Schule Zweigstraße / Hauptschule Brühl

Eine Schule mit Vergangenheit und eine, die einiges Experimentales hinter sich hat. Unter anderem den "Aufbauzug", eine Realschule, deren Idee dem Reformgeist der späten 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts entsprach. Im Rückblick kann man sogar sagen: damals hat Schule richtig Spaß gemacht (oder ist das die Verklärung des Alters?)

 

1900 gegründet, erlebte dieses Gebäude eine wechselvolle Schulgeschichte. Einst beherbergte es getrennte Knaben- und Mädchen-Schulen und zu mancher Zeit auch unter einem Dach "Förderschulen" entgegengesetzter Richtung: eine mit Anspruch auf intensiviertes Lernen und die andere als mildes Auffangbecken für Lernschwache. Wehe dem, der die Türen verwechselte ...

 

Für mich ist diese Schule "die" Schule schlechthin: meine Mutter war dort, ich, meine Frau, meine besten Freunde ... und übrigens viele, die es später in Solingen durchaus "zu etwas gebracht haben".

Die handgeschriebene Chronik, das offizielle Tagebuch der Schule.

 

1. September (1900)
An diesem Tage siedelten die Kinder der alten evangelischen Schule zu Brühl zu dem neu errichteten Schulgebäude an der Zweigstraße über. Bei dieser Gelegenheit hielt de königl. Kreisschulinspektor Herr Schulrat Dr. Geis eine Ansprache an die Schüler der I. Klasse, in welcher er dieselben zum Fleiß, zu einem gesitteten Betragen und zur Reinhaltung der -???- und des Schulgebäudes, das das schönste Schulgebäude in Solingen ist, ermahnte.

 

War lange Zeit Rektor des Aufbauzuges und später Oberbürgermeister in Solingen: Gerd Kaimer.

 

Publikation zum Jubiläum, leider ohne jegliches Impressum; aus den damals üblichen "Finanzierungs-Insertionen" ist jedoch abzuleiten: Satz und Druck B. Boll, Lithos Contius, Wald; Gestaltung: Graphiker Westfal (der Vater des heutigen Geschäftsführers der Handwerkskammer).

Die legendäre Laienspielgruppe des Aufbauzuges Zweigstraße unter Leitung von Wilhelm Bramann (ohne h), dem wir als Schüler dreierlei verdanken: erstens tiefen Einblick in deutsche Literatur, zweitens die Fähigkeit, korrekt schreiben zu können und drittens das Wissen um mindestens 1.000 Geschichtszahlen, die sich nicht alle präsent erhalten haben, aber ein Verständnis dafür liefern, dass die Cherusker nicht unter Bismarck mit den Phoeniziern um die Herrschaft in England gekämpft haben können, denn 633 vor, nee, 315 nach, oder doch 411, oder war es 215 vor, oder ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit dieser Aufführung erreichte die Schule Zweigstraße ihren kulturellen Höhepunkt. Und ganz ohne Ironie: eine legendäre Insezenierung, die in der Tat einige weitere kreative Karrieren gefördert hat und als Initialzündung mach anderer Aktivität wurde.


 

Berufswünsche 1964: "Einstieg" in Karrieren - oder der Anfang gescheiterter Träume? Jedenfalls haben es viele "Aufbauzügler" aller Experimentalklassen zu auch in der Öffentlichkeit beachteten Positionen gebracht: Landtagsabgeordneter, Stadtdirektor, Amts- und Ressortleiter, Chefredakteur, Unternehmerin, Therapeut, Bankdirektor, Designerin - also summa summarum: Lernen lohnt.

 

So sahen Zeugnisse 1934 an der Mädchenschule Zweigstraße aus.

 

 

Schülerinnen. 62 Jahre später.

 

 Foto: Doro Siewert, ST