Reklame 2

"Wer Reklame macht, hats nötig", lautet ein in Solingen gern zitierter Spruch. Was soviel heißt, dass Kunden grundsätzlich doof sind, die nicht da kaufen, wo der Meister selbst Hand anlegt. Und so unterschied sich schon immer, und heute immer noch, die Wirtschaft in Solingen in einen - eher kleinen - Teil, der grandios Marketing machen, Werbung nutzen, Branding und Image aufzubauen wusste und weiß und die Heerschar derer, die lieber nichts verkaufen und pleite gehen, als dass sie auch nur ein Sterbenswörtchen über ihre Qualität, ihre Waren oder ihre Konditionen verlauten lassen würden. Die beleidigt sind, wenn man sie nicht kennt, aber alles tun, damit man sie nie kennenlernen kann (oder muss). Doch hier soll die Rede von denen sein, die Rede und Antwort stehen. Vor allem Antworten auf Fragen geben, die nie ein Mensch gestellt hat und die eigentlich auch so lange keinen interessieren, bis man mit dem Thema intensiv konfrontiert wird. Tue Gutes und rede darüber. Aber wer das sagte, war ja auch kein Solinger, sondern ein .... *) (siehe unten)

 

"Kundenbindung" nennt man es heute, den Dialog mit Handelspartnern. Oder "Firmenmagazin", "Infotainment". Nett, was die Leute den Knirpsianern alles mitzuteilen haben. Man sollte es in Ruhe lesen.

 

 

Aus: Die Knirps-Verkäuferin III/67
Herausgeber: Treuhandstelle des Knirps-Konsortiums, Solingen-Ohligs

 

Der Zulu staunt,
die Dame schreitet,
wenn sie im Herbst
vom Knirps begleitet.

Dieses Heft, der Bildung der Schirmverkäuferin gewidmet (ernsthaft, wirklich), weiß über Werbung zu berichten:

"Sinkende Arbeitslosenziffern und jähr steigende Börsenkurse müssen zweifellos als gute Zeichen gewertet werden. Aber - noch zögert der Verbraucher. Was können Industrie und Handel tun, um den für alle Bereiche lebensnotwendigen Konsum auf breiter Basis anzuheben ? Werben - und noch einmal werben! Das heißt, den Verbraucher immer wieder anzusprechen und ihn gleichzeitig zu informieren. ... Der Werbeaufwand muss erhöht werden. Nur so kommen wir wirklich aus dem Tief heraus."

"Sehr umstritten ist dagegen die Absicht des Bundeswirtschaftsministers, die preisbindung von Markenartikeln aufzuheben ...."

 

 

 

 

 

 

 

Wie man sieht, ein echter Knirps schert sich nicht um Politik. Reklame 1952, zur Leistungsschau "Solingen stellt aus".

"Es gibt keinen Zweifel: Feste Preise bei Markenartikeln haben viele Vorteile für den Verbraucher; sie
- helfen mit, die Lebenshaltungskosten stabil zu halten,
- geben der Hausfrau eine Orientierungshilfe im Preisdschungel,
- schützen den Verbraucher vor den Tricks mancher Einzelhändler,
- erleichtern der Hausfrau den Einkauf."

"Die Aufhebung der Preisbindung würde nur zu einem unübersehbaren Preiswirrwarr führen, aus dem sich niemand mehr herausfindet.

Was man NIE vergessen darf: das war auch mal offizielle, hart verteidigte Meinung von Politikern. Deshalb sollte man deren Worte heute nach wie vor kritisch bis überflüssig betrachten.

 

 

Es war die große Zeit des Heinrich Lübke, des rhetorisch brilliantesten aller bisherigen Bundespräsidenten (Präsidentschaft 1959-1969). Seine tiefschürfenden philosophischen Sprüche waren genial. Passend zum Titelmotiv sei an diesen berühmte überlieferte und verbriefte Beginn einer Ansprache im Senegal erinnert: "Meine Damen und Herren, liebe Neger." Akribisch betrachtet stammt das Zitat wahrscheinlich nicht von ihm, aber es passt zu ihm.

Oder sein englisch:
"Rain You not on", regen Sie sich nicht auf.
"Equal it goes loose", gleich geht es los.
"You can say you to me", reden Sie mich ruhig mit Du an.
"I take the farmer's early piece", ich nehme ein Bauernfrühstück.

Lübke war Sauerländer, dort zur Zwerschule gegangen. Im Vergleich zu seinem wirklich gebildeten Vorgänger Theodor "Papa" Heuss witzelte man: "Heuss kam vom Humanismus, Lübke vom Humus".

Mit Sicherheit die oder eine der süßesten Formen von Werbung, und das auch noch aus diesen Tagen, ist diese Tafel Schokolade der Süßwarenfachschule. Angehende Zuckerbäcker lernen, sie herzustellen und zu verpacken. Endlich mal Werbung mit Sinn. Und vor allem eine, die nicht nur geistigen Nährwert hat.

Wer bis jetzt nur dachte, man würde mit Werbemillionen um sich werfen, kann nun selbst auch mit Werbekalorien wuchern ...!

 

Man muss ja nicht nur Reklame für Produkte machen - auch Reklame für Service ist sinnvoll. Und in dieser Beziehung gehören einige Solinger Firmen durchaus in die Meisterklasse. Vor allem Walbusch, das als einer der renommiertesten deutschen Versandhäusern sich aus einem typischen Solinger Versender zu einem Modeunternehmen entwickelt hat. Dank "Reklame", guter Reklame.

"Einkaufswinke", der Walbusch-Katalog 1951

 

Bedarf wecken, um ihn zu decken. Mit dieser Simpel-Formel ging das Spiel "Anbieter animiert Käufer" jahrlang auf. Die Dinge haben sich verkompliziert. An Werte zu appellieren hilft immer weniger, es sei denn diese Werte seien Elemente einer ausgeprägten Egozentrik. Dies schließt ein, dass der Preis mehr denn je im Mittelpunkt steht. Und zwar ein Preis, der den Verkäufer erniedigt und dem Kunden das Gefühl gibt, Kaufen sei ein Gnadenakt, die Gewährung eines Vorteils dem Verkäufer gegenüber. Sarkastisch gesagt: musste ja so kommen, früher war es nämlich umgekehrt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

 

 

Guter Text in zeitgemäßem Design. Diese Karte aus den späten 50er Jahren vereinigt die damalige Auffassung von Werbung: zwischen Schwung und Formalie, mit einem Hauch von "amtlichen Aussehen" und der Frische einer luxuriösen Farbe (damals kostete jede Druckfarbe noch einen zusätzlichen Druckgang und damit ,richtig Geld'). Der Trick mit der 3. Farbe, nämlich der Papierfarbe, ist immer noch wirksam, aber viel zu sehr in Vergessenheit geraten.

 

 

Werbepostkarte ("Mailing") der Firma Kieserling & Albrecht aus den 20er Jahren.

Das Unternehmen ist inzwischen mit seinen Resten nach Aachen verlegt worden. Nur noch das markante Gebäude an der Birker Straße ist geblieben.

 

Aus der Solinger Nachbarschaft: Henkel-Werke in Düsseldorf-Reisholz

Reklame 1950
im Programm des Apollo-Theaters, Düsseldorf

 

 

Ein etwa DIN-A-5-großer Prospekt, vollständig handgezeichnet und lithographisch durch Umkontakte aufgepeppt. Dem "Sales-Folder" oder "Flyer", wie man heute sagen würde, war eine Warenprobe beigegeben, eine Rasierklinge.

Und Rabatte gab's schon damals.

 

 

Femme fatale par excellence: der kritische Blick der anspruchsvollen Frau verlangt nach Haru-Rasierklingen. Wenn das mal nicht ganz schön scharf ist.

 

 

   

*) Erich Kästner, geb. 1899 in Dresden.