Ab 1902 setzte sich dann Giletts Patent der gebogen eingelegten Klinge dank guten Marketings durch; zahlreiche andere Erfindungen waren bereits zum gleichen technischen Schluss gekommen, wurden aber eben nicht offensiv vermarktet. Großewinkelmann berichtet, die nebenstehende Anzeige von 1902 im Solinger Adressbuch sei die erste ihrer Art - und damit auch der Beginn der Rasierklingenapparat-Geschichte der Klingenstadt. Erst der Erste Weltkrieg sorgte für einen Boom dieser Branche: offensichtlich gingen die Soldaten gerne frisch rasiert in den Tod der wahnwitzigen Schlachten. Oder eben auch nicht, denn nur wer frisch und glatt rasiert war, hatte eine Chance, dass im Fall der schlimmen Fälle die Gasmaske auch dicht abschließt. Eine Empfehlung, die übrigens auch heute Soldaten noch mit auf den Weg ins Schlachtgetümmel bekommen.

Die Überlebenden hielten an der Selbstrasur fest, danach ging es auch in Solingen mit der Sparte aufwärts; jede achte in Deutschland benutzte Rasierklinge kam 1933 aus Solingen. Kurz zuvor war in dieser Stadt der "Rasierklingenindustrie-Verband e.V." entstanden.

In den dreißiger Jahren hatte der Solinger Rasierklingehersteller Rudolf Osberghaus Teflon-beschichtete Rasierklingen entwickelt; das Patent wurde 1955 an die Firma Wilkinson verkauft, die in der Solinger Fabrik weiter produzierte und bis heute der Stadt treu geblieben ist. Sie sieht sich als "Hecht im Karpfenteich", um Gilette immer wieder ein paar Prozent Marktanteile abzuzwacken. Seit den 60er Jahren war sowieso Elektrorasieren "in", die Solinger Firma Krups konnte sich daran einen kleinen Anteil sichern.
Heute spielt mit Ausnahme von Wilkinson die Rasierklingen- und -messerfabrikation in Solingen keine wesentliche Rolle mehr