Wohlfahrt

 

Es ist in der heutigen Zeit ein niederdrückender Umstand für den Leiter einer Stadtverwaltung, dass von vielen Plänen und Wünschen nur ein kleiner Teil verwirklicht werden kann. Schrieb der damalige Stadtdirektor Bertig im Vorwort zum (handwerklich hervorragend gemachten) Buch "Die Einrichtungen der öffentlichen Fürsorge in Solingen". Damals, das war 1949 und die heutigen Politiker und Verwaltungsfachleute sollen sich nicht einbilden, es wäre inzwischen wirklich etwas Fortschrittliches geschehen.

 

Herausgegeben von der Städtischen Wohlfahrtsverwaltung in Solingen, 1949
Druck Hermann Ullrich, Solingen

 

Bemerkenswert übrigens die beiden Unterschriften:


Maurer, Oberbürgermeister
und


Berting, Stadtdirektor.

Nicht zufällig heißen zwei der städtischen Altersheime heute "Eugen-Maurer-Heim" und "Gerhard-Berting-Heim"

"Der Anteil der alten und nicht mehr arbeitsfähigen Menschen an der Gesamtbevölkerung ist heute erheblich größer als jemals zuvor. Es muss auch noch auf unabsehbare Zeit mit einem ungünstigen Altersaufbau des deutschen Volkes gerechnet werden."
Text aus dem Jahre 1949. Oder doch aus der jetzigen Zeit?
Was Politiker nie lernen werden: nichts kommt plötzlich, alles hat seinen Trend.

 

"Das Altersheim in Ohligs besteht aus zwei unterkellerten Baracken mit fließendem Wasser und Zentralheizung .... "

Jugendliche Flüchtlinge wurden nach dem 2. Weltkrieg hier untergebracht: "Der Lindenhof".
Später Kindergarten, heute Familienbildungsstätte.

 

Sehr persönliche Erinnerungen verbinden sich mit diesem Haus: in diesem Kindergarten wurde ich "groß"; immerhin über drei Jahre in jenem Kindesalter, in dem die Erinnerungen beginnen.

"Rund 60 Kinder fuhren in den Sommerferien morgens mit der Straßenbahn zum Pfaffenberg hinaus ....
... Eine gute, zusätzliche Verpflegung ... hatte in den vier Wochen Gewichtszunahmen bis zu 8 Pfund herbeigeführt."

 

Vielleicht wäre es ja mal wieder an der Zeit, ein Sommerlager wiederzubeleben. Zur Gewichtsreduktion.

Solingen, Wald, Gräfrath und Höhscheid beschlossen um 1910 den Bau eines gemeinschaftlichen Krankenhauses, das 1915 eingeweiht wurde. Ohligs behielt ein eigenes Krankenhaus, die spätere Virchow-Klinik, heute Altersheim.

2,6 Mio Goldmark kostete dieses Krankenhaus. Es bestand aus 7 Gebäuden für Kranke mit  insgesamt 330 Betten und 3 Gebäuden für die Technik und Wirtschaft. 1927 wurde das Krankenhaus auf insgesamt 650 Betten erweitert.

Die Gesamtansicht kommt im Stil der damals so beliebten großprotzigen stadtteilgroßen Gebäude-Ensemble daher.


Ältere werden sich noch an den Horror der Besuchstage erinnern, als die "Erbschleicher" im Pulk das Gebäude stürmten. Sie mussten, wie in einem Gefängnis, vor vergitterten Toren warten, bis die Pförtner diese Punkt 2 Uhr nachmittags aufschlossen. Die Besuchszeit war begrenzt, um 4 Uhr hatten alle Besucher wieder das Gebäude zu verlassen. Und diese Besuche waren auf den Sonntag und einen Wochentag - Mittwoch - beschränkt.
Wer "zwischendurch" Kranke besuchen durfte, hätte dies lieber nicht tun müssen, weil diese Ausnahmen eigentlich immer nur den schlimmsten Fall ankündigten.
Und außerdem stank es im gesamten Gebäude "wie nach Krankenhaus". Ekelhaft.

 

Geradezu erotische Anmut strahlt die kokette Badenixe in dieser nüchternen Schwimmhalle aus: 25 x 10,5 m Wasserfläche mit einer größten Tiefe von 3,20 m für Springer und einem 80 Zentimeter flachen Teil für Nichtschwimmer.
Allerlei Dampf- und Reinigungsbäder samt Duschen und Bidets ergänzten diese Sport- und Sauberkeitsanstalt, dem sogar ein Inhalatorium angegliedert war.

 

Zwecks Sittenstrenge sind die vier Duschzellen für Damen im Keller mit durchgehenden Wänden abgeteilt

 

 

 

"... besonders noch unseren Solinger Heimatfreunden in Amerika zu danken für die fühlbare Hilfe, die sie unseren Heimen und dem Wohlfahrtsamt durch die Spenden von Kleidung, Wäsche, Schuhwerk und Lebensmitteln geleistet haben ..."
Wohlfahrt 1949