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Eisenland |
Auch wenn man "Kohle und Stahl" heute sofort mit dem
Begriff "Ruhrgebiet" und der dortigen "Montanindustrie" in Verbindung
bringt, so sind zumindest wichtige Grundpfeiler der deutschen
Eisenverarbeitung im Kernland des Bergischen gewesen. Hier waren die
Wurzeln und später die industriellen Höhepunkte der Eisenverarbeitung, im
wörtlichen Sinne zu Schwertern und Pflugscharen. Waffen und Werkzeuge,
Bestecke und Beschläge, Schlösser und Drähte - hergestellt wurde, was den
Menschen auf welche Weise auch immer von hohem Nutzen war. Bergische
Arbeit ist daher vor allem die der Umgang mit Feuer, Kraft und Eisen. |
Eines der profundesten Werke über das Kerngebiet
der typischen Bergischen Industrien im Großraum Solingen, Remscheid und
Wuppertal. Nicht vergessen werden darf, dass sich östlich davon - um
Iserlohn (das ja Eisen im Namen trägt) und Altena - ebenso eine sehr
vielfältige eisenbe- und verarbeitende Industrie ansiedelte (bekannt und
berühmt unter anderem durch Drahtziehereien) wie etwa die im Nordwesten
des Bergischen gelegene Velberter Schlüsselindustrie noch heute von
besonderer Bedeutung ist. |
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Siegfried Horstmann
Von bergischen Menschen und den Stätten ihrer Arbeit
Verlag Siegfried Horstmann, Remscheid
1971
Klischees: Friedrich Brockhaus, Wuppertal-Elberfeld
Druck: J. F. Ziegler KG, Remscheid
Buchbinderische Weiterverarbeitung: Butzon & Bercker, Kevelaer |
Feilenhauer roden während des Streiks Wälder, um den
Boden als Gartenland urbar zu machen. |
Von Solingen aus gesehen "Der Wilde Osten": Zwei
mal zum Ende des 19. Jahrhunderts streiken in Remscheid die Feilenhauer
für mehr soziale Gerechtigkeit. Mit der Folge, das Gegenteil erreicht zu
haben. Denn die Fabrikanten reagierten auf den Streik der Arbeitskräfte
mit Kauf und Installation von Maschinen. Spätestens um 1900 hatten dann
die Feilenhauer ihren ursprünglich handwerklichen Beruf endgültig
verloren und waren zu Maschinenbedienern degradiert. Ende einer
Handwerkstradition, die gut und gerne über ein Jahrtausend zurück reicht.
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Wir schreiben das Jahr 712. Sie streifen durch die
dichten Wälder des nachmaligen Bergischen, Sieger- und Sauerlandes. Und
hätten genau solche Holzstapel sehen können, die mit Erde bedeckt rund 5
Tage qualmten und dann die zum Schmelzen von Metallen, vor allem Eisen,
so notwendige Holzkohle lieferten. Mit der Folge, dass bereits um 1500
akute Holzknappheit herrschte und um 1800 und einige Jahrzehnte später
ganze riesige Landstriche Westdeutschlands entwäldert waren: Von der
Eifel über Westerwald bis tief ins Sauerland. Was wir heute sehen, sind
so gesehen "junge Wälder", alles Wiederaufforstungen. |
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In
solchen irdenen und tönernen Öfen, Rennfeuer genannt, wurde früher mit
Hilfe der Holzkohle das Erz geschmolzen. Erz aus dem Siegerland, Kohle
"vor der Tür", so entstand die Bergische Eisenindustrie.
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Vielleicht ist man gewillt, für einen ersten Moment
entzückt zu sein über dieses beschauliche Idyll: Der Kotten im Wald, am
Weiher, als Hort traulicher Heimeligkeit und unerschütterlicher
Mittelpunkt der Welt. Doch die Realität: es war ewig dunkel in den
Wäldern, und nasskalt, sehr feuchtkalt sogar. Im Winter war alles
zugefroren, keine Arbeit, kein Verdienst, kein Wasser zum Kochen oder
Waschen. Und Waschen: mühsame Arbeit am Teich. Kot und Lehm als
Trampelpfad, glitschig, schmal, gefährlich. Nur ein kleiner Kohlenofen in
den Wohnräumen, am Herdfeuer dagegen Höllenhitze. Und alle Schleifsteine
oder Ambosse und Geräte, alle Kohle und Eisen oder Roh- und Fertigware,
mussten zu Fuß, auf dem Buckel, mit kleinen hand oder zerbrechlichen
Pferdekarren herangeschafft werden. Garten, Felder - keine, oder nur ganz
kleine. Ein paar Hühner, vielleicht ein, zwei Schweine, eine Ziege, ein
Schaaf - oder deren zwei, drei. Das war der Vorrat für ein ganzes Jahr.
Für drei, vier, acht Kinder. Und ein Leben, das selten länger währte als
40, 50 Jahre. Und das Haus: es zerfiel wegen der Feuchtigkeit zusehends,
bedurfte der ewigen aufwendigen Pflege und Reparatur oder wurde zur
Bruchbude im wörtlichen Sinne.
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Erneut: kein Maler der Romantik hätte die Szene
skurril-eindringlicher, naiv-gefühlvoller gestalten können. Und doch
schauen wir in Gesichter, die nicht von Fröhlichkeit gekennzeichnet sind.
In eine Behausung, die kaum heimelig zu nennen ist. Auf eine Szene, die
surreal und unwirklich scheint und die durch die bemühte Anstrengung,
sich dem Fotograf im Sonntagskleid zu stellen, Hilflosigkeit ausstrahlt -
und damit postum Mitleid wecken kann.
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Auch wie aus einem Lehr- oder Musterbuch.
Aufgestellt wie die Orgelspiepen - man könnte eins jener bekannten
pesiflierenden Plakate daraus machen.
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Und warum Engels, der Sozialist, aus dem Bergischen
kommt, lässt sich bei solchen Motiven gut verstehen. |
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Ziemlich exakt das Jahr 1800 geben die nun
folgenden Karten wieder. Sie zeigen die Vielfalt des Hütten- und
Hammerwesens, die Arten der Mühlen und Materialien, die in diesem
Landstrich betrieben und bearbeitet wurden. Selbst einige kleinere, nicht
sonderlich ergiebige Bergwerke fand man zu jener Zeit.
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Eversmann, 1809 |
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Am Oberlauf der Wupper (Wipper), um Wipperfürth und
Hückeswagen (so die heutige Schreibweise) lagen bereits etliche
Hammerwerke und Mühlen. |
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Sie sind ohne Frage die fleißigsten Bäche im
gesamten Bergischen Land, was die Zahl der Wasserräder angeht, die sie
getrieben haben: der Morsbach und der Eschbach. Erster mündet bei
Müngsten in die Wupper, der andere bei Burg. Die
Ronsdorf-Cronenberger-Remscheider Werkzeugindustrie und ihre noch bis
heute prägende Metallindustrie fußen auf diesen teils über Jahrhunderte
betriebenen Werkstätten und Fabriken direkt an den unermüdlichen Bächen. |
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Der Bereich des heutigen Solinger Stadtgebietes
waren vor allem der Weinsberger Bach und die beiden Walder Bäche,
Lochbach und Itter Energielieferanten. |
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Mühlen, Hämmer, Kotten gab es in vielfältiger Form
im Bergischen. Eines war ihnen gemeinsam: das Wasserrad. Es war meist
groß und schwer, durch die ständige Nässe dem raschen Verfall
preisgegeben, alle gezimmerten Schütte und Leitungen und gemauerten und
gegrabenen Gräben und Rinnen und Kanäle erodierten extrem rasch - und in
den so ge- und verbauten Winkeln war es kalt, feucht, laut. |
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Auf dieser Aufnahme zur ahnungsvoll zu erkennen,
dass die Hammerwerke mit zwei Wasserrädern arbeiteten. Das erste,
kleinere, versteckt sich link neben der spirdeligen Tanne unter dem
Zulauf für das größere, rechte Rad. |
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Die beiden grundsätzlichen Wasserrad-Typen:
Das oberschlächtige (Wasser läuft in Kästen am Rad)
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... und das unterschlächtige, das Wasser strömt
unten gegen am Rad angebrachte Paddel. Treibt man nicht mit dem Rad
irgendwelche Werkzeuge an, sondern würde seine Achse mit einem Motor
treiben, dann könnte der Kotten wie ein Schaufelraddampfer davonschwimmen
... theoretisch, jedenfalls. |
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Was in der wärmeren Jahreszeit ja noch ein wenig
nach Romantik ausgesehen haben mag, wurde für die Arbeiter im Kotten im
Winter zum Alptraum: wochenlange Verdammnis zur Arbeitslosigkeit. Und
"gesünder", sprich stabiler, taute wohl keins der Räder aus dem Eispanzer
wieder auf. Also kam zu dem Stillstand auch noch der Schaden: das Rad
bedurfte arbeits- und kostenintensiver Pflege und Reparatur. |
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Angesichts solcher bizarrer Eiswelten am Wasserrad
ist vielleicht sogar der Begriff "Eishölle" erlaubt - Eishöhle klingt
fast viel zu harmlos. |
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Im Winter froren die Stauteiche, aus denen die
Wasserräder gespeist wurden. Da konnte man dann herrlich Schlittschuh
laufen, unter Umständen, doch der Kinder Freude war ihres Vaters Leid:
woher das Geld nehmen, wenn keine Arbeit möglich war? |
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Wenigsten ein Ausgleich für die Maläste des
Winters. |
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Treibeis auf Don und Wolga, auf großen Strömen wie
Rhein oder Donau - alles "ganz normal". Doch Treibeis auf dem Eschbach
oder, wie hier, Morsbach? Auch früher "ganz normal". |
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