Goethes "Faust" gilt im allgemeinen als ein
zentraler Fixstern im Firmament der deutschen Literatur. Wollte man ihm
etwas unterstellen, so könnte es dieses sein: Goethe hat den Stoff aus
Solingen geklaut. Echt und wirklich. Sie glauben es nicht? Lesen die
Sage "Der Waffenschmied von Solingen" in der Kurz-Zusammenfassung à la
Readers Digest.
Deutsche Arbeit in der Sage
Neu erzählt von Georg Nowottnik,
Studienrat in Berlin
Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, Berlin (die existiert seit 1680 und
heute immer noch)
Umschlag nach einer Zeichnung von E. Eifler
vermutlich um 1938
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Ein Schmied in Solingen, ob seiner Qualität berühmt
und reich. Er wird immer mürrischer und selbstversunkener. Einer seiner
Kunden, ein Ritter, hatte ihm aus dem Orient ein Schwert mitgebracht,
dessen Klinge unerreichte Eigenschaften hatte: zugleich völlig biegsam
und schlug selbst Metallstäbe durch, ohne Schaden zu nehmen. Ihm gelang
nicht, hinter das Geheimnis zu kommen.
Sein bester Gehilfe hielt um die Hand der hübschen Schmiede-Tochter an.
Der Alte stellte den Jungen vor eine unglaubliche Herausforderung: finde
das Geheimnis des Stahls, und die Tochter ist Dein.
Nun waren es zwei, die in der Schmiede Tag und Nacht grübelten und
experimentierten. Ohne Erfolg. Eines Morgens ist der junge Mann
verschwunden - ohne Nachricht.
Er hatte sich auf den Weg nach Damaskus gemacht.
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Ach ja, was das nun das Geheimnis des
Damaszener-Stahl ist? Nun, kaufen Sie sich ein solches Schwert und
ergründen Sie es! Es wird sagenhaft werden.
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Im Odenwald fand er eines Abends eine Hütte mit
einem einsamen Licht. Eine alte Frau lud ihn ein, zu nächtigen und
bereitete ihm ein bescheidenes Abendbrot. Er erzählte von seiner Aufgabe
und Vorhaben. Am nächsten Morgen, als er erwacht, sitzt der Teufel im
Raum, grinst ihn an, legt einen versiegelten Umschlag auf den Tisch,
verspricht, darin sei das Geheimnis des Damaszenerstahl-Schmiedens. Er
dürfe davon Gebrauch machen, vorausgesetzt, der Jüngling unterschriebe
einen Vertrag. 7 Jahre, 7 Monate und 7 Tage nach dem Erbrechen des
Siegels verpflichte der sich, dem Teufel zu dienen. Was den Suchenden in
die totale Verwirrnis stürzt - Siegel erbrechen und die Liebste heiraten
oder dem Teufel eine Abfuhr erteilen. Ihm geht durch den Kopf: diese
Entscheidung kann ich immer noch später treffen, ich kann den Brief
nehmen und muss das Siegel nicht brechen. Er ritzt sich die Haut auf und
unterschreibt den Vertrag mit seinem Blut. Der Teufel ist's zufrieden, es
riecht nach Schwefel, ein Flämmlein züngelt auf des Teufels Kopf und er
entschwindet.
Der so Versuchte eilt nach Solingen zurück, wo große Sorge ob seines
Verschwindens herrscht. Kaum angekommen, vertraut er seinem
Schwiegervater in spe das unheimliche Erlebnis an. Die beiden überlegen,
was zu tun sei. Der alte Schmied entscheidet: Du bekommst die Tochter zur
Frau, da Du der Liebe zu ihr wegen Deine Seele verkaufen wolltest - womit
man aber kein Erdenglück erkaufen kann. Sodann legen sie beide den nicht
erbrochenen Brief in einen Kasten, verschlossen ihn und versteckten den
Schlüssel. Sollten die Kinder des neuen Paares oder deren Kindeskinder
das Geheimnis eines Tages entdecken, so wissen sie nichts vom Pakt mit
dem Teufel und dürfen in aller Unschuld das Geheimnis um die Herstellung
der besten Klingen zum Ruhme und zur Ehre Solingens in die Tat umsetzen.
Was dann auch, wie man weiß, so geschah. Damaszener Stahl aus Solingen
erlangte in der Tat Weltruhm.
Um der Wahrheit und des Wissens willen also opfert
der Solinger seine Seele. "Faust" hätte also besser in einer Solinger
Schmiede denn in Leipzigs Auerbachs Keller spielen sollen. Denn das Wesen
der Solinger will immer die Welt revolutionieren. Oder diese in Liebe
umspannen. Am besten beides zugleich.
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1848 Es werde Deutschland |
► 22.
Februar, Paris brennt, politisch; die Barrikadenkämpfer vertreiben den
König; die Flamme der Revolution entzündet auch Italien, Ungarn, Böhmen,
Polen, Deutschland
► Von Mannheim aus verbreiten
sich im März die Forderungen nach Volksversammlungen im ganzen deutschen
Land
► am 9. März werden die bis
dato verbotenen Farben schwarz-rot-gold zu Bundesfarben erklärt
► 18. März: in Elberfeld und
Barmen kommt es zu Aufständen
► Der Solinger Stadtrat bleibt
devot und untertänig; er erbittet schriftlich vom preußischen König um
die Einberufung eines vereinigten Landtages
► Die Solinger Arbeiter gehen
in die Offensive: die Gießerei Hammesfahr & Kratz wird am 16. März
zerstört; andere Fabriken waren danach Opfer der Volkswut; schließlich
waren es an die 1.000 Personen, die in Höhscheid randalierten und gegen
die verhassten Fabriken ihre Wut ausließen; vor allem hatte das sog.
Trucksystem, die Bezahlung von Arbeit mit völlig überteuerten, teils
nutzlosen Waren statt mit Geld, zu dieser Eskalation geführt und die
Menschen in eine elende Armut.
► Vom 31.3. bis 3.4 tagte in
der Frankfurter Paulskirche die erste deutsche Nationalversammlung;
der Anfang der Demokratie war gemacht, auch wenn die Monarchie mit ihrem
Militär noch einmal die Oberhand zurück gewann. Solingen wählte den
Bonner Professor Ernst-Moritz-Arndt (im Weegerhof erinnert eine kleine
Straße an ihn) als ihren Abgeordneten in Frankfurt.
► 22. März, rund 300 Bürger
Solingen errichten eine Bürgergarte unter dem Vorsitz von Kaufmann Gustav
Weyersberg; sie wurden mit Lanzen und Säbeln bewaffnet; Gewehre gab es
vorerst nicht, später erhielt man alte, gefährliche und unbrauchbare aus
einem Depot in Köln; so also blieb Solingen schussfreie Zone
► Mitte März erschien Solingens
zweite konzessionierte Zeitung, das Bergische Organ. Das Solinger
Kreis-Intelligenzblatt, von Carl Siebel herausgegeben, war 1809 zum
ersten Mal erschienen.
► Am 19. Mai bildet sich
offiziell ein Debattierclub, der als erste politische Partei in Solingen
angesehen werden kann; er spaltet sich bald in differente
Geistesströmungen. Es war per Satzung strikt verboten, Reden abzulesen;
nur Notizen durften als Hilfe benutzt werden. Im Oktober gründete sich in
Solingen eine monarchistische Partei.
► Durch einen Staatsstreich in
Berlin wird das dort neu installierte Parlament wieder aufgelöst, die
inzwischen in Kraft getretene Verfassung missachtet.
► In Solingen entstehen im
Sommer und Herbst etliche sog. Demokratische Zweigvereine; die Vorgänger
der späteren Sozialdemokraten und Gewerkschaften; vor allem Arbeiter
artikulieren und diskutieren in diesen Versammlungen über ihre Situation.
► Im Mai 1849 eskaliert die
Situation im Bergischen; in Elberfeld und Solingen waren viele Menschen
bestrebt, die Beschlüsse der Frankfurter Nationalversammlung zu
verwirklichen, was ausdrücklich gegen die Anordnung der preußischen
Militärmonarchieverwaltung war. Daraufhin beschloss diese, Truppen nach
Elberfeld zu senden, also einen Bürgerkrieg im eigenen Land zu
provozieren (praktisch das gleiche, was in Ungarn, der Tscheoslowakai
oder in China sehr viel später geschah). Es kam zu Schießereien, auf
beiden Seiten war je ein Toter zu beklagen; doch die Truppen mussten
wieder abziehen. Am 10. Mai, dem Tag der Kämpfe, herrschte in Solingen
Chaos und Ausnahmezustand; aufgeregte Bürger überall in der Stadt
(ähnlich wie zur Öffnung der Berliner Mauer).
► Im Mai 1849 gründet sich nach Elberfelder Vorbild in Solingen ein Sicherheitsausschuss, der die
Bürgerwehr unterstützte. Führender Kopf war der Kaufmann Jellinghaus
(sein Haus ist heute ev. Gemeindeamt der Lutherkirche; gegenüber der
IHK).
► Am 17. Mai 1849 kämpfen
preußische Soldaten auch in Solingen die Revolution nieder; die erste
Kraftproben zwischen "unten" und "oben" gewinnt der alte/neue Staat.
► Am 18. Mai 1849 wurden die
Rädelsführer der Aufständischen, u. a. auch Wilhelm Jellinghaus, vom
Staat verhaftet und nach Düsseldorf gebracht, in Elberfeld wurde ihnen
später der Prozess gemacht. Die meisten wurden wie Sklaven an einem
Baumstamm auf einem offenen Pferdewagen abtransportiert, für Jellinghaus
stand eine Kutsche bereit. Die Aufständischen waren Männer im Alter von
20 bis ca. 40 Jahren, einige der Namen: Hermann Roese, Bierbrauer und
Wirt, Friedrich Hermann Armberger, Buchhändler, August Röhrig,
Schwertfeger, Friedrich Voß, Messermacher, Heinrich Trostorff,
Schieferdecker, Theodor Pohlig, Kaufmann, Friedrich Clarenbach,
Federmesserarbeiter, Joseph Hermanns, Ackersknecht, Emmerich Nierendorf,
Tagelöhner. Sie erhielten teils Freispruch, einige Gefängnisstrafen,
wurden unter Polizeiaufsicht gestellt, mussten Zwangsarbeit leisten.
Friedrich Braake, Drechsler in Vorspel, wurde zum Tode verurteilt und
hingerichtet; er selbst hatte nicht mehr "verbrochen" als die anderen,
sein Pech war, dass er vom Gericht ausgewählt wurde, "ein Exempel zu
statuieren". Gnädiger gütiger "Vater Staat"!
► Für die aufständischen
Höhscheider (Fabrikzerstörungen) fielen die Urteile milder aus;
überwiegend gab es sogar Freispruch, nur drei mussten in Haft. Das
Gericht nahm auf die immer noch explosive politische Lage Rücksicht. Die
Freigesprochen wurden per Pferdewagen im Triumpfzug nach Höhscheid
zurückkutschiert.
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Das Bergische kämpft für
politische Freiheit |
Ein Kommentar Sehr subjektiv, dafür
aber auch ehrlich gemeint |
Es ist leicht, über früher so genannte "Proleten",
die "Arbeiter" zu schimpfen, zu lästern, zu lamentieren. Es ist leicht
und dumm. Vor allem die sich selbst so weihevoll titulierenden
Bürgerlichen machen dies mit einer Vorliebe, die an Dämlichkeit und
Arroganz kaum zu übertreffen ist. Natürlich war, und bei alles Respekt,
sind "Arbeiter" schon per Definition eben jene Personen, die in aller
Regel universitären Geisteshöhenflügen und der philosophischen Weihen
nicht unbedingt nahe stehen. Wer an einer Maschine oder im Handwerk, im
Transportwesen oder in Dienstleistungsbranchen arbeitet, muss sich auf
andere Dinge konzentrieren als auf die Theorie des Konjunktiven: hätte,
könnte, sollte, müsste, würde. Beim Arbeiten geht es um den Moment, das
Hier und Jetzt, die Aufmerksam auf das Werkstück, die unmittelbare
Tätigkeit. Das ist weder "minder" noch "schlechter" oder "weniger" als
hochtrabendes Reden, noch ist es ein Mangel. Im Gegenteil, wären die
Arbeiter nicht, all die Schwafeler und Lästerer hätten nicht das
geringste zu essen, zu leben, hätten weder Sicherheit noch Komfort, keine
warme Stube und schon gar nicht ihren gepriesenen Wein oder sonstige
Rausch- und Lebensgenussmittel. Und die Fabrikanten und Unternehmer, ihre
katzbuckelnden, arschkriechenden Adjudanten in Form von so genannten
Beratern, würden nicht einen Thaler ihres prahlerisch erworbenen und
Standesbewusstsein förderndes Vermögens verschwenden oder verwenden
können, wären das nicht die Arbeiter, die als "Masse", "Volk",
neumarketingdeutsch als "Consumer" eben jene Dinge kaufen können, die des
Händlers und Produzenten Reichtum mehren. Nicht dass Reichtum und
Vermögen geneidet, verboten, beschimpft werden soll - es ist immer die
Frage, wie man damit umgeht. Gerade in Solingen gibt es dafür sehr viele
gute und etliche schlechte Beispiele.
Auf der einen Seite kämpften die Arbeits-Abhängigen
(man nannte sie lohnabhängig) über Jahre und Jahrzehnte nicht selten
unter Einsatz von Leib und Leben, in einem längst vergessenen Maße unter
Einsatz ihrer beruflichen Existenz um bessere Arbeitsbedingungen, um
Gerechtigkeit, um Demokratie. Das Bergische, auch Solingen, ist eine
Wiege sozialdemokratischen Gedankentums, gerade weil die abhängigen
Arbeiter sich als so genannte Selbständige (Heimarbeiter) behandeln
lassen mussten und doch über keinerlei Einfluss verfügten. Sie fühlten
sich in ihrer Ehre und ihren Möglichkeiten gekränkt und rebellierten. Sie
trugen maßgeblich dazu bei, dass inzwischen eine Gesellschaftsform, ein
deutscher Staat entstehen konnte, der in Ansätzen Gerechtigkeit zu
verwirklichen versucht, bei dem aber der Reichtum, vor allem nach dem
Zweiten Weltkrieg, auf dem "Reichtum der Masse", also Volksvermögen im
wörtlichen Sinne, gründete. Es waren vor rund 150 Jahren Bergische
Arbeiter, die das erkämpften, wovon wir heute alle (alle !!!!)
profitieren und wenn es uns "gut geht", dann vor allem deswegen, weil
diese Arbeiter zu Opfern, zu Kampf und Selbstbewusstsein bereit und fähig
waren. Wir verdanken ihnen viel. Viel mehr, als in Erinnerung wach
gehalten wird.
Und andererseits die Kaufleute und Fabrikbesitzer,
die alles andere waren als Ausbeuter. Die - erinnert sei an die Familie
Coppel, und sie steht stellvertretend für viele andere - mit wahrhaft
generösen und warmherzigen Stiftungen dafür sorgten, dass soziale Hilfe
denen zuteil werden konnte, die ansonsten nicht in der Lage gewesen
wären, sie zu bezahlen. Unternehmer haben dafür gesorgt, dass "ihre
Arbeiter" in Lohn und Brot, in Gesundheit und sozialem Frieden leben
konnten. Das hat nichts mit Patriarchentum zu tun, ganz im Gegenteil, es
ist die Grundlage des meistvergessenen und heute mit Füßen getretenen
Satzes des aktuellen deutschen Grundgesetzes: "Eigentum verpflichtet". Es
war alles andere als eine heile Welt. Aber es war eine Situation, mit der
man sich arrangieren konnte. Überwiegend jedenfalls.
Edison hat 10.000 Versuche gebraucht, um die
Glühbirne zu erfinden. Seine Erfindung revolutionierte die Welt, machte
die Nacht zum Tag und erst das möglich, was wir heute modernes Leben
nennen und das so selbstverständlich geworden ist, dass wir es vor
Gericht einklagen können und Recht wie auch Geld bekommen, es uns leisten
zu können. Keiner gedenkt der Mühe, die es dem Erfinder kostete, seine
Verzweiflung über Misserfolge zu überwinden und weiterzumachen. Das
gleiche Beispiel gilt auch für die Bergischen Arbeiter (und nicht nur die
bergischen). Sie haben verzweifelte Tage, Wochen, Monate und Jahre
erlebt. Sie haben gehungert und gelitten - in der Literatur beschrieben
und allenfalls von Intellektuellen heute noch zur Kenntnis genommen.
Arbeiter, "das Volk", die Proleten haben gekämpft und Nachteile in Kauf
genommen, ihren Familien Arges zugemutet und natürlich, auch gehörig
Bockmist gebaut. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wer etwas wagt, muss mit
Fehlern leben können. Die Heutigen, auch wenn sie keine Erinnerung und
vor allem keine Beziehung zu den Altvorderen haben, profitieren alle,
ohne Ausnahme von den Errungenschaften von "damals", die bis in die
Jetztzeit reichen.
Respekt und Gerechtigkeit gebieten es, den Kampf
der engagiert-motivierten Bergischen "Freiheitler", egal welchen Standes,
egal welcher Motivation, egal welcher politisch-religiösen Anschauung, zu
würdigen und in Erinnerung zu halten. Sie haben geschaffen, was wir allzu
oft allzu leichtfertig aufs Spiel zu setzen bereit sind. Es ist unsere
Pflicht, der zu gedenken, die uns Gutes getan haben.
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