Waidmannsheil: auf der Suche nach dem Solinger Modell

Zweifellos wird in Solingen mancher Bock geschossen. Politisch wie auch durch lizenzierte Jäger. Dass man gerne die Sau rauslässt, ist Ehrensache und in der City sagen sich ohnehin Hase und Fuchs gute Nacht. Ist das etwa das "Solinger Modell"? Dass aber die Großstadt Solingen als Industriestandort auch noch ein beträchtliches Jagdrevier ist, hat sie ihrer Lage im Grünen zu verdanken. Und da alles, was mit Knalleffekten zu tun hat, staatlich geregelt sein muss, hat sich die Stadt Solingen (noch weit vor der Vereinigung) natürlich eine Jagdnutzungsordnung gegeben.  

 

Sind Solinger Pächter klamm?
§ 14 dieser Satzung jedenfalls verlangt:

"Pächter hat gleich nach dem Zuschlag einen nach Ansicht des Jagdvorstehers zahlungsfähigen in Solingen ansässigen Bürgen zu stellen, der für die Zahlung des Pachtgeldes und die Erfüllung des Pachtvertrages solidarisch und als Selbstschuldner haftet."

 

Druckerei Alb. Pfeiffer, Solingen

Nur durch einen optischen Trick reduziert sich diese Satzung auf einen einzigen Paragrafen. In Wirklichkeit hat sie natürlich mehr, immerhin 18.


 

 

Die Ausschreibung, die auf Grund der Satzung erfolgte, wurde dann in den Solinger Zeitschriften veröffentlicht.

Für die vier Bezirke wurden an Jagdpacht erzielt:
I. Bez. 720 RM
II. Bez. 970 RM
III. Bez. 800 RM
IV. Bez. 650 RM
zusammen also 3.140 RM

Den IV. Bez. erhielt vermutlich Anton Roth.

 

 

 

Erworben, so scheint es nach Unterlagen, hat schließlich Otto Jagenberg (nomen est omen) die Jagd - oder zumindest einen Bezirk davon. Der Hochwohlgeboren, der postalisch gesehen in Solingen bekannt sein muss wie ein bunter (Jagd-)Hund, wenn er ohne Adresse ausfindig zu machen ist, ist wahrscheinlich aus der Dynastie der Besitzer der Solinger Papiermühle und der Papierfabrik Jagenberg.

 

 

Wo etwas seine staatliche Ordnung hat, muss dem natürlich alsbald ein freiwilliger Verein folgen, jedenfalls in Deutschland. Zu Nutz und Frommen der weidgerechten ... da stutzt doch der geübte Rechtschreibler und beginnt zu zweifeln (oder zu zwaifeln?): Waidmann oder Weidmann, das Wild auf der Weide oder wirklich waidgerechtes Jagen? In Preußen eigentlich unvorstellbar, aber doch in Preußen geschehen: der Staat lässt beide Rechtschreibungen zu. Allerdings nicht mehr Pürsch oder Biersch für Pirsch, auch nicht Wildpret für Wildbret (oder doch Wildbrät, wenns in der Schmorpfanne liegt?). Da ist es gut, wenn der Herr Peill die Lage peilt und man ín Cöln, nicht Köln und nicht Cölln, auf der Lothringer Straße ein Lot Ringer die Jagd schützen, obwohl die Jäger doch die Wilden - sorry: das Wild -  schützen möchten, laut Satzung jedenfalls. Falls Sie, analog zum Brief, meinen Gedanken Folge leisten wollen, belieben Sie sich des nach- und untenstehenden Textes zu bedienen. Mit Schreibmannsgruß!


 

Aus dem Allgemeinen Deutschen Jagdschutzverein der Rheinprovinz ist inzwischen der Landesjagdverband NRW geworden. Und der führt Klage:

 

Da bin ich, aus dem graphischen Gewerbe stammend, natürlich überfordert. Kenne ich doch Buchdruck, Tiefdruck, Siebdruck, Offsetdruck, Digitaldruck, Akzidenzdruck, Rollendruck und vieles mehr. Aber Freizeitdruck: nie gehört, dass Leute in der Freizeit Drucken, wenn sie Erholung suchen. Und das auch noch in den Jagdbezirken. Hmmh, seltsam.

 

Doch Aufklärung naht:

 

Oder doch nicht:

Nun muss man sich ernsthaft Sorgen um Rentner in Solingen machen. Denn die AOK und andere Krankenfürsörgliche kümmern sich um die Wissenschaftliche Begleitung der Erprobungsregelung "Ambulante Rehabilitation geriatrischer Patienten (Solinger Modell)", so jedenfalls sagt es das Internet. Heißt das, das der nette Gag mit den "Rentier", franz. für Rentenbezieher, gar nicht den Wort-Gag mit dem Renn-Tier (Rentier) bedeutet, sondern ein Rentner ist, der von den Jägern wissenschaftlich begleitet geriatrisch ambulant abgeknallt wird? Oder sind nur ambulante, also umherwandernde, nicht ortsgebundene Tiere Opfer des geriatrischen Solinger Modells? Wie kompliziert kann doch Jagen sein!

Aber noch viel schlimmer:

«Besonders erfolgreich war dies im Bereich Sprache / Spracherwerb (Vernetzung aller Angebote, Transparenz der Mittel, Zusammenarbeit bei „Lücken“ bei der Zukunft des Ausländerbeirates (Solinger Modell), im Bereich Beschäftigung und Jugendhilfe/Schule wurde der Aspekt in die städtischen Gesamtplanungen einbezogen (Beschäftigungsförderung, Jugendhilfeplanung)» berichtet die Stadt Bonn in einem internen Arbeitspapier und nun frage ich mich: Werden etwa nicht die Alten, sondern die nichtintegrierten Jugendlichen gejagt oder gehegt, gewaidet oder unter Naturschutz gestellt? In Bonn nach dem Solinger Modell oder in Solingen nach den Stiftungsrichtlinien für Natürliches? O jeh, es wird immer ärger. Zumal auch inzwischen die Psychiater das "Solinger Modell" entdeckt haben und es zur Krisenintervention bei Verrücktheiten anwenden.

 

 

Jetzt werde aber ich verrückt:

«Das "Solinger-Modell" zeigt deutlich, wie der oft gebrauchte Ausspruch "Es gibt nur eine Freimaurerei" mit Leben erfüllt werden kann. Nicht die Nihilierung gewachsener Strukturen, die Einebnung von Unterschieden , sondern die wechselseitige Befruchtung ist es, die uns mit unserem "Solinger Modell" Erfolg haben läßt» heißt es in der Seite der Johannis Freimaurer-Loge "Zur Bergischen Freiheit" zu Solingens. Müssen Jäger nun der vereinigten Solinger Loge beitreten oder nur logistische Jäger dürfen wildpretwaiden? Verflixtes Solinger Modell !

 

Und kein Ende:

Dass die Diesterwegschule, eine Spezialschule für lernbehinderte Kinder, kein Geld für eine Turnhalle hat, ist nichts Neues. Dass Sie dafür eine Stiftung ins Leben ruft, ist bemerkenswert. Dass dies dann als "Solinger Modell" benannt wird, können Sie sich ja jetzt inzwischen denken. Auch ohne Jagd auf andere Bemerkungen.

 

 

Selbst die Verwaltung modelliert mit Strukturen, Steuerungen und macht Jagd auf die beste NSM. Kein Ahnung, aber als Waidmann würde ich antworten: "Nieder-, Sau- und Muffelwild".

Bemerkenswert ist unter anderem das Modell der flächendeckenden Einführung des Neuen Steuerungsmodells, bzw. der jeweils anliegenden Schritte, wie es in Solingen praktiziert wird. Der weitaus größere Prozentsatz der Kommunalverwaltungen, die sich mit der Einführung des NSM beschäftigen, setzten auf die probeweise Einführung in Pilotbereichen. Diese Vorgehensweise erschwert im Vergleich zum Solinger Modell jedoch die spätere flächendeckende Einführung in einheitlicher Form, die Mitarbeiterintegration während der Strukturierungsphase sowie die Identifikation mit und die Aufgeschlossenheit gegenüber den zahl- und umfangreichen Veränderungen.

 

 

Da bleibt es ja nicht aus, dass auch die vielgepreisene "Regionale 2006" ihr Solinger Modell kennt:

Sanierungsmaßnahmen insges. unter Berücksichtigung der Einnahmen ohne GVFG. Der Anteil GVFG wird nach dem Solinger Modell beim VBS im Wirtschaftsplan etatisiert. Mieten und Pachten sind im Haushalt der Kernverwaltung berücksichtigt.

 


 

Ah, endlich Jäger-Grün, wenn auch politisch, ah, endlich politisch, sogar kultur-politisch, und ah!, endlich kommt das Solinger Modell ins Museum:

Aus dem Sitzungsprotokoll des Kulturausschusses der Stadt Soest i.W. vom 16. 12. 1997:

Ausschußmitglied Hosie bittet, bei der Stadt Solingen die Erfahrungen mit dem sogenannten ,Solinger Modell" in Sachen Museumsneugestaltung einzuholen.

 

 

Wo wir schon bei den Grünen, also nicht den Jägern, sondern den politisch Grünen sind, kommen wir zu den Schwarzen, nicht den Schwarzwildjägern, sondern den Jung-Schwarzen, der Jungen Union Wuppertal:

Die nämlich fordert:

Jugendliche wollen und müssen ernst genommen werden. An die Wahlverfahren müssen genauso hohe Ansprüche wie bei Erwachsenen gestellt werden. Die korrekte Einübung demokratischer Spielregeln kann nicht früh genug beginnen. Statt dessen fordert die JU eine Wahl nach dem Solinger Modell: Die Wahlen müssen in den einzelnen Schulen durchgeführt werden.

 

 

Da bleibt nur noch, den Jägern das Modell moderner Selbstdarstellung zu überlassen, dass ich dann mal ganz eigenmächtig als Solinger Modell titulieren will:

Erstens, ist es inzwischen in die deutsche Sprache eingeführt (eingewildert, sagt man wohl in Jagdkreisen), dass weiblich Mitglieder durchaus auch "Frauen" genannt werden dürfen, anstatt sie wie eine Tierzählung anzugeben (Jäger: 395,36); auch ist die Angabe einer Frauenquote ja gerade die Diskriminierung, die überwunden werden will.
Zweitens: Wusste gar nicht, das Hektare bejagbar sind. Dachte immer, dies seien nur die Tiere, nicht die Flächen.
Drittens: In Solingen gibt es nach seriösen Schätzungen rund 15 Bläsergruppen, keine davon jagd jedoch zugleich, außer nach Anerkennung und neuen Mitgliedern.
Viertens: Dass Tiere Mitglied im Verein werden können, wusste ich noch gar nicht ...
Aber vielleicht sind es ja nur die lahmen Enten und die schlauen Füchse.
Und Fünftes, als intellektuelle Aufgabenstellung: Sind es die Hegegemeinschaften, die nach Hegemonie streben, da Ihnen die Reviere gehören?

 

Vielleicht könnte man ja auch das als Solinger Modell weltweit bekannt machen: Die Schafe werden, artgerecht, auf freier Wiese gehalten und leben dort friedlich vor sich hin. Bestellt nun aber einer ein solches zum Verzehr im Restaurant, geht die Klappe am Hochstand auf, der Jäger legt die Büchse an, paff, Klappe zu, Schaf tot, Koch zufrieden, Gast zahlt. Alle haben was davon. Und es ist ganz einfach.

Vielleicht erspart der Ausgucksturm ja auch den Schäferhund und die Schafe werden per Megafon dirigiert.