Regierungsbezirk Düsseldorf

Der Solinger, in seinem städtischen Ursprung ganz Kölner Vorposten, in der Seele mit der Kölnischen Gemütlichkeit eher verwandt denn dem Düsseldorfer Heiopei (lt. Ruhrgebietssprachlexikon "nicht charakterfeste, sprunghafte, unzuverlässige Person, die opportunistisch ihr Fähnchen in den Wind hängt"), der Solinger von heute leidet unter dem Makel, dem Reg.Bez. Düsseldorf zugeordnet zu sein. Was hat der Solinger mit der Regierung, und vor allem was hat er mit dem Bezirk Düsseldorf zu tun? Rein gar nichts. Außer dem Hang und Drang zu Alt und Altstadt.

 

Die Begriffe Heimat oder Vaterlang hatten zu dieser Zeit - kurz vor dem 1. Weltkrieg - eine völlig andere Bedeutung, als man sie heute nachvollziehen kann. Dass das Verlassen des Kirchturmschattens eher die Ausnahme war, man also selbst in der uns heute so erscheinenden engeren Nachbarschaft nicht Bescheid wusste, war der Regelfall. Für den Solinger war das Siebengebirge fast schon das Ende der Welt, für den Kölner Solingen ohnehin Sibirien und für den Düsseldorfer alles, was den östlichen Hängen des Rheintals hinauf und entlang geschah, eh ein Rätsel oder der Urwald. Daher nimmt es nicht wunder, wenn aufgeklärte Lehrer den Versuch unternehmen, Schülern ihre eigene Heimat nahe zu bringen. Hurrah, die Heimatkunde war erfunden.

 

Herausgegeben "von heimischen Schulmännern"Verlag Aug. Steiger / Mörs 1914

Strichzeichnungen: Mayer-Lucas, Köln und anderen

 

Sorry für alle, die diese Schrift nicht mehr lesen können. Sie heißt im übrigen Fraktur und leitete sich von der Handschrift des Mittelalters ab. So gesehen sind alle, die es nicht lesen können, hinter die Entwicklung des Mittelalters zurückgefallen.

 

 

So lange gab es auch noch keine Dampfmaschinen, als dass sie schon von ihrer Faszination eingebüßt hätten. Rauchende Schlote galten als Symbol des Fortschritts, keineswegs Zeichen der Umweltverschmutzung. Und dass ein ganz normales Schiff dampfte, kommt einem heute selbst bei der Benutzung der Vokabel "Dampfer" kaum noch in den Sinne. Solch abenteuerliche Fähren wie im Vordergrund zu sehen gibt es heute noch auf der Mosel, beispielsweise in Beilstein.

 

 

Ohne Worte ... denn die dicht'rischen sind doch sooo schön.

 

 

Lässt man diese Zeichnung auf sich wirken, kann man tatsächlich meinen, die Kaiser-Wilhelm-Brücke überspanne eine wildes Urwald-Tal.

 

 

Zivilisierter ging's da schon in der Stadt zu, wo herrschaftliche Häuser in Parkanlagen eingebettet waren, wie hier der Goebelsbau im Dicken Busch.

 

 

Was heute unter Jugendkriminalität aufregt, war damals als "Äppelklauen" völlig normal. Der peußisch-mahnende Zeigefinder des Ortspolizisten mit Hohlkreuz ersetzte die Sozialarbeiter. Und Mädels waren immer schon schreckhaft-hysterisch. Und Jungens eigentlich feige.

 

Weniger romantisch und beschaulich waren die Arbeitsbedingungen in den Werkstätten, hier einer Schmiede. Da nimmt es nicht wunder, wenn das Durchschnittsalter der Arbeiter erschreckend niedrig blieb und Unfälle oder Krankheiten recht häufig vorkamen. Die Jungens, die staunend zuschauen, klammern sich entsprechend ängstlich aneinander, was ihnen da - wenn sie mal groß sind - noch alles bevorsteht.

 

Was sich heute als Romantik verkaufen ließe, war damals Schinderei und Plage: in einem dunklen, feucht-muffigen Teil des Tales arbeiten und sogar wohnen zu müssen. In schlecht geheizten Räumen oder solchen, die durch die Schmiede unerträglich heiß waren. Und so ein Teich regulierte und pfleggte sich auch nicht von selbst, da war richtige Knochenarbeit angesagt, um ihn im Schuss zu halten. Solche Kotten standen zu dutzenden in Solinger und Remscheider Bachtälern.

 

Die Frau hatte derweilen zu Hause ja kaum was zu tun - das bißchen Waschen, Plätten, Kochen, Kinder kriegen und aufziehen, Garten pflegen und Haus putzen, Einkochen und Nähen, Flicken und das Heim schmücken war ja kaum die Rede wert -, und da sie eben viel Zeit hatte, durfte sie 20, 30 und mehr Pfund auf dem Kopf vom Kotten zum Fabrikanten tragen und rohe Ware wieder zurück. Derweil ließ sich in der Stadt ja gut einkaufen, zumal großzügige Männer ihren Frauen gestatteten, sich dort auch eine Tasse Kaffee zu gönnen. So gut hatten es die Lewerfrauen. Und so schön wie auf dem Bild wohnten sie auch noch ...

Das nur mal für die, die heute nicht mehr wissen, wie gut sie es haben.

 

Derweil gingen die Burschen natürlich auf die Wanderschaft. Angesichts der Mächtigkeit von Schloss Burg ließ man sich nieder, nahm die Klampfe, kochte eine Erbsensuppe über dem offenen Feuer und sang, den Wanderhut noch auf dem Kopf, so etwas wie "Heimat, ach Heimat, ich hab' Dich so lieb."

 

 

All diese Illustrationen und Anmutungen stammen aus 1914, nicht 1714 oder 1814; wohlgemerkt noch keine 100 Jahre her ...

 

 

Und für alle, die immer noch davon überzeugt sind, früher wäre alles besser gewesen, der unschlagbare Beweis: "Lur ens, se hant to eten jehat und tud gearbeït hät sech nömmes." Die Leute im Reg.Bez. Düsseldorf.