Solingen Ortskern

Der "Geburtsort", der Anfang Solingens ist der Fronhof und die dort über viele Gebäudeneubauten hinweg existente Kirche. Sie hat eine bewegte Geschichte und Mitte der 1950er Jahre, im Zuge des durch den zweiten Weltkrieg notwendig gewordenen Wiederaufbaus, brachten Grabungen interessante Zeugnisse der Solinger Geschichte zu Tage. Inklusive Gräbern und Gebeinen. Solingens wirkliche und wahre Mitte hat eine bewegte Vergangenheit.

 

Geografisch gesehen ist der Platz geschickt gewählt. Die Kuppe eines von Schlagbaum her kommenden Höhenrückens, recht groß und flächig, nach Ost, West und Süd hin sanft abfallend, aber in Verbindung mit einem Höhenzug, der sich über Höhscheid gen Rheinebene neigt. Die Nähe zu Quellen und leicht anzulegenden Teichen war gegeben, auch sollte bei dem ständig feuchten Klima des Bergischen ein Brunnen leicht zu graben gewesen sein. Warum wer hier zum ersten Male rodete und siedelte, bleibt im Dunkel der Geschichte. Man weiß nur, eines Tages taucht in Urkunden ein Ritter von Solingen auf, dessen Haus und Heimat man mit dem nachmaligen Fronhof in Vebindung bringt. Fronhof bedeutet, hier wohnte ein "freier Mann" im Sinne von Bauer (die seinerzeit "waffenfähig" erklärt werden konnten, eben Ritter=Reiter waren), der dem Lehnsherrn zu Arbeitsleistungen (Fronarbeit) verpflichtet war. Als Pacht für das Privileg, einen eigenen Hof zu bewirtschaften.

 

Nicht zu klären ist, wann die erste Kirche hier gebaut wurde - etliches vor 1000, das steht fest. Es lässt sich spekulieren, dass es die Hofkirche des Fronhofes war, zu der andere Siedler kamen oder eben auch der Standort sich anbot, weil vielleicht der damalige Besitzer des Fronhofes den Bau ermöglichte oder bewerkstelligte. Jedenfalls war es ein Mittelpunkt, um den herum sich ein kleines Dorf, Solingen, zu entwickeln begann. Der alte Marktplatz liegt, wie es sich gehört, im Schatten des Kirchturms (allerdings nur sehr früh morgens und das auch nur im Sommer, wegen der geographischen Achse von Kirche und Markt).

Das Bild zeigt das Gebäude der Periode von 1734 bis 1832; die Kirche ist des öfteren abgebrannt, teilwingestürzt und umgebaut, wie das früher so üblich war.

Dieses und SW-Fotos am Schluss aus "Anker und Schwert", Bd. 1, Beiträge zur Solinger Geschichte, Verlag für Wirtschaft und Kultur Werner Renckhoff KG, Duisburg 1959
Druck Buchdruckerei Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch

Seit mehreren hundert Jahren ist die Kirche mit dem hohen Turm das Charakteristikum des Panoramas von Solingen. Auch heute noch.

Die seinerzeitige kath. Kirche stand nicht wie heute am Mühlenplätzchen, sondern nahe bei der ev. Stadtkirche, wie dort auch eine zweite ev. Kirche errichtet war.

Die Kirche wurde mehrfach überbaut und erweitert. Insgesamt hat aber der Kirchplatz - der Ring um die Kirche - über lange Zeit, viele Jahrhunderte, Form, Verlauf und Wesenszüge bewahrt.

 

Um das Jahr 1500 wird eine sog. Filiationskarte des Klosters Altenberg mit diesem (mehr phantasierten) Kirchlein geschmückt, um die Solinger Kirche, die Altenberg tributpflichtig war, darzustellen.

 

Eine Altenberger Abtchronik von 1517 gibt die Kirche sehr wahrscheinlich etwas realistischer wieder.

     

    

 

Es verstehe, wer will, aber Fakt ist, dass die Religion, die doch so Brüderlichkeit als zentrale Idee predigt, zu Kirchenspaltungen und bis hin zu blutigsten Kriegen führt. Der 30jährige Krieg war ein solcher um den "rechten Glauben". Seit Luther tobte der Kampf um den Anspruch der "Richtigkeit" der Religion. Solingen blieb logischerweise nicht verschont. Aus der ehemaligen Kirche der bis dato einzigen Religion wurde durch gewaltsame Kämpfe und Besetzungen, bei denen auch Gewehre nicht fehlten, eine evangelische. Aber damit nicht genug, die Evangelen beliebten sich auch noch mehrmals zu spalten, in Wuppertal ärger als in Solingen. Dort immerhin war dann die alte große Kirche der reformierten Gemeinde zugesprochen, die ev.-lutherische musste mit einer kleinen Kirche dichtbei vorlieb nehmen. Die Katholiken improvisierten mit kleinen Häusern, bevor sie wieder eine kleine Kirche und später in der Stadt die heute noch existente St.-Clemens-Kirche bauten. Die Stadtkirche war zur katholischen Zeit ebenfalls St. Clemens, dem Solinger Stadtpatron, geweiht.

 

1765 sah der Fronhof so aus. Viele Gräber waren angelegt und wurden auch später noch teilweise belegt. Als Ring um die Kirche ist der Fronhof aber heute noch erhalten, wenn auch mit nach dem 2. Weltkrieg neu gebauten Häusern, weil dort in der Stadtmitte nichts mehr übrig geblieben war nach dem Bombardement.

Karte: eigene Bearbeitung nach Vorlage

Ein zweiter Spitzname des Turms ist "Fritz-Walter-Gedächtnis-Kirche". Der "Fußball" auf dem Turmdach erinnerte die Menschen an den zur Einweihungszeit sehr populären Kapitän der deutschen Nationalelf.

Mit solchen großen mechanischen Uhrwerken (hier mit einer "Kontrolluhr) wurden früher - und heute noch - die gewaltigen Kirchenturmuhren in Gang gehalten. Dieses mechanische Werk ist das wahrscheinlich älteste noch erhaltene Bergische Turmuhrwerk.

 

 

Der Nachfahre der Kirche, in den mittleren 1950er Jahren errichtet. Im Volksmund "Stotterkirche" genannt wegen des in goldenen Lettern angebrachten Spruches "O Land, Land, Land, höre des Herren Wort." (Jerem. 22, 29).

 

alle Farbfotos: hgw

Wilde Spekulationen für Esoteriker und solche, die es gerne werden möchten, für Hexengläubige und Mystiker, Kaffeesatzleser und Voodoo-Fetischisten:

Von außen nach innen nach außen geblickt: Fenster der ev. Stadtkirche, architektonisch gesehen einer Saalkirche: man erkennt die spirituellen Farben blau und gelb. Blau und Gelb sind aber auch die Farben des Stadtwappens von Solingen. Nur Zufall ?

 

Exakt dort, wo im Jahre 1003 der Fronhof stand (Wohngebäude), also der Ursprung Solingens, exakt - auf den Meter genau - an diesem Punkt hatte 2003 ein Händler diese Engelputte gestellt. Alles nur Zufall?

 

 

Ganz genau vor den Toren des Fronhofes und in der Richtung der Verlängerung des Längsschiffes der alten Kirche wurde ein Denkmal aufgestellt, ein Löwenbaby, geschaffen von Lies Ketterer (und verunziert von frevelnden Schändern). Der Löwe aber wurde einst das mächtige Wappentier des Bergischen Landes. Aus dem Löwenbaby also ein starker Löwe. Kann das noch Zufall sein?

 

 

Als man der Lewerfrau ein Denkmal setzte, stellt man es so, dass sie nicht auf den Fronhof, also "nach innen" blickte, sondern mutig und kraftvoll hinausschritt aus der Stadt. Solingen aber wurde und war weltoffene Exportstadt mit seinen berühmten Stahlwaren. Die Lewerfrau geht in die Welt ...
Und wiederum: das kann doch wohl kein Zufall sein.

 

 

Auf dem Fronhof, just da, wo zwischen Kirche und höfischen Gebäuden ein freier Platz blieb, versenkte man die symbolische Weltkugel als Denkmal für die Gründung Solingens an dieser Stelle halb in die Erde. Früher dachten die Menschen, auch die Solinger, die Welt sei eine Scheibe. Seit kurzem weiß man, sie ist eine Kugel. In Solingen abe ein Halbkugel, also die runde Form der Scheibe. Ein gesunder Kompromiss zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Tradierten und der Moderne. Das kann doch wohl kein Zufall mehr sein, dem Künstler wurde die Intuition eingegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fazit

Druiden, Magier, Exorzisten und Wünschelrutengänger aller Länder, hört auf zu suchen und kommt nach Solingen. Hier liegen noch Geheimnisse verborgen, von denen keiner weiß, dass es sie gibt. Wer suchet, der findet und wer anklopft, hört ein Echo ...
 

Und solche Geheimnisse kamen wirklich zu Tage, als man an den Fundamenten der Kirche grub. Und Gruseliges fand. Die Arbeiten fanden unter reger Beobachtung der Bevölkerung statt. Sensationstourismus war immer schon.

 

 

 

(So haben wir alle mal ausgesehen.)

 

Der Kirchenbau vom 1734 hat die bis dahin vorhandenen Fundamente und Bauteile zum Teil abgetragen oder überschüttet - es wurde eine neue Kirche quasi auf die alten Fundamente aufgesetzt und damit die bisherige Substanz ins dunkle Erdreich verbannt. Bei der Ausgrabung konnten einzelne Schichten und Bruchstücke früherer Bauperioden freigelegt und identifiziert werden; jedoch mehr Details, die für Fachleute von Interesse sind als Gebäudereste, die für den "Normal-Betrachter" anschaulich gewesen wären. Aber immerhin: so intensiv ist Solingens Baugeschichte noch an keiner anderen Stelle freigelegt worden.

 

Die Ausgrabungen wurden 1954 angelegt, 10 Jahre nach der Zerbombung des bis dato noch umgebauten, weitergebauten 1734er Kirchenhauses. In den 50ern sollte ein Neubau entstehen (Fotos der Realisierung siehe oben)

Solche Fragmente der früheren Fußböden (17. Jhdt. und früher) kamen zum Vorschein und zeugen davon, dass diese Kirche über die ganze Zeit finanzielle wie auch ideelle Zuwendung erfahren hat; denn so schmückt man nur Bauwerke, an denen es Leuten gelegen ist.

 

 

Direkt neben der Fußbodenrosette fand sich, tiefer, ein Grab - andere an anderen Stellen. Wer und exakt wann hier beerdigt wurde, liess sich auch aufgrund der Grabplatten nicht bestimmen. Vermutet wird, dass die Gebeine nach 1734 hier gebettet wurden. Etliche Grabbeigaben fanden sich auch auf dem gesamten Friedhofgelände (Kirchhof), doch waren dies keine spektakulären Funde. Sie unterstützen allenfalls die Vermutung, dass die Kirche und Friedhof schon weit vor der Stadtgründung aktiv genutzt wurde. Es kann als gesichert gelten, dass eine Kirche samt "Gottesacker" bereits vor 1000 n.Ch. bestanden hat. 

 

Die Ausgrabungen brachten Grabsteine mit zum Teil phantastischer Schriftqualität an den Tag. Mit so großer Sorgfalt geschlagene Schriften sieht man nicht alle Tage.

N::1603::DEI
ERT3::IST::IN::DE
ENTSLAFFEN::DI
ENTSAME::WIDWE::
CLEMENS::S::WOLFER
ENGE::HAUSFRAU::GE
:WESEN::JOHANNIS::AM
:CAPITEL::ALSO::HAT::GOT
DIE::WELT::GELIBT::DAT::HE
:SEINEN::EINIGEN::SON::G
:AB::VE:DAT::ALLE:DIE::ANIN
VERLOREN::WERDEN
E::LEVEN

 

1648 + 14..

 

Wie eine Glucke auf dem Ei schien einst die ev.ref. Stadtkrche zu sitzen. Davor im Gemälde gut zu sehen die kleine luth. Kirche. Bergische Idylle pur.