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Zünfte |
Die Welt von heute ist durch Globalisierung
gekennzeichnet, offenen Grenzen. Vor rund 700 Jahren begann das genaue
Gegenteil und prägt speziell die deutsche Mentalität, die deutsche
Wirtschaft und Politik, das Werden und Entstehen von Städten, Berufen, dem
Sozialwesen. Die Rede ist von Zünften, von Privilegien, von der
Landeshoheit und -herrschaft, von Restriktionen und Schutz, von Ehre,
Pathos und einem ideologischen Überbau, der zuweilen an Religion erinnert.
Die Rede ist vom Handwerk.
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Das Zunftwesen war keine willkürlich erfundene,
sondern vielmehr eine aus dem dringenden Bedürfnis in den einzelnen
Städten entsprungene Einrichtung. (Entstehungszeit etwa 11. - 13.
Jahrhundert). Im Mittelalter, wo die schwache, zerklüftete staatliche
Macht zum vollen Schutze aller Interessen des Einzelnen noch nicht
ausreichte, war eine befriedigende und gesicherte Existenz nur in der
Genossenschaft möglich.
Daher die vielen in jener Zeitperiode entstandenen
Einigungen, in alten Urkunden aus dem 13. Jahrhundert geschrieben. Als
das Gewerbe sich namentlich mit Beihilfe des Zunftwesens aus der
Unfreiheit emporgerungen und im Zusammenwirken mit dem ursprünglich
freien Handel die bisherige Monarchie der reinen Naturalwirtschaft
gestürzt hatte.
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Die Entstehung der deutschen Zünfte im 11. - 12.
Jahrhundert beruht keineswegs auf der Grundlage der altrömischen
Zunfteinrichtungen oder der im 10. Jahrhundert in Italien entstandenen
Zünfte, sondern vielmehr einzig und allein auf den beiden Grundelementen
des germanischen Volkes, nämlich auf der Familien-Verbindung und auf der
Wehrhaftigkeit.
Das nach dem Vorbild der altgermanischen
Familieidee gestaltete Verhältnis des Meisters und seiner Familie zum
Gesellen und Lehrling betraf nicht bloß die Unterweisung im Handwerk,
sondern auch die häusliche Erziehung seiner Gesellen und Lehrlinge als
Hauptaufgabe des Meisters. Auch fürs leibliche und geistige Wohl seine
Leute hatte er zu sorgen, denn auch sie bildeten vom Zeitpunkt ihrer
Aufnahme in sein Haus nunmehr einen Teil seiner Gilde im engeren Sinne.
Die Gesellen und Lehrlinge mussten ledig sein, solange sie im Hause des
Meisters lebten. Durften keine Nacht außerhalb verbringen. Vor dem
Zapfenstreich mussten sie zu Hause sein. Sie durften sich nicht betrinken
und nicht um Geld spielen. Dagegen wurden sie vom Meister in allen Fällen
von Krankheit, Armut oder anderweitiger Bedürftigkeit, wie die leiblichen
Angehörigen des Meisters, unterstützt.
Aus den älteren Zunft - Statuten
gab es einen schönen Spruch:
Hast du Gewalt - richte recht,
Gott is Herr - du bis Knecht,
Richte nicht nach Eines Mannes Klage -
Höre zuvor, was der andere sage!
Alter Brauch
der Buchderuckerzunft:
Nach der Lehrzeit wird der Geselle
im Wasser getauft. Unfreiwillig natürlich.
"Gautschen" nennt man dies. |
Köln, ist die bedeutendste Stadt
Deutschlands im Mittelalter. Die älteste Vereinigung Kölner Handwerker
sind die Bettziechenweber urkundlich festgehalten 1149. Die Zunft der
Gewandschneider 1325 in Köln gehört zu dem neueren Gewerbe. Die Zunft der
Goldschmiede entstand 1178. Wer zu den Drechslern zählen wollte musste 12
Solidi, Lehrlinge 4 Solidi, und die nicht zu dem Beruf gehörten, mussten
24 Solidi zahlen. Das ist ein Zeichen dafür, das das Vereinswesen schon
damals recht ausgebildet war. Vom Jahr 1225 ist die Privilegierung der
Hutmacher überliefert. Die aus dem Jahre 1230 herrührenden Anordnungen
des Erzbischofs Heinrich für das Deutzer Wollenamt dient als Beweis für
die Existenz einer Kölner Wollenweberzunft. Die Deutzer Wollenweber
unterstehen dem Erzbischof, resp. dessen Stellvertreter in Deutz, dem
Schultheißen. In den Jahren 1247 - 48 herrührende Bestätigung der Zunft
der Maurer, Gipser, Zimmerleute, Böttcher und Wagner sind in eine Zunft
zusammengefasst. Es gab damals eine gemeinsame Zunftkasse. Die
Gewerbevorschriften sind ähnlich denen der Kürschner. Mit den
einlaufenden Geldern wurden die kirchlichen Ausgaben, teils die
Aufwendungen zu geselligen Zwecken, bestritten.
Etwas von Kölnischen Zünften ist noch geblieben ...
Prost. |
Meister. Und sonst nichts.
Meisterbrief eines Druckers
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Die Abschaffung des Meisterprivileges (großer
Befähigungsnachweis), in Teilen
seit kurzem verwirklicht, wurde von einer heftigen, aggressiven
Diskussion auf beiden Seiten begleitet. Denn der Meister als das Maß
aller Dinge - was Beruf, Können, Verantwortung und Stolz angeht - hat
sich tief in die Seele und die Wertewelt der Deutschen eingegraben.
Meisterlich, Meisterschaft, Meisterstück - wenn etwas gut, wenn etwas das
Beste sein soll, wird es mit dem Begriff Meister in Verbindung gebracht.
Selbst in pseudo-religiösen, gesellschfts-ethischen Logen - etwa den
Freimaurern - hat der Begriff des Meisters mystische Bedutung und wird
zum "Großmeister" stilisiert, zum Meister vom Stuhl. Dem
Handwerk attestiert - die Zeit nicht vorausahnend - das Sprichwort
Goldenen Boden, die Meistersinger jubeln nicht nur auf Opernbühnen.
Mancher meistert Situationen und sein Leben in guter Gesell(en)schaft,
meisterlich gesellig gewissermaßen. Obwohl das Leben selbst der größte
Lehrmeister ist. Und selbst auf Trödelmärkten kassiert
der Marktmeister die Gebühr. So zünftig geht es zu in Deutschland, wo die
Zünfte zwar nicht erfunden, aber - wie in vielen anderen Ländern Europas
- bis auf den heutigen Tag zelebriert (nicht nur vom Zeremonienmeister)
und präsentiert werden (vom Obermeister natürlich), so sie es denn
schaffen zu überleben, was für Meister-Qualität spricht, die bei Wurst,
Stahlwaren, Brot und handgenähten Schuhen auch heute noch angebracht ist.
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Dr. Wilhelm Vermeulen |
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"Als bei Erreichung der Altersgrenze der langjährige und verdienstvolle
Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Solingen, Herr Dr. Wilhelm
Vermeulen, von der Vollversammlung der Obermeister veabschiedet wurde,
erhielt er von dieser den Auftrag, die Geschichte der Kreishandwerkschaft
Solingen zu schreiben.
....
Gott segne das ehrbare Handwerk!"
Ludwig Ebbinghaus
Kreishandwerksmeister zu Solingen
Jahrgang - wie in Solinger Büchern üblich - nicht vermerkt; nach Indizien
um 1971; ebenso ohne weitere Druckvermerke |
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1312 Das Klingenhandwerk (Schleifer) wird
erwähnt; Graf Adolf von Berg verleiht den Schwertfegern ein Privileg
1401 Schwerthärter und -Schleifer erhalten
ein Zunftprivileg
1472 Schwertchmiedeprivileg
1487 Kreuz- und Knopfschmiedeprivileg
1571 Messermacher-Privileg
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Zünfte in Solingen:
Wappen und Zunftbilder:
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Solinger Innungs- und Handwerkskammer-Meister:
Max Strathmann 1908-09
Paul Dreher 1950-64
Ludwig Ebbinghaus ab 1964
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Grundlage der Zünfte und Privilegien, der Handwerke, sind
wahrscheinlich kirchliche Bruderschaften. Ausgangs des Mittelalters
nannten sich Zusammenschlüsse von Berufen auch Ambachten:
1453 Schumacher-Ambacht erhält Bergisches
Privileg
1594 Bestätigung des Metzgerzunft-Privileges
1721 Privileg für die Bierbrauer
1739 Errichtung der Bäckerzunft
1739 Schreinerzunft (Schnitzer), Druchsler
und Zimmerleute
1759 eine Schneiderzunft ist vorhanden
Das Hotel "Deutsches Haus" auf der Kölner Straße war Gaffel-Haus, d. h.
Zunft-Versammlungslokal
31. 3. 1809: in der französischen Besatzung
werden alle Zünfte aufgehoben; die Folge war "eine Zersplitterung des
Handwerkes und ein wilder Wettbewerb"
1840 in Solingen wird ein Gewerbegericht
gegründet; es ist sowohl für branchen- und industrie-interne
Streitigkeiten zuständig wie auch im Waren- und Außenverkehr
1. 2. 1851 Solingens Handwerker schließen
sich im "Solinger Handwerkerverein" zusammen; die Lithographen und
Buchdrucker waren nicht vertreten, sehr wohl aber die Buchbinder und
Portefeuiller.
Später, im preußischen Gewerberecht, entstehen
1889 auch in Solingen Innungen.
30. 4. 1906 gilt als Gründungstag des
Innungsausschusses Solingen, der seinerzeitigen Gesamtvertretung des
Solinger Handwerks (aufgelöst 1915)
1920 (und Folgezeit) Wiedergründung des
Innungsausschusses
Herausgabe einer eigenen Wochenzeitung "Handwerksmeister im Solinger
Industriebezirk" (Auflage ca. 2.000) - zuvor Bezug der "Handwerkszeitung
für das Bergische Land"
1926 Gründund der Innungskrankenkasse in
Solingen
1933 Nach der Machtübernahme durch die Nazis
wurde auch in Solingen die "Gleichschaltung" durchgeführt; das Handwerk
und seine Ordnung unterlag zahlreichen gravierenden diktatorischen
Änderungen, die auch unter anderem die Kalkulation und Preisgestaltung
betrafen; für Handwerker galt die Pflchtmitgliedschaft
1945 Direkt nach Kriegsende wurde die
Handwerkskammer handlungsfähig - und "entnazifiziert"
1952 wird das (noch heute existente) Gebäude
an der Heinstraße errichtet und bezogen - Hort des Solinger Handwerks
Heute wird das Handwerk durch die
Kreishandwerkerschaft vertreten.
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Ein Privileg besagt, dass nur Meister einer bestimmten geografischen
Herkunft (der Grafschaft), die am Ort Wohnrecht und -Pflicht haben, Waren
bestimmter Art herstellen und verkaufen dürfen. Mit anderen (neuen)
Worten: ein Kartell.
Im Gegensatz zu heute waren jedoch Qualität und Güte von Waren in der
Vergangenheit wirklich vom Können einzelner Menschen, eben den
Handwerkern abhängig. Um einen Standard zu halten, bedurfte es der
Erfahrung, Übung - und der Weitergabe von Kniffen, Tricks, Wissen. Weil
aber eben dieses Insiderwissen auch gleichzeitig (nach heutigem
Wortgebrauch USP, core business, top secret) ein Unterscheidungsmerkmal
war, wurde es gehütet und nur an Menschen weitergegeben, die für dieses
Wissen und Erbe einen Obulus bezahlen mussten: den der Unterwerfung unter
ein strenges Zunftrecht.
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Klappern gehört zum Handwerk.
Jammern auch. |
Ausgabe der Wochenzeitung
"Handwerksmeister im Solinger Industriebezirk" zum Jaheswechsel 1929/30:
"Wirtschaft in Not! so gellt's durch die Lande.
Die Zeit ist gekommen, da es gilt,
das nackte Leben zu retten!" Jahreswechsel 1930/31:
"Heute heißt es nicht mehr: Wirtschaft in Not,
sondern Wirtschaft in Todesnot!" Zitat aus dem Jahre
1930: "Wir wissen und haben auch immer darauf
hingeweisen, daß der handwerkerstand ... übersetzt ist und daß viele
selbständige Betriebe verschwinden müssen, damit der verbleibende Teil
gesund wird. Wer aber, wie wir, Tag für Tag dieses erschütternde Sterben
des Handwerks ... miterleben muß, der weiß, wie viele menschliche Tragik
dieser Gesundungsprozess mit sich bringt."
"Deutsche
Hand dem Handwerk". Na ja. 1933 an der Kasinostraße 20 zu lesen, der
damaligen Geschäftsstelle des Handwerksamtes. |
Der Unterschied zwischen Industrie und Handwerk
Industrie: die Produktion als Mittel der
Kapitalvermehrung und des Profits
Handwerk: Arbeit als Existenzgrundlage,
Beruf als Lebensinhalt
Industrie: Qualität durch Organisation,
Forschung, Rechte, Vertriebswege usw.
Handwerk: Qualität durch Können und Fleiß
Industrie: Anpassung an Märkte und Schaffung
von Bedarf und Absatz
Handwerk: Bedienung und Service für das
Wohn- und Arbeitsumfeld, die Lebensführung und das "tägliche Leben"
Industrie: Produktionsmittel Maschine +
Material + Mensch
Handwerk: Produktionsmittel Mensch +
Material + Werkzeug
Industrie: Streben nach Wachstum
Handwerk: Streben nach Solidität
Industrie: Globalisierung
Handwerk: Lokale Stärken
Industrie: Anpassung
Handwerk: Konstanz
(Quelle: hgw)
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Huch, das Haus kennt man doch? Heute FDP-"Zentrale" in Solingen, von 1944
bis 1952 Geschäftsstelle der Handwerkinnung auf der Kölner Straße 10.
Etwas nördlich davon, etwa dort, wo heute das (leerstehende)
Verwaltungsgebäude des Omega-Werkes ist, stand die IHK, in deren Räumen
die Handwerker ebenfalls residierten - und zwar durchaus fürstlich. |
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