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Jugend tanzt

Ich möchte schon gerne mal wissen, wie viele Ehen diese Veranstaltung gestiftet hat. Von etlichen weiß ich es. Damals, so ab 1964, Discos waren noch arg knapp - und im wilden Ruf - ging man, tanzschulen-gedrillt, zum Tanztee, zum Ball, zur gesittet-gesellschaftlichen Tanzveranstaltung, die vom Jugendamt - namentlich Walter Rex - ins Leben gerufen wurde und über viele, viele Jahre eine feste Institution in Solingen war. Ich hatte das Glück und das Vergnügen, sie über Jahre "ansagen" und organisieren zu dürfen. Damals nannte man das Conferencier, nicht Moderator oder gar DJ. Denn die Musik war echt, live und verdammt gut.

 

Es war die Zeit, wo Komiker wie Heinz Erhard oder Peter Frankenfeld hoch im Kurs standen. Als Conferencier musste man sich diesem Trend anpassen und so waren mehr oder weniger lustige oder gequälte Zwischeneinlagen notwendig, um dem Zeitstil zu entsprechen. Geprobt wurde live - beim Auftritt. "Härteste Schule", würde man heute sagen, denn entweder gab's Beifall oder Buhrufe. So lernte man schnell, was man tun oder besser lassen sollte. Was immer ankam und für so manche Veranstaltung rettend war, ist Situationskomik (heute nennt man es sit-com), nämlich aus Pannen oder Unzulänglichkeiten heraus die Sitaution zu retten. Mehr als einmal musste ich raus auf die Bühne, ohne Text, ohne Vorbereitung, und fünf oder zehn Minuten überbrücken, nur weil hinter den Kulissen etwas noch nicht fertig war. Die Herren Musiker ließen sich ihre Zeit. Der Conferencier schwitze sich derweilen das dritte Hemd durch. In der Garderobe lagen stets ein Badetuch, Deo und frisch gebügelte Ersatzhemden bereit. Und wurden stets gebraucht.

 

Walter Rex. Diesem Mann verdankt die Stadt die Jugend-tanzt-Reihe. Er machte es mir Engagement und Geschick möglich. Das Budget war so klein, dass es sogar heute noch von der Stadt zu tragen wäre. Der Rest war ehrenamtliches Engagement und Improvisationstalent bei allen Beteiligten.

Auf den Brettern, die so manchem (ich schließe mich gern ein) die Welt bedeuten oder bedeuteten. Theater, Theater ... das ganze Leben ist Theater.

 

Ca. 1966

 

 

 

Er hatte über zwei, drei Jahre vor mir Jugend tanz jeweils vier Stunden lang auf den Beinen gehalten: Max Waluga. Seine Tanzschule war für junge Solinger geradezu Pflicht. Hier lernte man dreierlei: tanzen, sich (einigermaßen) zu benehmen - und nette Partner vom jeweils anderen Geschlecht. Es durfte gekichert, getuschelt und kokettiert werden. 

 

 

Ärmel hoch - oder runter, denn gleich geht's los bei der Karnevals-Veranstaltung von Jugend tanzt. Bis zu 1.600 Jugendliche drängten sich dann in den Konzertsaal, Foyer und Kammermusiksaal. Besoffen war kaum jemand. Bier und Wein waren schlichtweg zu teuer für damaliges Taschengeld.

 
     

Jugendball: Vorentscheidung (heute würde man sagen: Casting) für eine Show-Endrunde; in der Ohligser Festhalle, auch das Fernsehen ist dabei.

Rekord: 34 Bands in zwei Tagen durchschleusen - jede hat natürlich Sonderwünsche, und trotzdem auf die Minute pünktlich zu sein. Ich glaube, noch nie wollten mich so viele auf einmal ermorden wie an diesen beiden Tagen, wenn ich nach 20 Minuten Probe- und Vorspielzeit gedroht habe, den Stecker zu ziehen.

 

 

 

 

Immer vier Bands mussten ihr Equipment auf der Bühne unterbringen. Und durften dann zwanzig Minuten spielen, sie selbst bestimmten, ab wann gewertet wurde. Dann Abbau und neuer Aufbau der nächsten vier. In weniger als einer Stunde. Das ging wirklich nur mit eiserner Disziplin, die damals alle Band aufbrachten. Zweifelsfälle wurden relativ einfach entschieden: Das Wort des Veranstalters war Gesetz, wer sich nicht dran hielt, wurde vom Wettbewerb ausgeschlossen. So einfach war das. Glücklicherweise war ich beauftragt, das letzte Wort zu haben. Ich hätte nämlich nicht in der Haut der Bands sein wollen, die geschwitzt haben wir S..., um alles "just in time" zu schaffen. Vor allem, zu siegen.

 

Damals hoch im Kurs: the Silhouettes

 

 

 

 

 

Detail am Bühnen-Rande: dutzende Eimer standen bereit, in denen das Publikum die Stimmkarten werfen konnte. Denn, ganz Basisdemokratie, sowohl die Zuhörer wie eine fachkundige Jury entschieden gemeinsam in der Ohligser Festhalle, wer in die Entausscheidung einzog.

 

Die echten, wirklich wahren Lonestars, Solingens Boygroup #1 für alle Teens der "den hätt' meine Mutter gern als Schwiegersohn"-Ära bei einem Auftritt mit Trompeter und Sänger Peter Beil.

 

 

Sie wollte keine Schokolade, sondern lieber einen Mann. Trude Herr singt, nein: rockt mit den Lonestars - und die Post ging ab bei diesem quadratischen Energiebündel. Für alle, die sie jemals gesehen und erlebt haben, gilt, was sie später einmal sang: Niemand geht wirklich so ganz.


 

 

Anders dagegen Solingens Schlagerstern der 70er aus Schweden: Britt Malmkjell. Sie trällerte hinreißend zwischen hot und cool.

 

 

Irgendwann Anfang der 70er: Klamauk pur. Bis 22 Uhr. Dann ging man noch ein Bier trinken. Höchstens zwei. Das wars. Ach, waren wir brav. Glauben Sie's? Erinnerungen trügen !

 

 

 

 

 

 

 

Kein Geld; kommt einem irgendwie bekannt vor. 1982 schon vom Jugendamt organisierte Geldbeschaffungs-Maßnahmen. Ungeheuerlich.