Wie es wirklich im alten Solingen aussah:
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Retro-Flair |
Was ist heute geblieben von der optischen Eigenart des
früheren Solingens, van aul Solig? Geht man durch diese Stadt spazieren
und schaltet man im Gehirn den Phantasie-Filter ein, dann ist es eine
ganze Menge. Noch atmet die Stadt den Hauch von Geschichte, die sie
selbst, ihre Menschen, den Charakter des Bergischen typisiert. Begeben wir
uns auf eine Fotoreise und sehen das Heute mit den lichtbildnerischen
Möglichkeiten der Anfänge - in Schwarzweiß und starkem Kontrast.
Ansonsten: keine Retusche, alles Original-Szenen.
Rundgang 1: Das nordöstliche Solingen,
13. Oktober 2005 |
In den fast unzähligen Solinger Hofschaften*)
stehen sie noch in großer Anzahl, die typischen Fachwerkhäuser. Oft
liebevoll, sanft und dennoch wirkungsvoll renoviert. Im Inneren
"entkernt", modernisiert, nach außen die Tradition bewahrend. Die
Menschen mögen es, der Trend zum Fachwerkhaus ist ungebrochen.
*) Wer die Solinger Hofschaften mit Namen
kennenlernen will, dem wird in diesem Geburtstags-Gedicht weiter
geholfen:
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Selbst dort, wo statt Fachwerk Steinhäuser stehen,
und das seit zirka 100 Jahren, ist das Verwinkelte, Enge, Verwobene
üblich. Kleinste Gassen sind bis heute geblieben und müssen selbst der
Feuerwehr oder den Baukränen reichen, wenn sie sich dann mal zu den oft
"im hintersten Winkel" gelegenen Häusern vorkämpfen müssen. Und für die
Autofahrer bedeutet es die harte Schule der harten Ecken: wer sich nicht
im Laufe des Lebens mindestens eine Schramme oder Beule beim Einparken in
die viel zu enge provisorische Hofeinfahrt holt, der hat immer noch nicht
genug Zäune und Zierrat aufs Grundstück gesetzt .... :-) |
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Fachwerk verschiefert ist seit langem Tradition,
manchmal wird auch Blech genommen, um die Fassaden zu schützen. Viele der
noch erhaltenen Häuser machen den Eindruck, als müsse man sich im Inneren
auf den notwendigsten Platz beschränken. Dabei darf man nicht vergessen,
dass dies zumindest einst ein Mehrgenerationenhaus gewesen sein könnte
und vom Typus her Platz für ein gutes dutzend Menschen bot. |
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Einige der alten Kotten ("Dengen hengerm Huus")
werden stil- und sachgerecht auch für heutigen Handel und Wandel genutzt. |
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Die Kombination von Fachwerk und
Schieferverkleidung ist oft anzutreffen, sie gibt den Häusern einen
besonderen Charme. Und Kneipen sehen so aus, wie sie immer schon
ausgesehen haben: einladend. |
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Nur die Kirchen der Solinger Innenstadt waren im 2.
Weltkrieg zerbombt, die anderen, allesamt so um die 80 bis 100 Jahre alt
(oder ein wenig mehr) haben sich mehr oder weniger original erhalten. |
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Jugendstil-Elemente sieht man noch an sehr vielen
Fassaden. |
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In ihrer strengen Geometrie bekommen selbst
"normale" und "einfache" Häuser eine gewisse repräsentantische Würde und
sehen aus wie Mini-"Herrschaftshäuser", wenngleich auch das Schwarz des
Schiefers optisch Distanz zum außen bewirkt - komm mir ja nicht zu nahe. |
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Es ist Solinger Mentalität, selbst die Kleingärten
ins Grüne zu verlegen. In der Stadt, wo sie ja eigentlich gebraucht
würden, wegen der Enge, ist eben wegen der Enge kein Platz. Und so liegen
sie eingebettet in Wäldern, Wiesen und Augen, in den Bachtälern und den
Hügeln zur Wupper hin. Denn von der schönen Bergischen Landschaft will
jeder gern eine Parzelle sein eigen nennen. Und sei es, um einen Grund
für eine nahrhaft-frischkühle Pulle Bier zu haben, die man sich jedesmal
gönnen muss, wenn man in eine solch liebliche Natur schaut. |
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Eine alte Allee, so wie sie früher typisch war als
Verbindungsstraße zwischen den Hof- und Ortschaften, den dorfkleinen
Städten des Solinger-Bergischen Kreises. In einigen Szenen, vor allem um
Gräfrath, sind diese alten Straßen noch erhalten geblieben, kurioserweise
kaum bemerkt, verborgen, obwohl doch eigentlich markant-wegweisend. |
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So darf und muss man sich die Verbindungen bis vor
weniger als 100 Jahren generell im Solinger Gebiet vorstellen. So manche
Straße führte direkt durch Wälder. Einige, vor allem an den Stadträndern,
sind heute noch erhalten und führen ("Durchfahrt verboten") in teils
abenteuerlicher Enge hinauf und hinab an einzeln liegende Gehöfte. |
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Was heute vornehmlich Wanderweg ist, war über
Jahrhunderte "die Autobahn". Hier zogen Mensch und Fuhrwerk bergauf,
bergab. Und keine Schilder. Wer hier ging, wusste warum und woher. |
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Kleine Mädchen, kleines Pferd: Was heute
Kindervergnügen ist, war einst völlig normal, zu Fuß zu zu Pferde sich
auf den Weg zu machen. |
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Einzelne Häuser am Weg. Warum und wieso sie gerade
dort und nicht woanders gebaut wurden, lässt sich im Nachhinein nicht
immer klären. Vielleicht, weil hier gerade ein Stück Land günstig zu
erwerben war, vielleicht, weil doch ein Bach hinterm Haus für ausreichend
Wasser sorge, vielleicht, weil sich an dieser Stelle gut Handel treiben
ließ, vielleicht, weil immer schon ein Haus dort stand. |
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Die kleinen ehemals selbständigen Städte des
Solinger Stadtgebiets, allen voran das stolze und bedeutende Gräfrath,
"Kleinod des Bergischen". Natürlich ist alles irgendwie "moderner" und
ein wenig geordneter geworden, das Brauchwasser läuft nicht mehr über die
Greute der Straße, statt Hühner gibt es Parkverbot vor dem Haus - oder
der Rest ist (fast) noch Original. Zumindest die optische Täuschung
gelingt perfekt. |
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Manche "herrschaftlichen" Häuser haben sich in
kleine, private Parks zurückgezogen und wurden durch damals modischen
Blickfang und Stilelemente "aufgehübscht". |
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Stein- und Fachwerkhäuser sind schon seit langem in
dieser Stadt eine stimmige Symbiose eingegangen. Irgendwie klingt
stilistisch immer irgendwo ein wenig Barock oder Klassizismus mit;
manchmal "lupenrein", oft jedoch als "stilistisches Zitat". |
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Ich glaub, ich steh' im Wald, mag man denken. Aber
weder ist dies eine Straße in Wald, sondern in Gräfrath, noch ist sie im
Wald, sondern mitten in der Stadt Gräfrath zu finden. "Grün muss", kann
man nur sagen. Ohne Bäume, Sträucher und Blumen mag kein Solinger leben
wollen. Schon damals und heute erst recht. |
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Durch diese enge Kurve rumpelte einst die
Straßenbahn, nur einen Meter von der rechten Häuserzeile entfernt. Da
konnte man während der Fahrt aus der Elektrischen den Gräfrather Bürgern
direkt in den Suppentopf spucken. Wer weiß, wer es wirklich getan hat.
Aber keineswegs in Glas spucken heute die Gäste, die sich hier im
museumsdorf-ähnlichen Ambiente reichlich versammeln und sich in der
vielfältigen Gastroszene wohl fühlen. |
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Zig Generationen hatten schon genau diesen Blick.
Die nur kapellengroße ev. Kirche am Markt, die von der mächtigen auf
einem kleinen Hügel gelegenen Klosterkirche optisch dominiert wird, wenn
nicht der Fotograf die Verhältnisse ganz einfach umkehrt. |
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Gartenwirtschaft im Grünen? Nein, Stadtwirtschaft
auf dem Marktplatz. |
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Gleich kommt ein Pferdefuhrwerk die Straße lang
gepoltert. |
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Wie schwarzes Gold glänzen die Schiefertafeln der
Häuserreihe in der herbstlichen Nachmittagssonne. Ein Häuserzug, wie es
ihn zu hunderten in ganz Solingen gegeben hat und zu vielen dutzenden
noch immer gibt. |
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Wenn eins in Solingen immer schon, bis heute,
systematisch und erfolgreich vermieden wurde, so sind dies geradlinig
verlaufende Straßen, im rechten Winkel zueinander stehende Häuser und
überhaupt ein Maß von geometrischer Ordnung, das für viele andere Städte
kennzeichnend ist. Nein, die Solinger Architektur- und
Stadtplanungshistorie schreibt zwingend vor, dass alles durcheinander
gewürfelt zu sein hat. Dort, wo davon abgewichen wurde, sind die
Ergebnisse abscheulich - weil für Solingen völlig ungewohnt. Das Echte
jedenfalls setzt selbst Einstein'sche Postulate außer Kraft, von denen
eines als sein Ausspruch zitiert wird, "Gott würfelt nicht". Gott
vielleicht nicht, aber der Solinger, wenn er seine Häuser und Straßen
baut. Und zwar mächtig durcheinander. |
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Nach damaligen Verhältnissen eine "Häuserzeile am
Stadtrand", dort wo der Ort Gräfrath in die raumgreifende Landschaft der
sanft abfallenden Hügel zum Rheinland hin übergeht. |
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Das heutige Domizil Dräger, die einstige de
Leuwsche Augenartzklinik; der Fähigkeit dieses Mannes verdankt Gräfrath
eine Periode europäischer Berühmtheit als Kurort. Und heute bleibt die
Erinnerung im Verborgenen. |
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Die Landschaft, wie eh und jeh. Schon einige
Jahrhhunderte sind viele der Wälder gerodet, nehmen Acker- und
Wiesenflächen den größten Teil ein, freilich noch genügend Raum für
Wälder und Büsche lassend, die vor allem die mehr oder weniger markanten
Senken der Bachläufe säumen. Doch so dürfte sich auch dem Wanderer und
Reisenden vergangener Jahrhunderte die Solinger Stadtlandschaft
präsentiert haben. Irgendeinen nächsten zu erklimmenden Hügel hatte man
immer vor Augen, ohne jemals sicher sein zu können, ob man auf dem
rechten Wege sei. Noch (oder erst recht) heute klagen Auswärtige, sich in
Solingen nicht zurecht finden zu können. Klar doch, was machen die auch
hier .... ???? |
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Und schließlich noch die Prise Gemütlichkeit, die
die Seele braucht, um erholsam baumeln zu können. Wer das Alte so
liebevoll pflegt und erhält, zeigt, was das Wesen des Bergischen, des
Solinger Wohnens ist: sich wohl zu fühlen, zu Hause zu sein, "et minte"
der Welt zu zeigen und trotzdem auf der Privatsphäre zu beharren, um
diesen Spagat geht es allemal. |
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... und mehr |
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