Verklärung

Viel Literatur über die Klingenstadt neigt zur Verklärung. Will die Wirklichkeit nicht wahr haben oder stellt Hoffnungen und Visionen als unzweifelhafte Realität dar, lebt vom Klischee und positiven Vorurteil. Man könnte den Autoren vorwerfen, fahrlässig gewesen zu sein. Doch das wäre zu billig. In den meisten Fällen ist es nämlich Begeisterung, Engagement und ein fester Glaube an eine "bessere Zukunft", die Texter wie Fotografen bis heute (ich schließe mich da voll mit ein) zu einer Darstellung von Solingen bewegt, die eher positiv ist und da, wo unvermeidlich Negatives gezeigt und gesagt werden muss, entschuldigt - oder es durch Sarkasmus und Ironie abwiegelt. Solinger sind halt unverbesserliche Optimisten falls es erlaubt ist, ein Vorurteil durch ein Klischee zu bestätigen.

 

Dieses Buch ist geradezu ein Musterbeispiel für positivistische Klischees über Solingen. Beginnt es doch schon mit den anklägerischen Worten: "Wer da meint, Solingen wäre ein rußige Industriestadt im Ruhrpott, der irrt gewaltig". ((Satzfehler, "ein" statt "eine", wörtlich zitiert. Und die Schreib-/Satzfehler gehen sofort im nächsten Satz weiter: "... ist eine Großstadt im Grünen ... das im Industrierevier ... eine Oase der Erholung"; es hätte heißen müssen "die im Industrierevier ...")).

Eckhard Gerull, Fotos
Hans-C. Hoffmann, Text
Sachbuchverlag Karin Mader
1986

 

So wollte man Solingen damals sehen, so haben es die meisten gesehen. Geiz war noch nicht geil, Shopping war schon Erlebnis, wenn die Waren auf der Straße standen und die bunte Mischung der Geschäfte wurde als positiv empfunden. Dass heute, knapp 20 Jahre später, die meisten, die auf den Bildern zu sehen sind, nicht mehr existieren - wen stört's? Oder doch? Permanent wird beklagt die Innenstadt würde veröden, der Fachhandel abwandern. Nun, dass gerade Straßenzüge und einförmige Fassaden, uniforme Geschäfte mit sturen Schaufensterfronten nicht mehr en vogue sind, hat sich - leider - bis Solingen noch nicht herumgesprochen. Die Schuld wird permanent den Bürgern gegen, die sich weigern, das Geld in der Innenstadt auszugeben. 

 

 

Galt seinerzeit als Sensation mit Modellcharakter, die Einkaufspassage am Graf-Wilhelm-Platz. Inzwischen ist sie längst ein Problemfall, weil viel zu niedrig, viel zu dunkel, viel zu langweilig, viel zu verschlissen. Aber noch schärfer, der neue Eigentümer, Karstadt, ist selbst zum Problemfall geworden ...

Und so zerbröselt diese Stadt in und an ihren eigenen Hoffnungen.

 

 

 

t.b.c.