Retro-Flair

Wer geht schon wirklich schauenden Auges durch diese Stadt? Kaum jemand, der hier lange wohnt - alles scheint so vertraut. Und dennoch gibt es hier schier Millionen von Details zu entdecken. Die Häuser, die Winkel, die Hofschaften, die Perspektiven - allemal sind sie es wert, mit Phantasie neu gesehen und sozusagen neu entdeckt zu werden.

Rundgang 2: Das südöstliche Solingen, 15. Oktober 2005

 

Steht da eine Kirche mittenmang auf der Straße oder führt der Weg gleich vor den Altar? Nichts von dem, alles nur eine optische Täuschung. Die Lutherkirche ist über der ansteigenden Mainstraße zu sehen.

 

 

Für Solingen untypisch, aber durch ihre Eigenart Markenzeichen der "Teufelsinsel" (Wielan-, Herder-, Goethe-, Raabestraße) - und das "seit ewigen Zeiten".

 

So ein Fachwerkhaus mit Blumen hat immer etwas Einladendes.

 

My Home is my castle heisst auf solingerisch: De Dürpel es et minte. Oder, noch ein Anklang aus der Literatur: Über allen Dürpeln ist ruh. Die Dürpelsbank als Thronsessel. Und ewig biegen sich die Balken.

 

Quadratisch, bergisch, gut: so sind sie, die Gasthäuser am oder nahe dem Wupperstrand.

 

War einst reichsdeutsches Musterdorf (im Dritten Reich war Tradition Pflicht) und ist immer ein solches echtbergisches, auch und vor allem jenseits aller politischen Verklärung: Rüden.

 

Da mag man meinen, hier schlägt das Herz des Bergischen, doch hinter diesem Herzen konnte es früher gewaltig stinken.

 

Klein, fein, mein. Fehlt noch der Spruch:
" Wer gehet vorbei,
ist mir einerley;
wer tretet ain,
sull willkommen seyn. "

Oder:
" Gott zur Ehre.
Dem Lande zum Wehre.
Hier schleift man die Schere. "

Wie man dem Haus ansieht: Tradition kann Freude machen.

 

Gab es schon immer im Bergischen, in dem Wuppertale und auf den Wupperbergen: Rudelwandern. Ganze Herden ziehen raumgreifenden Schrittes hurtig einher, weniger die Landschaft schauend als in intensivem Gespräch vertieft. Hauptsache, es werden "Kilometer gemacht", denn nur der Muskelkater zählt. Wenn auch die Kleidung modern sein mag, der Drang zur Völkerwanderung war schon ewig.

 

Eiserne Pferde statt wiehernder Rösser.

 

Die Straßen zwischen den Orten, wie geschildert immer mitten durch den Wald.

 

Und auf den Höhen oft einsame Gehöfte, allein stehende Häuser - kurschelige Ortschaften und der Drang zur Einsamkeit schließen sich im Solinger  Landschaftsbild nicht aus.

 

Typisch auch die mit Obstbäumen bestandene Weide auf buckeligem Hang - im Winter ein Gaudi für abenteuerliche Schlittenfahrten.

 

Oft Orientierungshilfe: irgend ein Kirchturm in der Ferne.

Und davor einer der schönsten Solitude-Bäume Solingens, eine uralte Eiche an der Lacher Straße zu Widdert.

 

Profan bis belanglos gestaltet sind viele der Solinger Kirchen. Aber eben: die Erbauung kommt von innen. Wer fromm lebt braucht keinen äußeren Tand.

 

Von vielen Seiten zu sehen, aus dieser Perspektive kurioserweise früher nie gemalt oder gezeichnet: das Panorama der Innenstadt, über den Grünewald hinweg gesehen (jetzt wird's für Nichtsolinger wieder unfassbar schwer: der grüne Wald vorne ist nicht der Grünewald, sondern der Grünewald ist ein Gebiet im Häusermeer, wo kein Wald ist. Ach ja, ich weiß ...)

 

Darf das Schaaf dem Fremden den Hintern zeigen, oder muss es mit den Kopf immer zur Herrschaft neigen oder steht das Schaaf nur so da, weil es kopfüber sich den Hang runterfrisst? Schon seit Jahrhunderten machen sich Solinger bei solchem Anblick solche Gedanken.

 

Als das Schaf noch Schaaf geschrieben wurde, gab es schon das Gasthaus Schaaf, obwohl hier, ja ja, natürlich schon lange kein Schaf, pardon: Schaaf mehr geweidet wird.

 

   

Fortsetzung