Postalisches

Die Bedeutung der Post für die Industriegeschichte wird heute oft unterschätzt, weil sich die real existierenden Nachfolgerfirmen der einstigen ganz- oder halbstaatlichen Post nur allzu oft freiwillig als Lachnummern und Kundennichtversteher gebärden. Doch immerhin sind es die Postdienste gewesen, die über Jahrhunderte und erst recht zu Beginn der Industrialisierung etwa ab 1850 die Länder, Städte, Firmen und damit die Menschen näher zueinander brachte und Entfernungen ihre Bedeutung verloren. Post und Bahn, beides müsste vielleicht in einem Atemzug genannt werden.

 

 

Die Post hatte und hat ein Imageproblem. Allerdings tut sie viel dafür, dass es aufrecht erhalten wird. Den eigenen Marketingzielen wird sie nur selten gerecht und zum 500jährigen Jubiläum, 1990, illustrierte sie Ihr Image trefflich mit einer Postkartenserie: Was so lieblich-süßlich gemeint gewesen sein könnte, nämlich die sehnlichen Liebesbriefe, könnte man auch anders deuten:
Die Rechnung, die wieder mal von der Post kommt. Der Eilbote, der suchend durch die Straßen irrt und Briefe für unzustellbar hält, die Schalter-Mentalität des Services.

Und für Solingen hat man sich einen besonderen Gag ausgedacht: Postillione in der Art der Freibeuter: übermütig peitschenknallend, Bier trinkend. Da weiß man doch, warum man schon 100 Jahre ein Posthaus hat: hier residieren die Helden.

 

Das Solinger Postamt in der Kölner Straße; zwar nicht architektonisch korrekt, aber sinngemäß gezeichnet.

 

 

1905 war das "Fräulein vom Amt" noch die Form der Vermittlung von Telefonaten. Und offensichtlich kontrollierten zwei Männer die Frau, die die anderen Frauen kontrolliert. Original-Aufnahme aus dem Vermittlungsamt auf der Kölner Straße.

Foto: Stadtarchiv

 

Die früheste (niedrigste) Telefonnummer, die ich bis jetzt entdecken konnte: Anschlüsse 5 und 6; die Familie Coppel war ein angesehener Fabrikanten-Clan mit großem sozialen Engagement für die Stadt; das Schicksal hat es ihnen nicht gedankt: als Juden erlitten sie das Schicksal von Millionen anderer und dieses Schicksal hieß bestialischer Mord durch die Nazis. Das sie die Säbel oder Degen fertigten, mit denen sich ihre Mörder so gerne schmückten, ist einer der makabren Treppenwitze der Weltgeschichte.

 

 

Man nennt sie heute "early adopters", jene Leute, die neue Technik sofort haben und benutzen wollen. Es gab sie auch beim Fernsprecher und sie wurden mit einer niedrigen Nummer belohnt. Nachteil: Am Anfang gab es wenige, die man als Telefonpionier selbst anrufen konnte.

Name Vorname

An-schluss

Amt

  Gräfrath
Wirth Gustav 21
Baus Peter Daniel 29
Engels Gebr. 33
Brosy-Steinberg Fr. von 43
Rhein. Werkzeugfabrik 52
Hugenbruch Gebrüder 54
Holzrichter Carl 62
Rommerswinkel Ernst 79
Müller Friedr. Aug 84
Herbertz & Meurer 85
Merten August Wwe. 100
Klein Carl Friedr. 103
Hüsmert & Co 171
  Ohligs
Korten&Scherf Gebr. 9
Kastor & Co. 20
Morsbach Friedr. 27
Berg. Zeitung Gesch.st.Ohligs 31
Höhmann Paul 68
Schneppel Carl 69
Gerling Ernst 84
Hermes Carl 89
Dünnhoff Fritz 90
Deutsche Bank 102
Eickenberg Hugo 105
Prinz & Cie 110
Sommer Walter 111
Olbertz Friedrich 119
Dahmen J. & Co. 130
Rückes Gebr. 137
Buntenbach F. W. 144
Bruchhausen Aug. 146
Schlechtendahl F. W. & Söhne 176
Hilgers&Kopp 179
Wielpütz Gebr. 182
Remscheid Cuno 189
  Solingen
Coppel Alexander 5, 6
Osberghaus Rud. 11
Diederichs-Krebs 12
Klein Rudolph 13
Welcker & Comp. 18
Solinger Tageblatt 24
Brangs & Heinrichs 32
Schreiner Paul 34
Lüneschloss P.D. 38
von Brosy-Steinberg F. W. 43
Barmer Bank Verein 45
Jesinghaus Gustav 49
Spitzer C. Gustav 58
Dirlam Ernst 61
Wegen Geschw. 64
Kirschbaum Karl 64
Kinkel A. 78
Rauh Carl 80
Bergische Zeitung 81
Griffon Stahlwarenfabr. 82
Koch Friedrich 89
Berg. Zeitung Akzid.-Druck. 90
Grah&Deppmeyer 91
Kaufmann Heinrich & Söhne 105  
Benz Anton 106
Kessing P. & Sohn 107
Engelswerk 125
Weber Wilhelm 128
Stock, Patentanwalt A. 129
Engels Joh. Peter 139
Iserloh Gustav 154
Triesch & Weidner 162
Ascheuer G. 164
Hüsmet & Co. 171
Genossenschafts-Buchdruckerei 172  
Franzen S. Söhne 180
Hüser & Clauberg 189
Hartkopf Gebr. 197
Kirschbaum Ernst 199
Stöpfgeshoff Walther 204

 

 

Post ist Post und Stempel ist Stempel und Post ist Stempel: Eine Karte von Wuppertal nach Solingen zum Bülowplatz verkündet stolz:

 

 

Poststempel:
15. 10. 1941

In Zeiten von Telefon und Email nicht mehr vorstellbar: ein Telegramm vom Ohligs nach Höhscheid. Außerdem war dies eine Frage des Prestige: das Telegramm, so schmuddelig es auch daherkommt, als "Nachrichten-Blitz" machte es Eindruck.

 

 

Im Frühjahr 1993 bekam Solingen die zur Zeit gültigen Postleitzahlen. Aus und vorbei ist es seitdem mit dem Merken der so wichtigen Angabe. Die ganz alten kennen noch 22a, 5650 hatte man auch im Kopf, 1 war Solingen, 11 Ohligs. Alles sehr einfach. Aber wohnt Tante Friedchen nun in 42699 oder Onkel Karl in 42697 - ja, was soll man sich denn alles noch merken?

 

 

Sonderbeilage des Solinger Tageblatts
22. 4. 1993, Verlag B. Boll

 

Postidyll auf Briefmarken.

 

 

 

 

 

Und auch bevor die Erinnerung daran ganz verloren geht: auch die heute magenta Telekom oder T-Com war mal nichts anderes als ein fester Bestandteil der Gelben Post.

Telefonzelle am Peter-Höfer-Platz, Höhscheid, 2005, im Duo-Look: außen gelb, innen magenta

Ein Blick hinter die Kulissen ließ die Post 1969 in Solingen werfen und gab damit Einblick in ihre Arbeit. Natürlich wurde das gebührend gestempelt.

 

Edle Adresse: Name und Ort identisch. Frau Amalie Meisenburg zu Meisenburg
b. Solingen (Hästen)

Poststempel: 27. Juli 1878

 

Ein am 10 März 1864, also vor 160 Jahren, in Solingen aufgegebener Brief der Firma Melchior nach Berlin.

Porto zahlt Empfänger?

 

 

Eine überzeugende Leistung der Post: so viele Stempel für nur 80 Pf.

Laufzeit: aufgegeben in Gräfrath am 14. Oktober 1897, 17. 10. rückseitig in Konstanz gestempelt, Ankunft beim Schweizer Zoll Romanshorn ebenfalls 17. Okt..

Kurioser Zufall: der Gräfrather Quittungszettel trägt die Nummer 565, die spätere Postleitzahl von Solingen (ab 60er Jahre voriges Jahrhdt.)

Fehler in der Adresse: Es heisst Wigoltingen, ohne l (Im Thurtal, Thurgau am Bodensee, Schweiz)
Und "Handlung Engwang" bezeichnet einen Ortsteil Engwang.

 

Auch der Empfängername ist falsch geschrieben, der i-Punkt müsste als Christniger gedeutet werden. Tatsächlich aber heißt es Christinger, ein in Ellwang und Umgebung relativ oft vorkommender Name; einer aus dem Familienstamm promovierte an der Uni Zürich in Medizin und war später Direktor des Kranken- und Greisenasyls St. Katharinental.