alles aus: Solingen und sein Industriebezirk, 1922

Werbeparade 1

Um 1870 setzte in Solingen die Industrialisierung ein. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg waren also, trotz Kriegsjahren, viele Firmen "in voller Blüte", auch wenn sie danach durch die Weltwirtschaftslage zurückgeworfen werden sollten. Doch ein Buch aus dem Jahre 1922, "Solingen und sein Industriebezirk" listet den damaligen Stolz und die Hitparade der Solinger Industrie. Noch heute wirken in dieser Stadt die klangvollen Namen nach, von denen etliche sogar noch existieren. In dieser Aufstellung, von der nur ein kleiner Teil wiedergegeben werden kann, ist zugleich der Höhepunkt Solinger Industrialisierung dokumentiert.

 

Dieses Buch ist für Solingen einmalig und von unschätzbarem Wert, weil es ein Offset-/Steindruck ist. Üblich war zu dieser Zeit Buchdruck (Hochdruck) - dafür hatten die Firmen Klischees mit ihren Firmenansichten, Warenzeichen, Portraits und jede Menge Produktabbildungen. Doch genau diese Klischees kann man im Flachdruck nicht benutzen. Und so mussten viele der Annoncen, die ungefähr 60 % des Buchinhaltes ausmachen, neu erstellt werden. Sehr viele davon mit ungemein geschickten und präzisen Schriftzeichnungen. Ganze Anzeigenseiten sind mit freier Hand gezeichnet. Motive und Zeilen wurden um- und einkopiert. Etliche Anzeigen sind auch gesetzt und dann per Filmreproduktion für den Offsetdruck aufbereitet. In ihnen erkennt man den Übergang von Jugendstil- zu Bauhaus-Typografie, eine Mischung aus "Verkündigungsmentalität" und schlicht-sachlicher Darstellung gemäß dem Motto "forms follows function", der Zweck bestimmt das Design.

 

 
   

Heinrich und Wilhelm Kampschulte gründeten die Firma 1891 in Ohligs, sie lieferte galvanische Anlagen plus Chemikalien aus diesem Bereich (insofern Konkurrenz zu Blasberg). 1896 wurde das Geschäft nach Solingen verlegt. Im Laufe weniger Jahren kam eine Produktions- und Sortimentserweiterung dazu. Das Unternehmen feierte auch nach dem Zweiten Weltkrieg, an der Schützenstraße gelegen, phänomenale Erfolge, vor allem, weil es Bäder erfand, die das Verchromen wesentlich vereinfachten. Doch dies konnte den Konkurs in den 1990er Jahren nicht verhindern.

 

Gegründet wurde die Firma 1873, sie wurde zu einer der bedeutendsten in der Rasiermesserindustrie. Vor dem Ersten Weltkrieg waren 600 Arbeiter beschäftigt. Sie brach hinsichtlich der Abläufe konsequent mit der Tradition und modernisierte den Arbeitsprozess - stellte so weit es ging auf Maschinen um. Es war das erste Unternehmen, dass den sog. Hohlschliff einführte und dadurch Qualitätsverbesserungen erzielte.

 

1883 vereinigten sich die bis dato selbständigen Firmen Gebr. Weyersberg und W. R. Kirschbaum; beide erfolgreiche Schwertfabrikanten. Sie fertigten für das deutsche Heer in den 1890er Jahren exklusiv Säbelscheiden aus nahtlosem Rohr. Das war die Grundlage für die Fahrradproduktion, die aufgenommen wurde, als die Militäraufträge stark zurückgingen. Genau zur richtigen Zeit: dieses Geschäft blühte um 1900 auf.


 

Jährlich wurden bis zu 75.000 Räder gefertigt, die unter dem Markenname "Patria" einen hervorragenden Ruf hatten. Und schließlich fertigte man täglich mehrere tausend Haarschneidemaschinen, die in aller Welt Absatz fanden.

   

In diesem Text stellt sich die Firma Anton Wingen jr. selbt vor. Wer's lesen kann, mag's mit Bedacht tun.

 

   
 

... mit einem schönen Blick in die Musterausstellung. Und auf  die unglaublich schöne Kurbelkasse.

 

Heute vollkommen unbekannt, das Marienwerk am Mangenberg

 

 
 

 

Eine vollständig handgezeichnete Anzeige bezüglich der Schriften, die Produkte wurden umkopiert und liebevoll montiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch hier in intensiver Einblick ins Musterzimmer. Die Szene kann sofort in der Phantasie lebendig werden: man sieht, wie der Patriarch stolz vor dem Schrank Platz nimmt und dem staunenden Besucher die Herrlichkeiten dieser Marke präsentiert. Und damit seinen Preis begründet.

Solche Musterzimmer existieren in Solingen immer noch. Hoffentlich kommt mal eins davon unverändert ins Museum.

 

Hat die Kraft, auch ein politisches Plakat sein zu können. Sieht sehr nach Blut- und Eisen-Mentalität zwischen Deutschem und Dritten Reich aus.