Kriegslust 2

Eine gewagte These, aber möglicherweise nicht zu widerlegen: Kriege entstehen, weil die jeweils jüngere Generation vergisst, was ein Krieg für jeden einzelnen Betroffenen bedeutet. Mit erschreckender Regelmäßigkeit wiederholen sich - auch und gerade heute, im Zeitalter der globalen Information - Kriege, die persönliches Leid unvorstellbaren Ausmaßes bedeuten. Doch die Hurra-Schreie, die wir bei den Altvorderen vielleicht noch für unaufgeklärten Sentimentalismus halten können, sind in den modernen Medien ebenso präsent wie in den jeweils tonangebenden Medien der Vergangenheit

 

Die aktuelle Berichterstattung

Up to date zu sein, wie wir es heute ausdrücken, ist kein Verlangen des Fernseh- und Internet-Zeitalters. Auch die heute scheinbar betulich erscheinenden Printmedien haben mit Sonderausgaben die Aktualität schon immer zu nutzen gewusst. Und zwar auf allen Ebenen, in allen Belangen, in jedem Detail. Drucken ist zwar auch, ohne jede Frage, eine Kulturleistung und ein Medium des Schöngeistigen. Es ist aber auch, ebenfalls ohne jede Frage, ein Weg, um die vollkommen natürliche, "angeborene", in keiner Art und Weise verdammungswürdige Sensationsgier der Menschen zu befrieden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Druck: B. Boll, Solingen

Aus der Website des "Kriegsteilnehmers" CNN im Irak-Krieg 2003. Perfekte Chronik bis ins jedes Detail.

Selbst die Bildsprache ist identisch, wenn man die jeweiligen technischen Möglichkeiten und den zu der jeweiligen Zeit herrschenden allgemeinen Illustrations-Stil objektiv miteinander in Beziehung setzt.

 

Erhaben und ehrenvoll

ist es, für das Vaterland zu sterben. Da weiß man ja, was man zu tun hat und den Angehörigen ist eine schwere Last genommen - klingt das nun bis zur Grenze der Erträglichkeit zynisch oder etwa absolut gewöhnlichen und "modern"? Letzteres! Denn so gut wie jeden Tag erreichen uns Meldungen über Selbstmordattentäter im Konflikt Israel-Palestina bzw. in ähnlichen dem moslemischen (und andernorts christlichen)  Fanatismus zuzurechnende Konfliktherde. Die Selbstmörder, die möglichst viele andere mit in den Tod reißen, werden verehrt und als Helden gefeiert. Das war in den Kriegen Deutschlands und seiner Vorgängerstaaten so und das ist heute in den Guerillakriegen nicht anders. Der willentliche Tod auf dem Schlachtfeld oder für eine im eigenen Bewusstsein ehrenvolle Sache und Anschauung ist ein Phänomen, das die Menschheit begleitet - um nicht zu sagen, kennzeichnet.

 

Im ersten Weltkrieg standen ca. 65 Mio Soldaten, davon 13,2 Mio Deutsche, unter Waffen und 8,5 Mio starben. 21 Mio Soldaten wurden verwundet, wahrscheinlich die meisten von ihnen mit lebenslangen Folgen bis zur Invalidität. 7,8 Mio gerieten in Gefangenschaft oder wurden vermisst.

Über die Zahl der zivilen Opfer gibt es keine verlässliche Schätzungen, da indirekte Kriegsfolgen - Hunger und Mangelernährung, mangelnde Hygiene, fehlende Gesundheitsversorgung und viele andere Faktoren - nicht zu den Todesursachen in Folge Kriegseinwirkungen zählen (sie es gleichwohl aber sind).

Null Unterschied zwischen dem ersten Weltkrieg, in dem sich die Deutschen anfangs als Sieger glaubten und dem Irak-Krieg, der für die Amerikaner, so wollten es uns die Kriegstreiber Präsident Bush und der Falke Donald Rumsfeld, "Verteidigungs"-MInister der USA, weismachen ein müheloser Spaziergang wäre, da alle Iraker nur darauf warten, von Saddam Hussein befreit zu werden. Und so brauchte man eben Heroes, Helden, um zu beweisen, wie liebend gern der Untertan als solcher sein Leben fürs Vaterland hergibt und Mut bis in den letzten Atemzug beweist. Perversion ohne Ende.

 

 

Live und in Farbe

Stündlich, minütlich versorgt uns heute vor allem das Fernsehen und das Internet mit dem Kriegszustand. Live-Berichterstattung ist geradezu Pflicht. Die Versessenheit, zu jeder Minute alles zu wissen, ist eine Manie.

Und was den Inhalt der Nachrichten angeht: da ist natürlich die berichtende Nation stets der Sieger. Journalisten anderer Staaten berichten übereinstimmend, so gelogen und betrogen wie in diesem Irak-Krieg 2003 hätte bislang keine Regierung, die von sich behauptet, demokratisch zu sein. Vasall CNN, inzwischen längst die wirksamste Propagandamaschine der USA, jubelt gewissermaßen bei jedem Raketenabschuss in den höchsten Tönen.

Und wo bleibt da, rein gestisch, der Unterschied von Bush zu Sahhif?

 

Einige Absurditäten aus dem Propagandakrieg und den vollmundigen Verkündigungen

Die neuen "intelligenten" Waffensysteme ermöglichen eine zielgerichtete Bombardierung mit einer Genauigkeit von bis zu zwei Metern. Dumm nur, daß zehn Prozent der Bomben zielverwirrte Irrläufer sind, so die US-Streitkräfte an anderer Stelle. Es kommt noch schlimmer, mindestens fünf der 700 von US-Schiffen abgefeuerten Raketen trafen nicht einmal den Irak, sondern schlugen im Iran, in der Türkei oder in Saudi-Arabien ein.

Irakische Einheiten ergeben sich massenweise. Und das schon am 21. März. Lt. Colonel Tim Collins gibt sich bereits siegessicher und prophezeit: "Noch vier Tage, dann stehen wir in Bagdad!" Es sollte dann doch noch etwas länger dauern. Am 23. März wird vorsorglich schon mal vom britischen Verteidigungsminister Hoon verkündet, dass die Alliierten schon am nächsten Tag Bagdad erreichen könnten. Ein wenig voreilig. Erst die Meldungen am 2. April, die Soldaten stünden an einer Front 80, an anderer 30 Kilometer vor der irakischen Hauptstadt, scheinen zu stimmen. Der erwartete und immer wieder beschworene harte Widerstand in mehreren Ringen um Bagdad hingegen scheint nicht mehr recht zu funktionieren.

Die Halbinsel Fau, die Hafenstadt Umm Kasr und die südliche Metropole Basra wurden im Verlauf den Krieges nahezu täglich als von den Briten eingenommen und unter Kontrolle gebracht gemeldet. Fast täglich musste dann auch zu begrenzten Rebellionen und massenhaftem Widerstand Stellung genommen werden.

Peter Arnett, Reporter-"Held" des ersten Golfkriegs bei CNN, wurde von seinem jüngsten Arbeitgeber NBC gefeuert. In einem Interview mit einem arabischen Sender, meinte der Bagdad-Reporter, dass die ursprüngliche US-Strategie zu einer schnellen Eroberung des Iraks gescheitert sei. Auf Druck der US-Regierung entließ NBC den feigen Verräter.

Was die ganze Propaganda nicht verhindern konnte, dummerweise gerade weil die Militärs sich Journalisten als "embedded Reporter" in die eigenen Reihen geholt haben, sind die Meldungen über die eigenen - tödlichen - Fehler.

Zwei britische US-Hubschrauber stießen zusammen, sechs britische, ein US-Soldat kommen ums Leben. Ein britisches Flugzeug wird von einer US-Rakete abgeschossen, weil die Freund-Feind-Kennungen der beiden Streitkräfte nicht korrekt aufeinander abgestimmt sind. Zwei Soldaten sterben. Bis zu dreißig US-Soldaten sollen am 27. März Nahe Nasirija durch eigenen Beschuß ums Leben gekommen sein, wie ITV meldet.

 

Lügen-Ali Mohammed Al Sahhaf (irakischer Informationsminister, auch "Baghdad Bob" genannt) war wohl noch der Ehrlichste in diesem Krieg:

Am 24. März wird im irakischen Fernsehen ein Bauer präsentiert, der mit einer alten Flinte einen US-Apache-Helikopter abgeschossen haben soll. Wohl die absurdeste Propaganda-Lüge des Irakischen Informationsministers.

Nach der Eroberung des Sadam International Airports am 3. April, die ohne großen Widerstand erfolgte, meldete der Irakische Informationsminister Sajid el Sahhaf: "Die Söldner sind nicht in der Nähe der Hauptstadt, der Kampf geht weiter. Wir werden ihnen die Lektion erteilen, die sie verdient haben." Am nächsten Tag wird es noch gruseliger: Mit der Einnahme des Flughafens seien die US-Soldaten in eine Falle getappt, sie seien vollständig umzingelt und isoliert. Am Besten sei es, sich zu ergeben. "Die Amerikaner haben keine Chance, da lebend herauszukommen."

Kurz vor dem Einmarsch auf einer der letzten der täglichen Pressekonferenzen heißt es dann noch aus dem Mund von Sajid el Sahhaf: "Die amerikanischen Söldner haben damit begonnen, vor den Mauern Bagdads Selbstmord zu begehen. Wir schlachten ganze Gruppen von ihnen ab."

Die heutigen Meldungen können wir dank des internationalen Journalismus und einer Meinungsvielfalt im Internet ziemlich verlässlich auf Wahrheitsgehalt prüfen. Diese Möglichkeit bestand vor knapp 100 Jahren nur in einem eingeschränkten Umfang.

Zwar gab es Zeitungen aller politischen Richtungen, doch eigene Reporter am Ort des Geschehens waren eher die Ausnahme. Und insofern war die Bevölkerung mehr oder weniger ausschließlich auf die amtlichen Verlautbarungen angewiesen. Was Militär und Regierung schon damals weidlich zu nutzen wussten.

Doch weder die Drohungen, wie wir sie in der Jetztzeit erleben mussten noch Lügen über die wirkliche Gefechtslage sind wirklich neu. Schon im ersten Weltkrieg berichteten auch seriöse Medien in reißerischer Manier darüber.