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Bürgerkrieg in Solingen |
Teil 2: Medien-Berichte
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Der einen Trauer, der anderen Ehre: Die
Fachzeitschrift "MediumMagazin" zeigt in der Ausgabe 6 / 93 dieses
"dpa-Bild des Monats".
(dpa = Deutsche Presse-Agentur)
Fotograf: Franz Peter Tschauner, Dortmund |
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Vorverurteilung als Titelstory: Nahe dem Niveau der
Bild-Zeitung versuchte Focus, seinen Kampf um #1-Magazin durch solche Art
der Stimmungsmache zu gewinnen - außerhalb der Basis journalistischer
Zurückhaltung.
Die Brandstiftung von Solingen war ein Mord, denn
wer immer wie dieses Feuer gelegt hat, wollte Menschen damit töten oder
nahm es billigend in Kauf. Doch auch angesichts der zuvor geschehenen
Brand-Morde in Lübeck und Mölln stand keineswegs "Deutschland" in
Flammen. Im Gegenteil: die Medien verhinderten mit ihrer Sensationslust,
dass die Politik - unterstellt, sie wollte es und nichts spricht dagegen,
dass sie es getan hätte - in geordneter Art und Weise geeignete
Gegenmaßnahmen ergreifen konnte. Doch nach diesem Anschlag in Solingen
passierte etwas, was nur in der historischen Rückschau wirklich klar
wird: Die Medien begannen, die Politik vor sich her zu treiben und
übernahmen spätestens in diesen Tagen die Meinungsmacht im Lande. Was bis
heute so geblieben ist.
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Reproduktion als Dokumentation der Titelseite des Focus 23/93 |
Foto: retill, René Tillmann, Fotograf des Solinger
Tageblatts
Dieses "Foto der Woche", veröffentlicht im Focus
23/93, belegt, wie sehr der Mordanschlag weder in der Öffentlichkeit noch
durch die betroffenen Hinterbliebenen selbst als ein im eigentlichen
Sinne "persönliches Drama" gewertet wurde: Die Symbolik, durch geradezu
erschreckend überdimensionale Fahnen angefacht und die Einhüllung der
Särge in die türkische Fahne machte den übermächtigen politischen Willen
deutlich, der in diesen Tagen - egal durch wen, egal warum - das Land
beherrschte: die Tat eines vielleicht einzelnen oder einiger weniger
Jugendlichen wurde in den Rang eines Völkerkrieges gehoben. Keiner, der
je die Morde gut heißen und die Trauer der Hinterbliebenen klein reden
wollte oder würde: doch wenn dieser fünffache Mord ein Land an den Rand
seines Selbstverständnisses bringt, was muss dann das Schweigen seit dem
und immer noch bedeuten, das in diesem und anderen Ländern längst üblich
ist, obwohl seit dem hunderte von Kriegen mit Abermillionen Toten geführt
wurden - und die in den Nachrichten allenfalls in der Routine von
Börsenbereichten erwähnt werden?
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Wie leicht es sich Menschen machen, die die Situation nicht verstehen
können, zeigt die Fahne, deren Herkunft nicht bekannt ist:
"Durch die Entscheidung der Deutschen Regierung und
seiner Ausländerpolitik ist die Brandstiftung in Solingen zustande
gekommen. Durch dieses Ereig-[nis] werde ich meine Kinder morgen nicht in
die Schule schicken." |
Ausschnitt-Reproduktion als Dokumentation eines Fotos
der Seiten 8+9 in Focus 23/93 |
"Auge um Auge, Zahn um Zahn". Davor, dass Türken
den Deutschen "mit gleicher Münze heimzahlen" könnten, hatte Deutschland
damals Angst. Und: die Türken (die?, alle?, wahrscheinlich: sehr viele)
hatten damals Angst, auch der Solinger Anschlag könne das Glied in einer
sich fortsetzenden Kette sein. Deshalb war selbst der Focus der Meinung,
den Tod im und durch Feuer könne man in Trauer und Wut nur durch ein
"Gegenfeuer" ertragen: Symbolische Verbrennungen - viele solcher Feuer
gab es seinerzeit in Solingen - wurden von den Redakteuren als
"Entschlossenheit" gewertet.
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Kernpunkt der ("fremden"-) politischen Debatte war
übrigens 1993 die doppelte Staatsbürgerschaft, die von denen, die nicht
in Deutschland geboren oder ausländische Eltern hatten, aber hier leben
wollten, gefordert und von der deutschen Politik als "Schleuse zur
unkontrollierten Einwanderung" gefürchtet wurde.
Reproduktion als Dokumentation eines Fotos der Seite 18
in Focus 23/93 |
Focus-Chefredakteur Helmut Markwort, der sich auch
heute noch gerne als Gralswächter der Fakten und der Wahrheit sieht
("Fakten, Fakten, Fakten") scheute seinerzeit nicht davor zurück,
Bild-Text-Lügen zu tolerieren. Keinem, der Solingen kennt, ist eine
solche Szenerie (Eisenbahnbrücke mit Strommasten und dazu
charakteristische Häuser) in der Solinger Innenstadt bekannt - wo immer
auch das Bild entstand, die Bildlegende lügt. Durch die Solinger
Innenstadt führt keine Bahnstrecke, schon gar keine elektrifizierte. Der
Focus verlässt seine eigene Maxime. Statt Fakten polemische Fälschung.
Zugegeben: geschickt im Bild kombiniert. Aber dennoch: Hier haben die
Redakteure die gleiche Frechheit wie Politiker: sie polemisieren, statt
zu informieren.
Reproduktion als Dokumentation eines Fotos der Seiten
18 +19 in Focus 23/93 |
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Und noch eine "Jagdtrophähe" präsentieren in dieser
Ausgabe die Journalisten von Focus: die Tatverdächtigen mit vollem
Vornamen und Anfangsbuchstaben des Nachnamens, Alter und einigen
charakteristischen Details (in dieser Reproduktion geschwärzt).
Heute, nach Ereignissen wie in Erfurt
(Gutenberg-Gymnasium) oder Bad Reichenhall (Schüler erschießt Passanten,
Schwester und sich selbst) wissen wir: nicht wir, der Staat, die
Gesellschaft, haben diese Kinder und Jugendlichen anzuklagen. Deren Taten
klagen uns an: was haben wir versäumt, um es zu verhindern?
Reproduktion als Dokumentation eines Fotos der Seite 19
in Focus 23/93 |
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Die Mörder - nie wurde bis heute zweifelsfrei und
ohne Widerspruch festgestellt, ob sie es waren oder nicht - gefunden zu
haben, war der Durchbruch zur Befreiung aus der Angst, die sich über
Deutschland gelegt hatte. Man konnte Ursachen nennen, die wie Erklärungen
klangen und nichts anderes waren als der hilflose Versuch zu erklären,
was keiner Erklärung bedarf. Wer mordet und zu töten beabsichtigt, darf
sich auf keinen Grund berufen können. Und umgekehrt: Wir haben zur
Kenntnis zu nehmen, dass es Motive für Taten gibt, die wir nicht wollen
und dennoch offensichtlich nicht verhindern können. |
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Vollends in den Reich der Fabulierungen geriet der
Focus ("Fakten, Fakten, Fakten") mit Sätzen wie "Nazi-Parolen haben die
Gewalttäter in Solingen oft genug geschrieen". Sorry, ich lebe in Solingen,
ich bin nicht taub, kann sein, dass ich immer am falschen Ort war, ich
habe sie nicht "oft" gehört. "Treffpunkt von Skins und Hooligans: das
Bärenloch in Solingen" [eine öffentliche Grünanlage]: Sorry: dort habe
ich über 10 Jahre einen Garten gehabt, ich habe diesen Ort, an dem ich
oft war und den ich kannte, nicht als solchen ausmachen können. (Was
nicht heißt, dass sie sich dort, ob regelmäßig oder gelegentlich, trafen.
Aber hätte es die Brandtat nicht gegeben, wenn sie sich woanders
getroffen hätten?) Auch habe ich, mehr als Nazi-Geschrei und
Hooligan-Randale, in Kneipen und an Stammtischen Parolen gehört, die
wiederzugeben wirklich Fremdenhetze und Ausländerhass wäre. Der Mainzer
Psychotherapeut Julian Blielicki äußert sich im Focus: "Typisch für
solche [gewalttätigen, "mordenden" Kinder wie der Haupttatverdächtige und
später Verurteilte] ist, dass sie ohne väterliche Autorität und
emotionale Bindung aufwachsen. Das Kind entwickelt panische Angst. Die
Angst versteckt einen wahnsinnigen Hass." Ich persönlich habe Angst vor
solchen Vor- und Allgemeinurteilen, die mich an die Aussagen früherer
Reiche erinnern: Alle X, für X setze man beliebige Völker, Nationen,
Religionen und Kulturen ein, sind so und so und müssen deshalb ... siehe
Geschichtsbuch.
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Verfassungsschutz-Chef Werthebach im Focus: "Die Tat und
der abgrundtiefe Ausländerhass der Täten sprechen für Terror von rechts."
"Unterhalb der Gewaltschwelle verzeichnen wir gut 30.000 Links- und mehr
als 40.000 Rechtsextreme." "Der innere Friede ist erheblich belastet.
Aber ich bin sicher, dass die Wehrhaftigkeit unseres freiheitlichen
Rechtsstaats auch mit dieser Herausforderung fertig wird." |
Was viele Solinger Bürger damals wie auch heute, da
es sich wiederholt, wütend und traurig zugleich macht (hatten wir diese
Motive nicht schon einmal in einem der oberen Bilder?), ist die verbale
Rabiatheit sensationsfixierter Journalisten, die politischen Haltungen
oder Entscheidungen Einzelner als Beweis heranzuziehen, die ganze Stadt
sei so etwas wie ein "Nazi-Nest" und maure gegen alle, die wohltätig um
Aufklärung bemüht seien. Das beleidigt und diskriminiert viele
Kommunalpolitiker und unzählige Bürger dieser Stadt, die sich ernsthaft
und ausdauernd im Rahmen ihrer Möglichkeit seit Jahren bemühen, den
Brandanschlag eine Ausnahme, wenn auch eine schreckliche, bleiben zu
lassen.
Reproduktion als Dokumentation der Seite 166 in
Stern 26/93 |
Oft
genug wurde in der seriösen Presse, von vielen Verbänden oder aus
Parteikreisen (nach dem Brandanschlag) laut und deutlich, exakt und mit
konkreten Orten oder Ereignissen auf eine "in Solingen existente rechte
Szene" aufmerksam gemacht, von der immer wieder gesagt wurde, "dass die
offizielle Seite" [gemeint ist vor allem "Staat" und Verwaltung] "sie
nicht wahrnimmt oder wahrnehmen bzw. wahrhaben will". Dies blieb, so viel
ich weiß, unbestritten. Und: es ist schlimm genug. Dennoch der ganzen
Stadt, "den Solingern" deshalb eine solche Haltung zu unterstellen, ist
ein unbrauchbarer Weg, einer notwendigen Lösung dieses damaligen und
möglicherweise auch heute noch existierenden Problems gerecht zu werden.
Nicht, um es zu entschuldigen, sondern um die Dimension der
(Un-)Möglichkeiten, Rechtsradikalismus wirklich zu verhindern zu
verdeutlichen: Gibt es denn einen Staat auf dieser Welt, der nicht von
diesen Phänomenen geplagt oder zumindest tangiert ist?
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Mit besonderer Lust, so scheint es, hat man sich in
einen Bauunternehmer verbissen, von dem der Stern (Ausgabe 25/93)
schreibt, dass er "die braune Vergangenheit ins rechte Licht zu
rücken" sich bemüht. Seine Äußerungen belegen, dass er eine andere
Ansicht kundtat, als sie "Allgemeingut" waren und Fakt ist deshalb, dass
wohl ,so gut wie alle' Solinger nicht seiner Meinung sind, wenn er über
die Waffen-SS und Kriegsgeschehnisse urteilt und redet. Aber die Worte
eines einzelnen, wenn auch nach Ansicht der Stern-Journalisten Gerd
Elendt und Werner Schmitz "einflussreichen" Mannes als das Credo einer
ganzen Stadt zu unterstellen ("In Solingen stört das nur wenige") das
nenne ich, selbst Journalist, "Sensationsjournalismus übler Sorte".
Aber man hat sich ja heute daran gewöhnt. 10 Jahre, nachdem die Presse
den Staat übernahm. Es ist gut und mehr als richtig, den "Finger in die
Wunde zu legen". Aber es ist journalistischer Missbrauch, wenn Tatsachen
mit Spekulationen so vermischt werden, dass "normale Leser" nicht mehr zu
unterscheiden wissen.
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Das Solinger Tageblatt am 1. Juni 93, Seite 3:
"Seit 1990 rollt über Deutschland eine Welle rechtsextremer Gewalt gegen
Ausländer. Die Spur führt mit ihren erschütternsten Anschlägen von
Hoyerswerda über Hünxe, Rostock und Mölln nach Solingen. Allein 1992
zählten die Behörden insgesamt 2285 Gewalttaten von meist jungen Menschen
aus dem rechten Spektrum. Dabei wurden bislang 17 Menschen getötet und
viele verletzt."
Nimmt es da noch wunder, wenn sich nun in Solingen
seinerseits eine Hasslawine entlädt? "Einige hundert gewalttätige
Demonstranten sprengten die Kundgebung von 12.000 Menschen auf dem
Weyersbergplatz. Die Ausschreitungen gingen in der Innenstadt weiter und
wurden erst beendet, als die Polizei knapp 400 gewaltbereite
Demonstranten auf der Schlagbaumer Straße einkesselte", schreibt das ST
in der Titelstory vom 7. Juni 93.
Reproduktionen als Dokumentation der
ST-Titelseiten vom 1. und 7. Juni 03 sowie eines Bildes von Johannes Rau
in der Ausgabe vom 1. 6. 93. |
"by the way": In der Berichterstattung über die
Ereignisse ist das Solinger Tageblatt geradezu "über sich selbst
hinausgewachsen" und hat Objektivität, Fairness, Vielfalt und
Differenziertheit an den Tag gelegt, der während der atemberaubend
schnellen, sich überschlagenden Ereignisse seinerzeit wohl kaum von
jemanden gewürdigt wurde. Vielleicht war das ST das einzige, jedenfalls
eins der wenigen Medien, die die Ereignisse in ihrer gesamten Bandbreite
schilderten und trotz der Nähe und Betroffenheit eine journalistisch
saubere, professionelle Distanz bewahrten. Und dennoch konsequentes
Engagement zeigten und zeigen, dass Hass und Gewalt kein Lösungsweg sind.
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Bekannte
10 Jahre später, als Bundespräsident, dass er damals, Ministerpräsident
von Nordrhein-Westfalen, schier verzweifelt war und den Bettel hinwerfen
wollte: "Kann man mit Politik wirklich etwas erreichen?", quälten ihn
Zweifel. |
"Die Randalierer der letzten Nächte - gleich welcher
Nation - waren vorwiegend jung, fast noch Kinder. Frustration,
Überforderung sowie das Gefühl, nicht dazu zu gehören, verstärken die
Gewaltbereitschaft."
Dieses Bildunterschrift aus dem ST vom 5. Juni 93
ist aktueller denn je. Denn Gewalt findet auch in diesen Tagen statt.
"Vereinzelt und massiv" könnte man sagen: wir haben uns vielleicht schon
gewöhnt, dass mit einer nicht endenden Regelmäßigkeit über Morde und
Gewalttaten unter und durch Jugendliche berichtet wird. Hier mal eine
bestialischer Ritualmord, dort mal eine Schießerei in der Schule, dann
mal wieder "ganz normaler Terror" auf dem Schulhof oder
"Schutzgelderpressung", hunderttausende von Einbrüchen, abertausende
Unfällen mit betrunkenen, rasenden Führerschein-Neulingen - alles
Alltag, alles "seit Solingen". Die Appelle scheinen wie verhallt, wenn
sie denn überhaupt je eine Chance hatten, etwas zu bewirken. Die gleichen
elektronischen Medien, die sich so gerne über Gewalt aufregen und sie
vorverurteilen, sind auch diejenigen, die mit Vorliebe Schieß-,
Tötungs-, Explosions- und somit "Gewaltfilme" pausenlos im Angebot haben.
Deshalb noch einmal: Hätten sich alle Medien so
besonnen und suchend wie seinerzeit das Solinger Tageblatt mit den
Hintergründen beschäftigt, die Gesamtdebatte hätte einen wesentlich
anderen, nützlicheren Verlauf genommen.
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Reproduktionen als Dokumentation verschiedener
ST-Artikel von Anfang Juni 93. |
Aktion des ST: Aufkleber und Plakate für die (friedlichen)
Demonstrationen
Insertion, gemeinsam von etlichen Solinger Firmen,
basierend auf einem 98er CD-Titel der Kölner Band BAP.
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ST vom 3. Juni 1993:
"Vor allem die elektronischen Medien versuchen derzeit mit Macht,
Solingen
als das Zentrum der Rechtsradikalen zu brandmarken ...
Besonnene Stimmen wie die von Rita Süßmuth und anderen ... werden
geflissentlich überhört ...
Tatsache ist, dass bei der letzten Bundestagswahl
im Gesamtwahlbezirk Solingen / Remscheid die NPD 340 und die Republikaner
von 28 Bürgern gewählt wurden" - bei insgesamt über 200.000
Wahlberechtigten.
Reproduktionen als Dokumentation der Seite 16 vom
3. Juni 03; zitierte Texte von Wolfgang Schreiber und Hans-Peter Meurer
auf Seite 16 dieser Ausgabe. |
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"Dem Brandanschlag folgt der Überfall der Medien.
Hunderte von Fotoreportern, Fernsehteams und Redakteuren stürzen sich auf
die wenigen Zeugen. Jedes Gerücht geht live über den Sender, und jeder
will etwas gesehen haben. Die Folge: Solingen wird international zum
Nazi-Nest. Gegenwehr offenbar zwecklos."
"Mit dem Eintreffen weiterer Teams übernehmen die Medien die
Ermittlungen, Zeugen melden sich nicht bei der Kripo, sondern machen ihre
Aussage in die laufenden Kameras."
"Und dann sind da noch jene Medienvertreter, die ihre Nachrichten selbst
fabrizieren. Da werden Demonstranten ermutigt, mal eben lautstark
Krawallstimmung zu erzeugen, da sollen Kinder Fünfziger oder Hunderter
für ein bisschen Klatsch über Täter und Opfer bekommen."
"Die Preise für eine Drehgenehmigung vom Balkon oder ein paar Fakten über
das Leben von Täter und Opfern sind zu attraktiv: Ein
Exklusiv-Familienfoto des Täters ist auf dem Markt locker 30.000 Mark
wert."
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Vor allem aber war das Entsetzen über die Tat unter
Schülern (also die Generation der später Verurteilten) groß. Schüler
waren es vor allem, die bei den ersten und spontanen Demonstrationen zu
sehen gewesen waren, aber wegen der plündernden und feuerlegenden
Randalierern auf den Straßen und den lautstarken politisch-kulturellen
Gruppen vieler Couleur schnell aus dem Bewusstsein und den Medien
verschwanden.
Diese und andere Traueranzeigen werfen ein
Schlaglicht auf die tiefe Trauer, die in der Solinger Bevölkerung
herrschte. Um so mehr ist das, was die sensationsgeile Medienbande
seinerzeit mit der Stadt anrichtete, ein Fanal, das sich seinerseits
einreiht in Propagandaschlachten, die es gab und gibt, seit es und
solange Medien existieren. Der Verantwortung, die Medien tragen, werden
diese wahrlich nicht immer gerecht. Sie erliegen zuweilen der
Versuchung selbsternannter oder selbstempfundener Allmacht. Dabei
erfinden sie - im Effekt ähnlich oder gleich wie Propagandaabteilungen
kriegsführender Staaten - die Welt nach eigener Vorstellung, statt zu
finden, wie die Welt wirklich ist. Dass darunter eben nicht nur
"Schundblätter" und "Privatsender" sind, sondern auch das ZDF oder Focus
zählen, sollte man nie vergessen. |
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Todesanzeigen im ST vom 3.6.93 |
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