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Kriegslust |
Möchten Sie gerne freiwillig sterben? Was heute wie
Schwachsinn klingt, war in gar nicht so ferner Vergangenheit normal. In
den Tod gehen für das Vaterland. Und Krieg war ein Schicksal, dass manche
Generation vor uns mehrfach im Leben erleiden musste.
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Schicksal
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Solingen war eine Waffenstadt. Der viel gepriesene
Weltruf basiert auf der Herstellung von Waffen, ursprünglich Schwertern,
auch Degen, Bajonette, Dolche - und andere Kriegs- und Mordinstrumente.
Die "zivile Variante", Messer zum Kochen und Bestecke zum gepflegten
Tafeln, später Rasierklingen "für den gepflegten Mann" ist löblich,
hilfreich und absatzfördernd, vertuscht aber, dass all dieses Know-how
eben auf der Waffenproduktion fußt. In Burg beispielsweise wurden über
Jahrhunderte viel gerühmte Gewehrläufe gezogen, sicherlich nicht nur für
Jägerflinten und für den Einsatz als Gnadenakt beim finalen Fangschuss.
Auch als sich hier etliche Industriebetriebe, Gießereien, Hammerwerke und
dergleichen, im Zuge der allgemeinen Industrialisierung ansiedelten,
haben nicht wenige davon Rüstungsgegenstände, Waffen direkt oder indirekt
hergestellt. Beispielsweise und unter anderem durch Zulieferung für
Panzer, Flugzeugmotoren, Bajonette usw. Die Tatsache, dass etliche Firmen
in zum Teil größerem Umfang so genannte Zwangsarbeiter während des 2.
Weltkrieges einsetzten, beweist, wie wichtig diese Produktion dem Dritten
Reich war. Und wichtig war vor allem, was dem Kriegsführen diente. Dass
Solingen dann schließlich gezielt zerstört wurde, vor allem auch seine
Rüstungsfabriken, ist daher kein Zufall. Die Opfer sind, wie immer in
Kriegen, vor allem die Unschuldigen.
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Am 4. und 5. November 1944 wurde Solingen von der
amerikanischen und englischen Luftwaffe bombardiert und strategische
Ziele plus der gesamte Kern-Innenstadtbereich ausgelöscht. Ein
Augenzeuge, Dr. Ernst Kirschbaum, erinnert sich. Das (PDF-)Manuskriptes
seines Vortrages gehalten 1975 über die Bombardierung:
Dokumentation der ARD im Internet, geschrieben von
Schülern der Solinger Albert-Lange-Schule:
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Peter Hahn
1722-1792
Schmied aus Limminghoven, trat mit anderen Solingern während der
Schlesischen Kriege aus Begeisterung für Friedrich den Großen in das
preußische Heer ein. Das Gedicht von Karl Simrock wird auf ihn bezogen.
Die Figur des "Tapferen Schmiedes von Solingen"
wurde im Laufe der Zeit zu einer Legende und muss sich noch bis Anfang
des vorigen Jahrhunderts als vorbildlich eingeprägt haben.
Man kann heute nur noch den Kopf schütteln über
diese Kriegsbegeisterung, die ja wohl offensichtlich mal in diesem
deutschen Volk verbreitet gewesen sein muss.
Text aus "Solingen, die alte Klingenstadt",
Universum-Verlagsanstalt Berlin, um 1935 |
Zu Solingen sprach ein Schmied bei jedem Bajonette,
Das seinem Fleiß geriet: "Ach, daß der Fritz es hätte!"
Wenn er die Zeitung las von seinem Lieblingshelden,
Da schien ihm schlecht der Spaß, nicht lauter Sieg zu melden.
Einst aber hatt' es sich viel anders zugetragen:
Da hieß es, Friedrich sei bei Kolin geschlagen.
Der Schmied betroffen rief:
"Hier muß geholfen werden,
Sonst geht die Sache schief!"
Und riß den Schurz zur Erden.
Ihm waren Weib und Kind wohl auch ans Herz gewachsen;
Doch lief er hin geschwind zu Friedrichs Heer nach Sachsen.
Und eh' man sich's versah, begann die Schlacht zu tosen:
Mit Seydlitz schlug er da bei Roßbach die Franzosen.
Das deucht ihm nicht genug, viel schlimmre Freinde dräuten,
Er ließ nicht ab und schlug mit Ziehten noch bei Leuthen.
Da ging es herrlich her: Zu ganzen Bataillonen
Ergab sich Östreichs Heer mit Fahnen und Kanonen.
Und somit wär vollbracht, gedacht er, meine Sendung:
Es nimmt nach solcher Schlacht von selber andre Wendung.
Mit Urlaub kehrt er um, für Weib und Kind zu sorgen,
Und hämmerte sich krumm vom Abend oft zum Morgen.
Der Krieg ging seinen Gang, man schlug noch viele Schlachten
Die oft ihm angst und bang in seiner Seele machten.
Als endlich Friede war: "Fritz" rief er,"laß dich küssen!
Ich hätte dir fürwahr sonst wieder helfen müssen."
Karl Simrock. |
Bronzerelief: gegossen von Erich Jansen; Privatbesitz |
Angesichts solcher damals ernstgemeinter
Motivations-Sprüche nicht in Ironie zu verfallen, fällt ungemein schwer.
Wenn Karl Müller aus Solingen hier den Lauf in den Tod mit "frohe
Ostern!" goutiert, kann man ihm nur wünschen, an seine eigene
Auferstehung geglaubt zu haben. Und den Soldaten diesen Text "Das Leben
ist der Güter höchstes nicht!" zuzumuten, ist eine Perversität, die nicht
mehr zu toppen ist.
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8.2.16
Meine Lieben!
Habe nun ein zweites Notizbuch, wie Onkel Carl mir schon von Tückmantel
hat zukommen lassen. Es kostete M. 2,- und trägt die N° 2400.
Es wäre mir lieb, wenn ich dasselbe nochmal bekommen könnte. Im Voraus
herl. Dank nebst vielen herzl. Grüssen
Euer dankb. Neffe u. Vetter Karl
(adressiert an
Familie Carl Müller
Solingen (Rhld)
Wernerstr. 14)
Graph. Kunstanstalt
Trau & Schwab, Dresden |
O heiliger Bimbam
Da hat man Armin den Cherusker wohl aus dem Sarg
ausgebuddelt und als Wachsfigur nach Mähren (heute Teschechei)
ausgeliehen: Schade, dass es noch keine Postkarte mit Tonmodul gab,
sicherlich wäre ein tausendfaches "Hurrah!" zu hören gewesen. |
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Verlag: Emil Hinkelmann, Mährisch-Trübau
versendet wahrscheinlich um 1910 |
Realität |
Sterben wurde heroisiert, weil es in seinem vollen
Elend nicht zu ertragen gewesen wäre. Ein besonders makabres gedrucktes
Dokument ist die Verlustliste, die im Krieg 1870/71 gegen Frankreich fast
täglich herausgegeben wurde. Bemerkenswert, dass von der dort angewandten
nüchternen, statistisch anmutenden Sprache bis in die Formulierungen aus
jüngster Zeit ("Kolateralschäden") die Ideologie gleichgeblieben ist:
Krieg ist notwendig, sterben ist persönliches Pech.
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Als wärs ein Kinderspiel übten hier die in Ohligs
versammelten Krieger das Sterben. Erst gerade mal hundert Jahre sind
solch martialische Heldentaten her und man kann kaum nachvollziehen,
wieso man sich, angesichts ohnehin oft genug geschehender Kriege mit
ihren verheerenden Auswirkungen, auch noch zu einem berigschen
Kriegerverbandsfest traf. Aber eben, es war auch die Zeit, da man mit
Streit - und eben Krieg - die Welt zu gestalten versuchte. Eine Welt, von
der wir heute profitieren. Alles hat eben zwei Seiten.
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Solingen und die Unschuld
Mann kann sich die Erinnerung schön reden und immer
nur von hoher Handwerkskunst berichten. Es ist wahr, die Solinger waren
fleißig und qualitätsbewusst. Es ist aber auch wahr, sie stellten
Tötungswaffen her. Der Erfolg der Klingenstadt beruht nicht darauf, schon
immer Essbestecke hergestellt zu haben oder Scheren. Die richtigen
Exportschlager und Industriemotoren waren die Waffen. Denn Krieg war
immer und so war es ein Geschäft mit fortlaufendem Investitionsbedarf.
Zahlreiche eisenverarbeitenden Betriebe auf Solinger Gebiet haben bis in
die jüngere Vergangenheit Waffen oder Teile für die Rüstungsindustrie
hergestellt. Auch heute werden hier noch Messer gefertigt, deren Sinn
nicht darin liegt, Brotschnitten mit Marmelade zu bestreichen. Dass erst
jüngst eine Messerserie unter dem Gedanken des "Lifestyle" nach dem
Maschinengewehr-Konstrukteur Kalashnikov benannt wurde, mag nicht nur ein
makabrer Marketing-Ausrutscher gewesen sein. Solingen hat schon immer an
Morden und Töten Geld verdient. Es sei denn, auch der Erfinder der
Atombombe sei völlig überrascht worden, was man mit solch einem Ding
Schreckliches machen kann ... |
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