Spar- und Bauverein 2

Nur in wenigen Städten hat eine Wohnungsbaugenossenschaft dermaßen intensiv und lange im Beziehungsgeflecht der Kommunalpolitik Bedeutung gewonnen. Der SBV in Solingen ist eine Institution, die einst (heute nur noch im schwachen Maße) mit sozialdemokratischer und gewerkschaftlicher Kommunalmacht verbunden war. Aber was heißt "verbunden"? Das ursprünglich mhdt.  Wort "clunga", Knäuel, könnte man ja völlig neutral mit Beziehungsgeflecht übersetzen. Und dann wäre es, wie selbst stramme SBV-Genossenschafter zugestehen, durchaus akzeptabel. Aber von Klüngel will keiner etwas wissen, seit es die Kölner entschieden zu weit getrieben haben. Doch Solingen, die colonia clungus campus monte, ist davon natürlich ausgenommen. In mehr als vier "linke" bzw. "rote" Vereinigungen soll hier niemand, wie man hört, clunga sein.

 

Bleibt der Solinger Unsitte treu, im Titel keine Jahreszahlen zu nennen: der schmucke Band, der die Geschichte des Solinger SBV Revue passieren lässt. Erst auf Seite 12 steht:

"Im Lokal des Wirtes Flabb, ,Zur Reichspost', fand am 11. Juli 1897 die Gründungsversammlung des Solinger Spar- und Bauvereins statt."

Grundlage war eine wachsende Wohnungsnot.

"Innerhalb von sieben Jahren, seit 1890, erhöhte sich die Einwohnerzahl Solingens um 7.000 auf 43.000. Viele Menschen lebten in unzureichenden Wohnverhältnissen. Viele Mieter kamen sich ausgebeuet vor, doch meist standen sie hilflos vor den Problemen, weil andere Quartiere fehlten. In einer Kellerwohnung musste ein Familie mit zwei Zimmern auskommen: Vater, Mutter, zwei erwachsene Jungen, ein erwachsenes Mödchen und vier kleine Kinder schliefen zusammen in vier Betten nebenenander."

 

Herausgeber: SBV Solingen
Gestaltung: Gehlen Werbeagentur, Köln
Druck: Wienand, Köln

Nicht die erste Siedlung des SBV, aber die wichtigste: der Weegerhof. Für mich jedenfalls, da ich hier aufgewachsen bin.

1: Karl-Schurz-Weg 16, für 15 Kinder- und Jugendjahre mein Zuhause
2: Ernst-Moritz-Arndt-Weg 13; für über 30 Jahre die Wohnung meiner Großeltern und meiner Mutter und für mich Spielstätte im Krabbelalter.
3: Der Spielplatz mit ehemaligem Planschbecken und riesigem Sandkasten
4: Das aufregende Technik-Abenteuer, das zentrale Waschhaus
5: Kindergarten, später AWO-Freizeitstätte für Kinder
6: Der Konsum, in dem es noch Rabattmarken gab
7: Gaststätte Weegerhof
8: Bauer Höhmann, bei dem man frische Milch "direkt von der Kuh" kaufen konnte
9: Staats, der Tante-Emma-Laden um die Ecke, bei dem man ungeniert anschreiben ließ und freitags mit gefüllter Lohntüte zahlte

 

Bei dieser Gelegenheit: schöne Grüße an alle ehemaligen und heutigen Weegerhofer !

Ursprünglicher Bebauungsplan; es sind letztendlich noch etliche Häuser auf der Weinsbergtaler Straße (unten) hinzugekommen.


 

Die Bedeutung der Straßennamen:


 

 

Hermann-Meyer (-Straße): Einer der prägenden Geschäftsführer in den Aufbaujahren des SBV, ab 1912 dort beschäftigt  
Fritz-Reuter (-Straße): Dichter mit turbulentem Leben (1810-1874); Straße vor der SBV-Siedlung existent
Friedrich-Engels (-Weg): Wuppertaler, der mit Karl Marx entscheidend vor der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer neuen sozialen (sozialistischen) Denkweise beitrug und damit zu zahlreichen politischen und gesellschaftlichen radikalen Wandlungsprozessen beitrug (1820-1895)
Ernst-Moritz-Arndt (-Weg): Geboren als Sohn eines Leibeigenen; u. a. Theologiestudium; lange Zeit Privatsekretär des preuß. Reformers Freiherr von Stein  (1769-1860)
Georg-Herwegh (-Straße): Zeitlebens ein nichtangepasster Mensch; von der Schule verwiesen, in die Schweiz flüchtend, in Paris enger Kontakt mit Marx und Engels; versuchte mit durch Heirat erworbenem familiärem Vermögen durch das Aufstellen einer eigenen Legion in die Revolutionsunruhen 1848 einzugreifen (1817-1875)
Robert Blum (-Weg): In Köln geboren, in Leipzig Theaterdiener und Schreiber; Dichter; einer der führenden Köpfe der sächsischen linken Opposition mit großem Einfluss auch auf die Bevölkerung; Mitglied der Nationalversammlung in Frankfurt, Sprecher der Linken; in Wien bei einem Solidaritätsbesuch standrechtlich erschossen (1807-1848)
(Carl) Karl-Schurz (-Weg): Kämpfer für Einheit und Freiheit in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika (1829-1906); in den USA der entscheidende Vertreter deutscher Einwanderer; eng verbunden mit Präsident Lincoln
Gottfried-Kinkel (-Weg):  demokratischer Agitator, der mit Schurz einer lebenslänglichen Haft in Berlin entfloh; Erzähler und Kunsthistoriker im Londoner Exil; einer der führenden Männer der deutschen demokratischen Bewegung (1815-1882)

 

Weinsbergtal (-Straße): Ein inzwischen wieder renaturisierter Bach, der über lange Jahrzehnte in einem dunklen Regenwassersammler-Überlaufbecken-Abfluss-Tunnel verschwand und in dem früher tolle Feten stattfanden ... was verboten war, aber Spaß machte.

Ecke Georg-Herwegh-Weg / Robert-Blum-Weg

 

 

 

 

 

 

Gaststätte Weegerhof mit tollen Automobilen der 30er Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Planschetarium, hervorragend geeignet, um kleine Mädchen nasszuspritzen, mit Lehm und Sand unglaubliche Erlebniswelten darin zu schaffen, sich sommertags im Schlamm zu wühlen; und vor allem, darin war ich Weltmeister, in den Revisionsschacht zu kriechen und trotz intensivem Bemühen der gelegentlich erscheinenden Aufseher, das Wasser aus Sparsamkeitsgründen abzustellen, es aus vollem Rohr fließen zu lassen. Das war vor allem bei Regen gefahrlos, da dann niemand auf dem Spielplatz zugegen war, der einen verpetzen konnte. Und nichts machte im Regen mehr Spaß und nass, als dann im niedergehenden Strahl der Wasserflitsche des kleinen Bronze-Nakedeis zu stehen.

 

alle nachfolgende Bilder aus "100 Jahre SBV"

SBV-Siedlung am Weyersberg, nach dem 2. Weltkrieg erbaut; in ihrem Gebiet liegt der geographische Mittelpunkt Solingens.

Man beachte die aufregende Kirmes-Landschaft im Vordergrund, dem Weyersberg; noch heute Zirkus- und Kirmesplatz, inzwischen (wäre links unten im Bild) "bewacht" von der Klingenhalle, einer Sport- und Schwimmhalle.

 

Die Entwicklung des Solinger Spar- und Bauvereins

 

 

 

Jahr Häuser Wohnungen Mitglieder
1899 3 11 220
1924 396 1.050 3.500
1949 918 3.078 6.135
1974 1.596 6.794 12.000
1996 1.682 7.341 16.411

Die Siedlung Böckerhof war eine der ersten Großprojekte des SBV (um 1925). Eine Karte aus dem Jahre 1949 zeigt, dass sich bis heute so gut wie nichts verändert hat.

Verlag Otto Wippich, W.-Elberfeld

Poststempel 18. Aug. 1949

 

 

 

Internet-Stadtplan der Stadt Solingen

 

 
Finkenstraße (Richtung Innenstadt gesehen)

 

Argonnerweg (Keuzung Finkenstraße)

 

Bozener Straße (von der Finkenstraße aus)

 

Lerchenstraße (Richtung Argonner Weg)