Briefbogen

Gemeinhin das Aushängeschild einer Firma. Oft waren sie die einzigen Drucksachen, mit denen Lieferant und Kunde in Verbindung traten. Und so haben sie nicht selten die Funktion von Katalogen und Plakaten übernommen. Neben den zahlreichen "amtlichen" Angaben - Kommunikationsadressen - waren es vor allem die werblichen Zusätze, die Briefbogen in jeder Epoche zur eigentlich wichtigsten Drucksache im Unternehmen machten.

 

1942

Ein typischer Briefbogen, wie er in einer Setzerei / Druckerei entstand, wenn man nur das Manuskript einreichte. Dann war der Kunde immer von Lust und Laune und mehr noch vom Können des jeweiligen Setzers oder Prinzipalen (Druckereibesitzers) abhängig. Was die einen für gut hielten, stachelte andere zu herber Kritik an. Denn unter Setzern gilt: jeder ist der beste.

 

1948

Ein vornehmes Unternehmen: es ließ in Offsetdruck drucken - der feine Verlauf war gewissermaßen Status- und Standessymbol. So etwas konnte gewöhnlicher Buchdruck (Hochdruck, von Zinkklischees z.B.) in dieser Weichheit nicht oder nur unter extremen Aufwand hinbekommen.

Aufgedruckt oben rechts die Reichsbank-Nr.

 

1954

Farbe hält Einzug. Aber das Wuchtige der Briefköpfe bleibt. Interessant die Kommunikationsangaben: Was heute die Email, war früher der Fernschreiber und die SMS waren die Telegramm-Codes

 

1957

Der dominante Schriftzug ist ein optischer "Trick": er verdeckt das Wort "früher"; damit firmiert der SBV eigentlich unter einer längst nicht mehr existenten Bezeichnung - nur aus Marketing- und Imagegründen.

 

1957

Zwei Briefbogen aus dem gleichen Jahr: der obere ist eben noch Sparkasse im besten symbolischen Sinne: der Spargroschen als Markenzeichen. Und das "frühe Email", die Fernschreiber-Nummer stolz in einer dominanten Kopfzeile.

 

Das heute so bekannte und markante S für alle Sparkassen war noch nicht bekannt und so firmierte man unter einem eigenen Logo, einer modernen Mischung aus Grafik und Schrift, die für die 50er Jahre sehr typisch ist.

 

 

um 1935

WKC, ein Solinger Urgestein, noch heute existent. Zwischenzeitlich baute die Firma auch Fahrräder, Marke  Patria, deren übriggebliebene Reste oder Markenzeichen heute längst Kultwert haben. Die Verwaltung ist in Solingen übrigens im "WKC-Gebäude" untergebracht. Böse Zungen behaupten, hinsichtlich der Verwaltung sei das K überflüssig.

 

Lehrstunde in Gestaltung: erstens ist die Aufzählung im Blocksatz mustergültig gleichmäßig verteilt, zweitens gehören an die Zeilenenden keine Kommata. Wenn der Setzer das Tüpfelchen aufs i hätte machen wollen, müssten auch die Trennstriche (Divis) aus dem Blocksatz herausstehen.

 

 

Auf den wirklichen Wert der Ware macht Henckels auf dem Briefbogen aufmerksam, die geschmiedeten Klingen (im Gegensatz zu den geschlagenen Klingen aus Bandstahl). Der Briefbogen dürckt somit Klingenmacher-Arisokratie aus: wir gehören zur Oberklasse, sind - wie es im heutigen Marketing-Deutsch heißt - Benchmark.

 

 

um 1935

"Niederlage" bedeutet nichts Negatives, es war positiv, nämlich die Niederlassung, Filiale. Dieses damals typische Schriftstil "Egyptienne", eine serifenbetonte Linear-Antiqua, ist eine vielbenutzte Reklameschrift, die Technik symbolisiert. Und im übrigen ein gekonnter Umgang mit der zweiten Farbe Rot, optisch optimal eingesetzt.

 

um 1935

Dieser Briefbogen ist typische für eine stilistische Mischform. Einerseits schwingen im Firmenname noch die Schnörkel der Gründerzeit mit, auf der anderen Seite is strenge Bauhaus-Typografie angewandt. Mit Konzentration auf Versalien, Großbuchstaben, die das Lesen zwar erschweren, aber "amtlich" wirken.

 

1942

Sachlichkeit im Stil der späten 30er: die Futura gewinnt als Headline-Schrift allmählich die Oberhand. Nach wie vor war Blocksatz oberstes Gebot und als Ausschwung der Bauhaus-Ideen versuchte man noch alles in Formen zu fassen, die Rechtecken glichen -ersatzweise tat es auch die Mittelachse. Der freie Zeilenfall, Flattersatz, ist eigentlich erst nach dem WW2 massiv angewandt worden, sogar erst ab den 60er Jahren.

Druckerei Schreiber & Fey, April 1942, Auflage 2.000

 

Graphologen hätte ihre analytische Freude an der Unterschrift von C. Prinz jr., die den Konflikt zwischen Selbstbehauptung und Unterwürfigkeit verdeutlicht. Der Prokurist dagegen: gradlinig und bescheiden.

 

 

Eine noch heute existente Marke, aber nur bis kurz nach dem Krieg ein Fahrradhersteller: WKC. Die letzten Reste der Fahrräder, vor allem die Blech-Embleme, sind heute Kult.

Druckerei Nico Kimmel, Solingen,
Januar 1949, Auflage 5.000

 

Eine der bekannten Solinger Druckereien, die auch schon relativ früh Offsetmaschinen hatte, weil sie unter anderem auf Kartonagen spezialisiert war: Crl Hoffmann jr. auf der Eintrachtstraße.

In diesen Tagen beschwert sich der gesamte Rest des übrriggebliebenenen einst so stolzen grafischen Gewerbes, man würde Drucksachen kaum noch wertschätzen. Wie denn auch, wo doch Drucker schon immer offen ihren Kunden zeigten, wie teuer und nutzlos neudrucken ist. Lieber überdruckt man ein Telefonnummer, als den gesamten Briefbogen neu zu drucken. So spart man Papierkosten. Bravo, ihr Drucker, klug gemacht *):

 

*) Als Berater in der Druckindustrie habe ich mir immer einen Spaß daraus gemacht, die Drucker zu beobachten, auf welchen Notizzetteln sie schreiben. Entweder auf den Rückseiten von Makulaturen (Fehldrucken) oder - viele Druckereien haben eigene Notizblocks - auf deren Rückseite, damit das Aufgedruckte nicht stört. Nochmals: Bravo!

Postalische Zuverlässigkeit: Nirgendwo, auch nicht am Fuß des Briefbogens, ist die Firmenanschrift vermerkt. Telegramm- und Bahnadresse reichten vollkommen, die Firmen waren bei der Post alle bestens bekannt. Dafür listet das Unternehmen aber 9 Konten, unter anderem in Wien, Budapest und Zürich.

 

Nicht jeder war reich genug, sich Briefbogen drucken zu lassen. Oder geizig genug, nicht für alles und jedes Drucksachen zu verwenden. Der Arbeitgeberverband des oberen Kreises Solingen jedenfalls erledigte die Korrespondenz mit den ehrenamtlichen Kommissionsmitgliedern auf kostensparende Art und Weise: möglichst viele Blaupapier-Kopien auf dünnem Papier mit der Schreibmaschine.

 

 

Armut auch nach dem 2. Weltkrieg: Das Amtsgericht Solingen hat keine Briefumschläge und muss die Rückseiten von Formularen und Vordrucken für die Adressierung benutzen.