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Kotten 2 |
Solingen war in Deutschland nicht die einzige
Schwerterschmiede. In Passau und Köln waren vor der Blüte Solingens viele
Handwerker dieser Zunft zu Gange. Doch die Qualität der Solinger
Erzeugnisse konnte sich durchsetzen. Seit rund 1000 Jahren existiert diese
Weltruhm begründende Kunst - und ist heute faktisch ausgestorben.
Waffenhandwerker waren ehedem auf jeder Burg anzutreffen, aber nur hier in
Solingen wurde die Fabrikation so gut organisiert und durch Konkurrenz auf
engstem Raum und eine sehr strenge Zunft gefördert und zugleich geschützt.
In anderen Ländern sind beispielsweise Toledo (E) und Bergamo (I)
Schwertschmieden, Sheffield hat der späteren Besteckindustrie Solingens
starke Konkurrenz gemacht. Kern aller Solinger Klingenindustrie ist der
Kotten, die kleine Werkstatt direkt am Haus oder ein größeres
Gebäude, in dem viele Handwerker gemeinsam arbeitet. Und der Mittelpunkt
eines solchen Kottens war immer das Wasserrad, die Energieversorgung. Denn
ohne Wasser konnte man nicht arbeiten. Ohne Schnaps übrigens auch nicht.
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Solingen wurde unter anderem deswegen weltberühmt,
weil es mit Köln einen exzellenten Handelsplatz direkt vor der Haustür
hatte. Solinger Schwerter wurden auf dem Kölner Markt gehandelt.
1922
Buchdruckerei Paul Gehly, Köln
Zeichnungen "nach der Natur aufgenommen von Artur Uellendahl, Solingen"
Aus Kölner Akten geht hervor, dass um 1400 in
Solingen "Plyssmoelen" arbeiten, was wohl mit Pliesten, dem letzten
Feinschliff für Klingen, übersetzt werden darf. 1482 erlaubt eine
Ratsverordnung den Kölnern Handwerkern, jeweils bis zu 3 Schleifmühlen im
Bergischen zu nutzen.
Das Buch nennt noch einen Grund für den Aufschwung
Solingens: Auf dem Stadtgebiet waren mehrere Ritter ansässig; sie alle
suchten, Menschen anzusiedeln, die Handwerk trieben, um durch Einzug von
Abgaben oder Pacht resp. Privilegien ihr Rittertum finanzieren zu können. |
Der Begriff Kotten für die Schleifmühlen taucht übrigens erst um 1600 auf
(Kotten ist ursprünglich die Bezeichnung für eine Bauernkate). Und egal,
was, wie und wo man arbeitet, der Solinger sagt immer noch "ech jang
ennen Kotten tem arbëiden". |
Wassermühlen sind uralt. Schon in früher römischer
Zeit nutzten Handwerker die Kraft des Wassergefälles, um Räder
anzutreiben. Ob Korn zu mahlen, Wasser zu schöpfen. Aber erst
Übersetzungen konnten Schleifsteine drehen - robuste Holzkonstruktionen
machten die Nutzung langsam drehender Wasserräder für schneller laufende
Werkzeuge möglich. Es gibt die Vermutung, dass im Solinger Kreis die
ersten Wasserkotten (vor 1327) am Muhrbach nahe Balken bei Leichlingen
errichtet wurden und erst später unmittelbar an der Wupper.
Der Erfolg der Solingen Industrie hing vor allem
davon ab, dass die Wupper auf der Strecke zwischen Sonnborn (wo sie nach
südlich zur östlichen Solinger Stadtgrenze abbiegt) bis zur Südwestecke
von Solingen bei Leichlingen, wo sie in den flachen Rheingraben übergeht,
immerhin 150 Höhenmeter verliert und daher kraftvoll fließt bzw. gut
gestaut werden kann.
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Diese "Charte vom Ambte Solingen 1715" von H. Ph.
Ploennies zeigt die ungefähre Lage von Ortschaften und Kotten. Sie wird
von Heimatforschern oft als Grundlage herangezogen, hat aber
nachgewiesenermaßen etliche Ungenauigkeiten; nicht nur die Lage (sie ist
nicht streng geografisch gezeichnet, sondern nach dem Maß der Laufzeit)
kann differieren, ganz offensichtlich snd auch die Namen nach bloßem
Gehör (was des öfteren heißt: missverstanden) vermerkt. Aber immerhin
sieht sie den tapferen Schmied als Helden vor - so gehörte es sich
damals. |
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Das Dreieck Gräfrath—Wald—Solingen
mit den vielen kleinen Hofschaften oder Einzelgehöften bzw. Kotten. In
der oberen Erläuterung sieht man deutlich das Symbol □ Slipkot, also
Schleifkotten. Man entdeckt sie recht leicht an den verschiedenen
Bachläufen. |
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Hier besondern deutlich zu sehen, wie "fleißig"
einige Bäche sind, unter anderem der Weinsberger oder Weinsbergtaler
Bach. An seinen Ufern bin ich aufgewachsen, ist es da ein Wunder, wenn er
schon immer zu den herausragenden gehörte :-)
Er mündet an einer schönsten noch verbliebenen Hofschaften, Wipperaue (in
der Karte: Wiepen), in die Wupper. Links daneben ist Hassemühl,
Haasenmühle und Olimöl (Oli-Möl), Ölmühle zu erkennen, südlich davon
Neßelroth, Nesselrath. Für Solinger ist es kurios zu erkennen, wie viele
der heute noch erhaltenen Namen hier geschrieben wurden. |
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Der Wipper Kotten ist der einzige, der uns Heutigen
in einigermaßen originaler Form erhalten geblieben ist
– ein unschätzbar wertvolles Kleinod. Das er nicht in Watte gepackt wird,
sondern noch als Arbeitskotten bzw. Atelier benutzt und bewohnt wird,
macht ihn doppelt wertvoll. Fotos von heute würden kaum ein anderes Sujet
zeigen als auf dieser Zeichnung aus dem Jahre 1922 |
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Noch heute ist die Szene unverändert ....
... nämlich so, wie es früher schon war. |
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1605 wird der Wipperkotten zum ersten Mal urkundlich genannt, 1715 findet
man ihn auf einer Karte.
1783 vernichtet ein Feuer den Kotten (und das Dorf Wipperaue).
1859 erhält der Zulauf zum Wasserrad seine heutige Gestalt.
1954 ziehen Hans-Karl und Lotte Rodenkirchen als Künstlerehepaar (Wohnung
und Atelier) dort ein und halten damit das Schmuckstück lebendig.
Auf dem Bild deren Tocher Viola Rodenkirchen mit Fotos aus alter Zeit.
ST vom 1. Juni 2005
Foto: Chr. Beier |
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Scherenschleifermeister Knecht bei der Arbeit.
Herrlich die Details: Rechts hängt die Joppe am Haken, daneben (oben
mittig) eine Pliestscheibe. |
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Nur selten gehörte ein Kotten einer einzelnen Person oder Familie.
Meistens hatten mehrere Personen (unterschiedliche) Anteile. Eine frühe
Form der Eigentümergemeinschaft, wie sie heute bei Wohngebäuden nicht
unüblich ist und die aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach auch
damals für handfesten Streit sorgte. Für größere Kotten galt, dass die
Arbeiter unter Umständen einen längeren (und zum Teil durch die
Unvollkommenheit der bergigen Wege beschwerlichen) Weg von und zur Arbeit
in Kauf nehmen mussten, denn kaum einer oder eben nur wenige wohnten
"nebenan". Die Lehrzeit betrug damals durchaus sieben oder acht Jahre; in
der Fremde zu arbeiten oder das Wissen nach außen zu tragen war streng
verboten. |
Der Hohlenpuhler Kotten ist heute nicht mehr
existent. Der Blick geht auf Westen zu, im HIntergrund ist der Wipperauer
Doppelkotten zu sehen. Der Hohlenpuhler Weg zwischen Wipperaue und Rüden
/ Friedrichstal ist heute ein beliebter Spazierweg, auch für Radfahrer,
Jogger, Hundeausführer. Der Bereich des ehemaligen Hohlenpuhler Kottens
ist heute ein wertvolles kleines Biotop.
Der Wipperkotten vom Bereich des Hohlenpuhler Biotops aus gesehen. |
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Der Friedrichstaler Kotten ist noch existent.
In der Wupper wurden früher viele Fische und z. B. auch Aaale gefangen.
Die Obergräben, dort wo das Wasser auf das Rad zufließt, bot sich eine
gute Gelegenheit dazu. Die Färber in Wuppertal und die zunehmende
Industrialisierung machten jedoch im Laufe der Zeit die Wupper, neben der
Emscher, zum "totesten" Fluss Deutschlands. Inzwischen hat sich die
Wasserqualität stark verbessert, es werden wieder Forellen gesichtet;
Optimisten hoffen auf eine Rückkehr der Lachse. |
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Eine absolut Unsitte - aus heutiger Sicht - was das
Fangen von Singvögel. Nicht, dass sie in Käfigen bei der Arbeit
vorgesungen hätten. Die Vögel wurden gegrillt und verspeist. Amseln und
Nachtigallen. Die vor allem. In solcher Zahl, dass sie im Bergischen
auszusterben drohten. Was heute barbarisch klingt, war damals erstens
normal, zweitens aus der Armut heraus verständlich und drittens ist ein
heutiges Massenzüchtungs-Käfighuhn keineswegs besser behandelt als
seinerzeit der flatternde Piepmatz. |
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Der Obenfriedrichstaler Kotten. Im Vordergrund die
gesetzlich soziale Einrichtung, dat Driethüsken. |
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Die Kraftübertrag vom Wasserrad an den Schleifstein
war simpel und robust konstruiert. Dennoch brachte das Ganze nur enige PS
auf die Scheibe. Das Holz war anfällig gegen Bruch und musste zuweilen
ausgetauscht werden. Die Wassermenge war der eigentlichte Regulator für
die Geschwindigkeit oder die Anzahl der Schleifsteine, die man an eine
solche Antriebswelle hängen konnte. Im Inneren der Kotten wurden die
Umdrehungen per sogenannter Transmissionsriemen von Rad zu Rad
weitergegeben. Wenn ein solcher riss und man ihn an den Kopf bekam, war
die Schicht gelaufen. Für Monate oder für immer. |
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Die "Blaumühle", der Obenrüdener Kotten. Mit der
Solinger Symbolfigur, der Lewerfrau. Wir Kulturbürger lächeln weise, wenn
wir Afrikanerinnen Wasser in Behältern auf dem Kopf kilometerweit
schleppen sehen. In Solingen war es vor einigen Jahrzehnten nicht anders.
Nur trug man statt Wasser Stahlwaren. Aber ansonsten wie in Afrika ... ! |
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Nach altem Brauch enthält ein "Gedrag" 306 Klingen. 300 zu berechnende,
abzuliefernde und 6 zur Berechnung bzw. "Beweissicherung" notwendige
Muster der jeweiligen Partie. |
Alte Solinger Weisheit: "Man kann röhig dumm sinn,
man mott sech nur to hölpen wiëten." Wo keine Brücke
ist, baut man sich eben eine aus abgenutzten Mühlsteinen. Wie hier am
Balkhauser Kotten. Der (hintere) äußere Kotten wurden Anfang der 50er
Jahre d. vorigen Jahrhh. wegen eines Straßenbaus abgerissen, der innere
brannte ab und wurde als Museum neu aufgebaut und ist heute Museum.
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Kotten wurden früher auch als Schleifmühlen
bezeichnet, wie diese alte Werbung zeigt. |
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