Das Müngstorama:


Müngstener Brücke 3

Diese Brücke hat schon immer ihren Reiz ausgeübt - auf Maler, Fotografen, Postkartenhersteller. Kein Motiv in Solingen ist so zahlreich variiert. Dabei ist etwas sehr erstaunliches im Laufe der letzten 100 Jahre geschehen. Eigentlich "gehört" die Brücke ja den beiden Städten Solingen und Remscheid gemeinsam, denn diese beiden verbindet sie. Doch irgendwie wird die "Riesenbrücke" eher Solingen zugerechnet, was vielleicht ein ganz klein wenig damit zu tun haben könnte, dass auf Solinger Gebiet ein Bahnhof, Schaberg, direkt an der Brücke gelegen ist.

 

 

Ein gewaltiges, phantastisches Panorama der Kaiser Wilhelm Brücke mit dem Restaurant gleichen Namens. Da die Karte im Verlag des Wirtes erschien, darf nicht Wunder nehmen, dass Brücke samt Zug und alles Umherliegende in Größe und Bedeutung zum Lokal klein wird. Dennoch zeigt die Karte einige entzückende Details bis hin zum Ruderer im Nachen auf nie so stillem Gewässer wie die Zeichnung Glauben schenken mag.

 

Verlag von Rudolf Blasberg
in Solingen-Schaberg

Poststempel 6. 4. 1901

Nachdruck

 

 

 

 

 

 

Für alle Eisenbahn-Fans: der Zug in der Vergrößerung. Zu erkennen eine Tenderlok, Wagen mit Bremserhäuschen und ein LKW auf einem Rungenwaggon. Und wahrscheinlich wird es auch jemanden geben, der die Baureihe der Dampflok erkennt.

 


 

Interessant die Symbolik des geflügelten Rades (=die Eisenbahn), das auf einem Pfeilbündel in alle Richtungen steht und sich mit der kaiserlichen Krone schmückt.

Das Solinger Stadtwappen hat die Buchstaben-Zusätze S S, natürlich noch nicht die Form der Burgzinnen (die kamen erst mit der Städtevereinigung), das Remscheider Wappen schon damals wie heute den Bergischen Löwen und die Sichel als Symbol für die Werkzeugstadt.

 

Poststempel 19. 3. 1900

Ein ausgesprochener Witzbold ist dieser Zeichner. Nicht nur, dass er elegant die Herren unter den Rock der Dame schauen lässt, sondern gleich fünf dampfende Lokomotiven fauchen über die Riesenbrücke. Na, wenn das mal kein versteckter Hinweis ist.

Niem's Postkarten-Verlag, Elberfeld

Poststempel 30. August 1925

 

Man will ja gar nicht glauben, wie respektlos die Zeitgenossen die Brücke für sich vereinnahmen wollen. Das könnte den Herren so gefallen, sich dermaßen zur Ruh, lebenslang womöglich noch, zu begeben

 

 

 

 

Die Idee an sich ist ja gar nicht so schlecht. Nur: wie klettert man in diese Hängematte rein?

 

 

 

 

 

 

 

Und außerdem: diesen Knoten würde ICH NICHT trauen ... :-)

 

 

 

 

 

 

 

Hier jedoch hört der Spaß auf. Das ist wirklich mehr, als die Polizei erlauben kann. Denken diese Burschen denn nicht daran, dass so die Brücke viel schneller rostet? Unverantwortlich !

 

 

 

 

So sind sie, die bergischen Mädels. Denken überhaupt nicht daran, dass eine solche Brücken-Besetzung laut Gesetzt ein "Gefährlicher Eingriff in den öffentlichen Verkehr" und damit strafbar ist, wie jeder öffentliche Verkehr von Frauen .... oder nicht, oder doch ?!

Die schönste Mädchen,
wie bekannt,
findet man
im Bergischen Land.

Niem's Postkarten-Verlag, Elberfeld

Poststempel 6. 10. 1926

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Schöning & Co, Lübeck

 

 

 

 

 

Selbst Eselsreiten wie zum Drachenfels schien damals üblich zu sein (nach Schaberg hinauf?). Oder ist doch alles nur des Zeichners Phantasie?

 

Arzt zum Patienten: "Haben Sie Probleme mit dem Alkohol?"
Patient: "Nein, Herr Doktor, nur ohne."

Ergo war das Sturztrinken, bei der heutigen Jugend gerügt, schon immer ein beliebter Zeitvertreib (der berühmt-berüchtigte "Blaue Montag" der Solinger Schleifer eingeschlossen). Na dann: Prost.

Niem's Postkarten-Verlag, Elberfeld

 

 

 

 

 

Poststempel 21. April 1930

 

Dem Fräulein Engstenberg aus Schlebusch wird zu Ostern klagend mitgeteilt, dass die Damenwelt fehle. Honi soit qui mal y pense - ein Schelm, wer schlechtes dabei denkt über Willi, Hans, Eugen, Heinrich und den anderen Hans.

 

 

 

 

 

 

Und heftig verliebt müssen sie ja gewesen sein, die Burschen, dass sie die Briefmarke so obszön anleckten und anklebten.

Und heftig betrunken. Konnte man sich doch trotz mehrmaliger Versuche nicht auf die Reihenfolge von h und t im Namen Elisabe... einigen - na, hätten Sie's gewusst?
Und dass Engstenberg nicht Emgstenberg heisst, gerade konnte man es noch mal korrigieren.

 

By the way: Ich mache NIE  Tiipflheer.

 

Apropos Damen: so geht man würdevoll, die Brücke zu betrachten. Und nicht in Freizeitkluft, wie es heute üblich ist.

Kd. Löwensteins Verlag, Elberfeld

 

Auf den ersten Blick ganz normal ...

Wilh. Fülle, Barmen

 

Im Detail zeigt sich jedoch, was längst in Vergessenheit geraten ist. Anfänglich prangten die Jahresjahl der Einweihung (1897) und goldene Buchstaben mit dem Namen der Brücke in der Spitze des Parabelbogens und verkündeten den Ruhm des Kaiserreiches. Nach dem Sturz der Monastie wurden die Schilder entfernt.

 

 

Und dieser Zug ist nie gebaut worden. Er ist gemalt.

 

Und da wir gerade so schön beim Glorifizieren sind, setzen wir doch noch ruhig eins drauf:

Ansichtskarte vom Müngstener Illuminationsfest.

Wäre aber doch eine gute Idee, oder?

 

 

 

 

Und wie das Leben so spielt: was nur mal so aus Spaß hier auf dieser Seite Stand, als Fotomontage, fand dann doch - in gekonnter Form - zur Realität:

 

Das Plakat des Brückenfestes 2005, die Brücke in vierfachem Bunt. Eine pfiffige Idee, gut umgesetzt, sympathisch in den Farben. Da keimt Hoffnung auf, dass Solingen doch noch - dem alten Bahnhof sei Dank - Designstadt werden könnte.