Unmittelbare Umgebung von Solingen

"Unmittelbar", das heißt nach Solinger Maßstäben: als Sonntagsausflug oder mit der "Lektrischen" (gemeint ist die elektrische Straßenbahn) relativ schnell zu erreichen. Und: je näher ein solcher Ort liegt, desto größer ist der geistige Abstand zu ihm. Es soll durchaus Solinger geben, die Müngsten für so etwas wie eine Grenz- und Frontstadt zu Remscheid halten und für die Wuppertal-Elberfeld ähnlich aufregend ist wie New York City für manch andere. Allenfalls Köln und Düsseldorf werden als Bestandteil Solingens akzeptiert. Doch Vorsicht: die Bekenntnis zur einen wie zur anderen dieser Städte ist eine Glaubens-Offenbarung. Denn sie sind Antipoden, gegenüber deren Polarität aus Solinger Sicht das Christentum und der Islam wie eine vereinigte Gesellschaft wirken. Aber klar ist und bleibt: die und das Fremde sind suspekt, weshalb sich die Solinger Industrie zu einer der am konsequentesten Export-orientierten Deutschlands entwickelt hat. Die Logik ist simpel: wer exportiert, muss weniger importieren. Das Fremde bleibt, wo es hingehört: außerhalb Solingens.

 

Haan

Haan ist ein Zwitter. "Haan im Rheinland" bzw. "Haan bei Solingen" lauten die vor 100 Jahren und mehr üblichen Bezeichnungen, heute wäre "Haan bei Düsseldorf" wohl richtiger: die Stadt hat - im geographischen wie wörtlichen Sinne - Solingen den Rücken gekehrt und wendet sich eher Düsseldorf zu. Wohl unter anderem deshalb, weil diese per Autobahn gut zu erreichende Stadt ideal ist für Menschen, die sich täglich in das Düsseldorfer Verkehrschaos stürzen müssen, um zur Arbeit zu gelangen.

 

Bahnpoststempel Cöln-Elberfeld
Zug S .... ???
17. Oktober 1913

Herm. Käufler, Haan

Elberfeld

Hey, da wusste man noch, woher der Husten kam, der sich beim Bergischen Nasskalt-Wetter auf die Bronchien legte. Knapp ein halbes hundert aktive oder zeitweise passive Schlote, Kamine, Rauch- und Gas-Abzüge sind auf diesem Foto zu erkennen. Das Werk existiert - in geänderter Form - noch heute. Der Blick geht auf das Zentrum von Elberfeld zu, das in der Talbiegung "hinten links" beginnt. Gut zu erkennen das Gerüst der Schwebebahn.

21. November 1913

Wilh. Fülle, Barmen

 

 

Die Schwebebahn in einer Umgebung, die heute seltsam anmutet: Wenn ein solch eisernes Ungetüm quasi durch die Bäume rauschte, musste es einem ja angst und bange werden. Allerdings hat der Postkartenzeichner die Realität sehr stark entfremdet, so stützenlos, wie hier suggeriert, konnte auch damals das geniale Gefährt nicht schweben.

 

 

Interessant: oben ein Wagen, hier sind es gleich drei. Ganz offensichtlich wurden die Schwebebahnen damals ähnlich wie die Straßenbahnen gesehen und bedarfsweise zusammengestellt. Heute fahren feste Zwei-Wagen-Einheiten.

 

 

Nicht mal Fliegen ist schöner. Das wird jeder bestätigen, der einmal mit diesen Blechbüchsen durch die Luft gesaust ist.

 

Max Biegel, Wuppertal-Vohwinkel, 1968

 

Witzhelden

 

 

 

Die Nachbargemeinde von Höhscheid und Burg - und damit Solingen - lebte schon immer in einer "distanzierten Symbiose" mit der Klingenstadt. Einerseits fahren Witzheldener nach Solingen zum Arbeiten und Einkaufen und umgekehrt kommt "der richtige Solinger" auch gerne zur Reisbreikirmes ins Höhendorf. Immerhin handelt es sich um eine uralte Siedlung, die nie sonderlich von sich reden machte, die aber entgegen allen Entwicklungen auch heute noch ihren dörflichen Charakter trotz einiger Neubaugebiete bewahren konnte.

 

"Höchster Punkt der Gegend, 250 m über N.N. ..."
"Herrliche Ausblicke über Rheinebene und Bergisches Land ..."
"Keine rauchenden Schlote ..."
"Die zur Gemeinde gehörende Sengbachtalsperre ..."
"Das aus dem 12. Jahrhundert stammende Kirchlein ..."
"Reste der alten Heerstraße Cöln - Elberfeld ..."
"Der Kirchturm dient auch mit seinen metertiefen Schießscharten als Verteidigungswerk ..."
"Wenn Maienzauber das Land durchzieht, verwandelt sich das Dörfchen in einen Garten Gottes...."
 

 

 

 

Geprüft: Landesfremdenverkehrsverband Rheinland, Jahrgang 1936
Druck: Wulf & Comes, Düsseldorf

 

 

 

Es ist kein Wunder, dass hierzulande die ersten Trinkwassertalsperren Deutschlands mit künstlicher Sperrmauer gebaut wurden, der Regen ist reichlich, die Städte wuchsen schnell, die Wasserqualität ist außerordentlich. Die Remscheider Talsperre ist ein Pionierwerk, noch heute voll funktionstüchtig und von der Autobahn aus sehr leicht zu erreichen. Denn das Lokal in der Bildmitte oben ist heute, als Neubau, die Remscheider Autobahnraststätte. Wer hier längs fährt hat guten Grund, zu rasten und einen kleinen, unbeschwerlichen Spaziergang zur Sperrmauer zu machen.

W. Fülle, Barmen

 

Die Postkarte spricht für sich und zeugt von der Technikbegeisterung, die schon vor 100 Jahren (und mehr) viele erfasst hatte. Es handelt sich jedoch in Teilen um eine Zeichnung, wohl kein Fotograf hätte diese Aufnahme damals (schon gar nicht in Farbe) wirklich machen können. Gleichwohl ist die Szenerie sehr naturgetreu wiedergegeben und kann im Prinzip noch heute so besichtigt werden; statt der Straßenbahn fährt der Bus, Schwebebahn und Zug sind geblieben, der Zeppelin wird durch niedrig fliegende Flugzeuge ersetzt, denn Wuppertal liegt exakt in der Einflugschneise zum Düsseldorfer Flughafen und wird häufig und tief überflogen.

W. Fülle, Barmen

 

 

Die Bastei in Köln, ein elegantes Restaurant. So etwas galt ab seiner Errichtung 1924  auch für Solinger als Eintritt in die große Glitzerwelt der Reichen und Schönen. Bei dem Ausblick hätte man auch ganz einfach nur des schönen Rheins wegen hinfahren können. Aber dazu ist die Speisekarte einfach zu hochpreisig.

 

Verlag Horst Ziethen, Frechen

 

Und auf der gegenüberliegenden anderen Rheinseite, der "schäl Sikk" der Tanzbrunnen; in den 60er Jahren Flair von bürgerlichem Hochadel-Leben. Hier ging man hin, um seiner Baut zu imponieren.

 

Verlag Horst Ziethen, Frechen

 

 

Und da ist doch noch diese nette Kleinstadt vor den Toren Solingens, in die man praktischerweise den Solinger Flughafen hinverlegt hat (hier wäre es zu bergig).

 

Mit solch prächtigen Oldtimern hatte Solingen mit seinem Vorort-Flughafen Düsseldorf-Lohausen schon in den 50er Kontakt mit der ganzen Welt. Hier eine PAA (Pan American Airways) Douglas DC 6, die mit Zwischenstop in Shannon (Irland) und Gander (Neufundland, Kanada) zurück in die Staaten flog.

Gemütliches Kaffeetrinken auf dem Flughafen Düsseldorf. Welch herrlicher Duftmix von Kerosin und Bohnenkaffee, Schmieröl und Sahnebällchen.

 

 

 

 

Unglaublich, fast schon ein religiöser Konflikt: diese Karte wurde von einem Kölner Verlag herausgegeben - und eine andere sogar von einem Niederdollendorfer (bei Bonn).

rechts: Walter Bales, Köln-Klettenberg

unten: Rhein. ansichtskartenverlag Jos. Kessel, Niederdollendorf

 

 

Ob ein solches Flugmanöver direkt über dem Vorfeld erlaubt gewesen ist oder eine geschickte Fotomontage, sei dahin gestellt. Aber gut aussehen tut es.

Noch gab es nicht Scandinavian Airlines und als Tower reichte noch ein mäßig hohes Gebäude.

 

Das war die Wasserseite des netten kleinen Dorfes an der Düssel. Der Rhein ist hier so breit und mächtig, weil die Solinger Itter ihn bei Urdenbach gespeist hat. Hübsch langweilig hier, oder? Kein Wunder, dass das Volk begann, in Mengen Bier zu trinken und die Altstadt zur längsten Theke der Welt zu machen.

 

 

Für Solinger eine ferne, unbekannte Stadt: Remscheid ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

...
und eine gruselige obendrein.

 

 

Rathaus der Stadt Remscheid