Typografische Veränderungen


So wie Mode ist auch Typografie, die Gestaltung von Drucksachen, ein Spiegelbild ihrer Zeit. Am Beispiel des führenden Solinger Medienhauses, B. Boll, Verlag des Solinger Tageblatts, lässt sich dies gut ablesen:

 

1954

Der Schriftzug ist zwar einer Handschrift (Feder) nachempfunden, insgesamt aber "modernisiert"; der Briefkopf drückt viel Selbstbewusstsein aus, auch durch die ausschließliche Verwendung von Versalien (Großbuchstaben)

 

 

1954

Die Rechnung aus der Zeitungsabteilung dominiert ebenfalls durch den Schriftzug als Markenzeichen und ahmt den Zeitungskopf nach. Typisch für diese Zeit ist die Verwendung von Linien (Kästen) für Rechnungsnummern.

 

Und: während die "werbliche" = gewerbliche Druckerei sich Farbe erlaubt, wird der schnöden Buchhaltung nur ein Schwarzweiß gegönnt. Immerhin auf farbigem Papier.

 

 

1961

"Rationalisierung" ist angesagt; alles "Verschwenderische" wird minimiert. Das Spielen mit dem Zeilenfall (unterhalb des Firmennamens) ist typisch für die Periode.

 

 

Man ahnt die Vorläufer der EDV: irgendwie sieht dieses Blatt nach (für damalige Zeit hochmoderne) Buchungsmaschine aus. Der Schriftzug ist zwar noch "altdeutsch", aber offen (= leichter) und die rennenden Boten nehmen voraus, was 40 Jahre später in den Medien Prinzip geworden ist: Schnelligkeit ist alles.

 

1994

Vielfalt hält Einzug. Typisch sind diese "Aufzählungslisten" für die Periode, weil einzelne Begriffe ("Zeitung", "Druckerei") nicht mehr den Kern (das core-business) eines Unternehmens und seiner Leistungen treffen.

 

 

heute

So präsentiert sich heute das Medienhaus B. Boll im Internet:

Drucken ist zwar noch "angesagt", aber das Internet und andere Medien werden mehr und mehr zum Maß aller Dinge.

 



     


Schon immer - seit es denn die "Kunst der Typographie" (siehe Schwitters) gab, haben sich Menschen mit ihr auseinander gesetzt und sie positiv gewürdigt. Satz, also die Gestaltung von Worten = Schrift in der Fläche ist nicht banal und nebensächlich. Sie ist, was das bekannte Sprichwort über die Menschen sagt: "Wie Du kommst gegangen, so wirst Du auch empfangen"


"Typographie braucht Schrift" — Max Caflish
"Schrift braucht Typographie" — Prof. Wilberg
"Gesegnet sei, wer die Schrift erfand" — Jean Paul
"Des Lebens eigentlichen Anfang macht die Schrift" — Friedrich von Schiller
"Wer kein Auge hat für die Schrift, kann auch den Satz nicht würdigen" — Jessen
"Typographie kann unter Umständen Kunst sein." — Kurt Schwitters

 

 

 

Typographie ist aber – wie alle anderen gestaltenden Künste auch – in erster Linie Zeitgeist. Sie drückt den Geschmack der Zeit aus und überhöht die Elemente ähnlich wie oftmals die Architektur.

 

Erinnert an Arabesken, ein wenig noch an die Buchmalerei des Mittelalters, ist zwar schon strenge Form – aber dennoch auch verspielt.

 

 
 

 

 

Die strenge Form des Jugendstils, der in Fortsetzung der geometrischen Grundideen dann im Bauhaus seinen Höhepunkt fand. Zwei geradezu klassische Gestaltungen für diese Ära vor rund 100 Jahren.