Volkshochschule

Am 13. Januar 1902 wurde im Bürgersaal des "Roten Rathauses" von Berlin die erste Volkshochschule des Deutschen Reiches gegründet. Einer der Initiatoren, der Schriftsteller Bruno Wille, Herausgeber der 1892 gegründeten Zeitschrift "Der Freidenker" und Gründer der freien Volksbühne Berlin, nannte die Volkshochschule den "Gegenpol" zu staatlichen Universitäten, denen er einen "mittelalterlichen Charakter" vorwarf. Anders als bei der Erwachsenenbildung in den angelsächsischen Ländern, in denen die Hochschulen durch Außenarbeitskreise mitwirkten, ging die deutsche Gründung auf skandinavische Vorbilder zurück, vor allem auf Nicolai Grundtvig, der 1844 in Dänemark auf dem flachen Lande die ersten Volkshochschulen ins Leben rief. In Deutschland erwuchs das Bedürfnis nicht aus Bildungsdrang, sondern aus den Problemen der neuen Industriestädte, aus der Sorge um sinnvolle Nutzung der Freizeit. Als im 19. Jahrhundert die großen gesellschaftlichen Umformungsprozesse als Folgeerscheinung der Industrialisierung vor sich gingen, wurde erstmalig "Erwachsenenbildung" als Inbegriff aller Bemühungen um eine mit den Veränderungen Schritt haltende Selbstbildung über die Schulzeit hinaus als dringende Notwendigkeit erkannt. Große Bedeutung hatte der Aufstiegswille der Arbeiter.

 

Ohne Goethe läuft in Deutschland rein gar nichts.
Und so macht auch dieses Programmheft im Inneren erst einmal mit einer weisen Ermahnung des Meisters aller Gehirnklassen auf: "Je weiter man in der Erfahrung fortrückt, desto näher kommt man dem Unerforschlichen; je mehr man die Erfahrung zu nutzen weiß, desto mehr sieht man, das das Unerforschliche keinen praktischen Nutzen hat."

Auf gut deutsch: man kann viel lernen, aber es ist gut zu erkennen, wo des Wissensdrang Grenzen sind.

Den setzte vor allem ein Programm, das sich auf die prinzipiellen Dinge des Lebens bezog, und so ist das erste Angebot konsequenterweise ein Vortrag über Einsteins Relativitätstheorie und das Weltalle, gefolgt vom Problem der Kausalität in Physik und Philosophie und endet praktischerweise mit der Ausbildung zum Kaufmannsgehilfen. Man kann auch eine kulturhistorische Studienfahrt nach Köln machen, allerdings ist Bedingung, dass man vorher den Vortrag über Neue Kölner Kirchen gehört hat. Na bitte.

 

 

Druck: Herm. Weck Sohn, Solingen

 

Vor allem in dieser Abteilung ist die Welt noch in Ordnung, hier im Jahre 1957. Erst einmal wird unterstellt, die herzlich gute Mutter ist besser als die herzlich schlaue (siehe Einleitungsspruch). Und außerdem ist die Frau erst einmal Mutter, was sie bekanntlich lernen muss, als Mädchen-Beruf, daher die Schule. Hat sie keine Kinder, soll sie wenigstens helfen, wenn sie nur wüsste, wie.

 

 

 

 

Immerhin ist ihr nach so viel Aufopferung für die Jungen und die Kranken nun erlaubt, sich für den Herrn des Hauses begehrenswert zu machen, vor allem länger äußerlich frisch zu bleiben. Und das kann man laut Statut der VHS ab 15 Jahren, so alt müssen Teilnehmer mindestens sein. Nach oben hin richtet's dann ohnehin der Sensemann.

 

Und dass sie ja nicht zuviel Geld ausgeben, diese Öößer. Bei artgerechter Haltung, also in Ketten am Herd, darf man ja wohl auch von der Ehefrau verlangen, an jedem Abend ein vollständiges Gericht nebst Gebäck herzustellen. Denn schließlich, weiß Ilse Warth, ist gut kochen eine Freude für alle. Wie wahr.

 

 

Nach dem Motto, "dieser VHS-Kurs wird Ihnen präsentiert von ..." nahm man zur Finanzierung der Vorlesungsverzeichnisse natürlich dankbar Anzeigen entgegen, unter anderem diese:
 

 

Die Volkshochschule Solingen heute im Internet

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450 bis 500 Mark ist ein durchschnittlicher Monatslohn im Jahr 1957, rund 100 Mark muss für eine Sozial-Neubauwohnung gezahlt werden - und eine einfache Reiseschreibmaschine kostet 60 % und mehr Monatslohn. Kein Wunder, wenn Knipper da Ratenzahlung anbietet

Guten Geschmack preist die herstellende Druckerei Herm Weck, heute ein hochspezialisierter Betrieb, an und fleht: "Bitte bedienen Sie sich bei jedem Bedarf meiner Druckerei". Für Buch-, Stein- und Offsetdruck. Hätten die heute noch Steindruck, sie wären eine Rarität ersten Ranges.

 

 

Solingen war einst stolze auf viele wohlklingende Handels- und Firmennamen, die wie eine feste Größe unangreifbar schienen. Die meisten davon sind längst vom Markt verschwunden, unter anderem Hillers, Krups, Bremshey, Kampschulte, Kortenbach & Rauh oder eben Kronprinz. In "Mannesmann-Kronprinz" blieb der Name noch eine Weile erhalten, jetzt ist es ein Unternehmen der Michelin-Gruppe und Solingen um ein Markenzeichen ärmer.

Aber 1957 war die Welt noch in Ordnung. Würde ein Texter der Sparkasse heute so einen Quatsch schreiben, die fristlose Entlassung wäre ihm sicher: erst sparen, dann Geld ausgeben. So ein Quatsch. Kredite, Kredite, Kredite ... nicht sich Sorgen machen und rechnen. Und von einem Logo war seinerzeit die Sparkasse noch entfernt ... Werbung kostet ja Geld, und vielleicht hatten die noch nicht so viel gespart.