Weegerhof

Die Welt hat ein Zentrum. Das ist Solingen. Und Solingen hat ein Zentrum. Das ist der Weegerhof. So jedenfalls dachte ich als Kind. Weil ich ja im Weegerhof wohnte. Im Zentrum der Welt. Dass es eine Welt für sich ist, stellt man erst fest, wenn man mal nicht mehr im Weegerhof wohnt. Einige tun dies nie, und die, die in die Fremde zogen, erinnern sich meist immer wieder gerne zurück. An eine Siedlung so normal wie jede andere. Aber doch ganz anders.

 

Der Rosengarten am Gottfried-Kinkel-Weg, im Mittelpunkt das heutige Hanna-Gnoss-Haus. Dieser Teil des Parks ist heute  umgestaltet.

Total erstaunlich der Turm der St. Suitbert-Kirche an der Glockenstraße (früher und heute)

 

Cramers Kunstanstalt, Dortmund
Feldpost, Stemel 13.1.1941

Viel hat sich insgesamt nicht geändert in den letzten 50 Jahren. Diese Aufnahme aus dem Jahre 1952 hat einen hohen Wiedererkennungsgrad. Die Mäuerchen sind verschwunden und parkende Autos sind hinzugekommen. That's it.

Alle folgenden SW-Fotos: SBV-Archiv, veröffentlicht in einem Bericht von Hans-Richard Ebel über Hermann Meyer in Die Heimat 7 / 1991

Alle Buntbilder: hgw

 

 

 

 

 

 

Als der Weegerhof geplant und gebaut wurde, gab es einfach noch keine Autos. Jedenfalls besaßen die Bewohner kein solches.

 

Wurde damals, beim Bau der Siedlung Ende der 20er Jahre, als sozialer Fortschritt gefeiert: ein volksnahes Lebensmittelgeschäft mitten in der Siedlung, der Konsum (nebenan eine Metzgerei). Dass der Konsum daran eingehen würde, weil die Genossen sich in allen Belangen nicht als Kapitalisten, sprich Unternehmer bewährten, wusste seinerzeit noch keiner. Aber alles Lästern ziemt sich eigentlich nicht. Es ist nicht zu unterschätzen, welchen wirklichen Fortschritt eine feste Bleibe, eine große, helle, trockene, vor allem bezahlbare Wohnung für die (arbeitenden, abhängigen) Menschen seinerzeit darstellte. Rückwärts gesehen sagt man, eine solche Siedlung sei eigentlich nichts Besonderes. Dass solche Mustersiedlungen erst dazu beitrugen, dass sozialer Wohnungsbau überhaupt Bestandteil des (späteren) Wiederaufbaus Deutschlands wurden, ist längst vergessen. Schade - und traurig.

 

Auf dieser Wiese im Weegerhof entschied sich das Schicksal der deutschen Fußball-Nation. Um 1955-1960 wurde sie intensiv als Fußballfeld genutzt und ein Talent stand im Tor. Ein kommender Torwart des Jahrtausends. Aber dann wurden Sportler wie Fritz Herkenrath und später Sepp Mayer ins Nationalteam berufen. Na ja, ist nicht schlimm, dass man mich damals nicht entdeckte. Ich bin auch so zurecht gekommen.

 

 

 

 

 

 

Das Waschhaus im Weegerhof: eine Legende. Der Mangelraum: Eine Faszination. Ich erinnere mich noch genau, wie ich als Kind - mangelhalbhoch - vor den Monstern stand und sie für so etwas ähnliches wie Dampfloks hielt. Als ich dann groß genug war, um helfen zu dürfen, die Betttücher aufzuspannen, war ich ganz stolz. Als ich dann helfen musste, die Betttücher aufzuspannen, war ich ganz sauer. So ändern sich die Zeiten. Nicht ganz. Die Mangeln sind nämlich immer noch die gleichen.

 

Im Jahr 2000: Man sieht, Wertarbeit ist Wertarbeit und überdauert die Jahrhunderte.

 

Nach wie vor beliebter Treffpunkt für Totterblotschen, dieses Waschhaus. Man trifft sich um zu besprechen, welches Waschmittel weißer wäscht, wer wem wie an die Wäsche geht und wer zum Waschmeister gewählt werden soll. Wer's glaubt, hat frei waschen.

 

Das Charakteristikum im Weegerhof: erlaubt ist, was nicht verboten ist, was man nicht nicht tut und was der Sitte entspricht; also wenig. Und schon gar nicht das Anstellen der Zentrifugen. Denn wie immer und überall ist es auch hier stets, na ja, eben.

 

Wer im Weegerhof wohnt, wohnt grün. Die großzügigen Hausgärten zwischen den Straßenzeilen sorgen für einen Blick ins Grüne fast von jeder Wohnung aus. Nach heutigen Normalitäten würde man auf die Fläche des Weegerhofs locker die vierfache Wohnungsanzahl bauen. Irgendwann wird's kommen, denn ewig halten die Häuser auch nicht. Der Solinger Spar- und Bauverein, Eigentümer der Häuser (und des Grunds) ist übrigens Solingens größter Hauseigentümer und Vermieter. Aber als Genossenschaft eben an soziale Grundsätze gebunden, was sich in einem unglaublich günstigen Mietpreis ausdrückt. Unter anderem. Und einem Service, den man bei anderen Vermietungsgesellschaften lange suchen kann.

 

Am Rande des Weegerhofs und doch ein Stück davon: das ehemals Höhmann'sche Bauerngehöft; hier konnte man einst Milch "frisch von der Kuh" kaufen und noch euterwarm trinken. Mmmmmmmmhhhh ....

 

Frühjahr im Weegerhof.

hgw 2005

 

So schön ist der Frühling im Weegerhof, das er schon mehr als einmal Titel- und Kalenderbild war.

Foto: Christa Kastner

veröffentlicht 2005

 

Der Weegerhof als Parkanlage - in der Planung durchaus so vorgesehen.