Stadtsparkasse

Um 1840 wurden im Landkreis Solingen (und Umgebung) Sparkassen gegründet. Wirklich mit der Betonung auf "Sparen" - für Notfälle. Rund 60 % eines durchschnittlichen Arbeitereinkommens musste für Nahrungsmittel aufgewendet werden. Da es noch kein Krankengeld kam, waren Krankheit oder Tod des Ernährers oft gleichbedeutend mit Hunger und nicht selten Verlust der Wohnung. Die Entwicklung zu einem allgemeinen Kredit- und Finanzinstitut begannen die Sparkassen eigentlich erst weit nach dem 2. Weltkrieg. Auch die Solinger Stadtsparkasse gilt "im Volk" als "Normalleute-Bank" - und dieser Mythos wird vom Marketing auch gerne gepflegt. Stammkundschaft will halt umworben sein.

 

 

Verlag Schöning, Lübeck, um 1960

 

 

 

 

Der einzige Solinger Esel, den man so nennen darf. Hans im Glück symbolisiert den typischen Sparkassenkunden. Der Esel scheißt Geld. Und da die Sparkasse kein Esel ist ... nun ja, gibt es keine reichen Hänse mehr in Solingen.

Deshalb:

 

Erst einmal vorweg: Es ist anzustreben, die Stadtsparkasse zu bewegen, wieder die gleichen Verzinsungen wie 1924 anzubieten.

 

Annonce aus dem Programmheft für die Bergischen Heimatspiele auf Schloss Burg;
Druck Sam. Lucas, Elberfeld

 

Während der Bombenangriffe war auch das Gebäude der damaligen Stadt-Sparkasse zerstört worden. Um 1955 begann das "Wirtschaftswunder", jener sich selbst beschleunigende Sog der prosperierenden Wirtschaft durch die Vielfalt des Wiederaufbaus bei gleichzeitiger damals Modernisierung genannter fundamentaler STrukturveränderung (die erst vor kurzem - oder vielleicht immer noch nicht - abgeschlossen wurde oder ist). Klar, dass für das Ur-Solinger Institut ein repräsentativer und vor allem funktioneller Bau her musste, wlcher die Prosperität einer zukunftsgerichteten Stadt symbolisieren sollte. In einer feierlichen, handgeschriebenen Urkunde hielte die Verantwortlichen fest, was sie zu tun gedachten, eben der Stadtsparkasse Solingen ein neues Zuhause zu geben.

 

Dieser Architektenplan von Dipl.-Ing. Otto Goetz, Neuss wurde schließlich unter immerhin 71 Einreichungen favorisiert. Am 29. Juli 1955 wurde der Grundstein gelegt. Es war der größte nach dem Kriege in Solingen errichtete Baukörper, geprägt durch die sachliche Nüchternheit und rational betonten Deutungen des Zeitgeistes. Wie gut der Bau architektonisch war erweist sich heute: in keiner Art und Weise ist er im Städtebild störend, wenn auch die Geradlinigkeit nicht mehr en vogue ist.

 

Ein vergrößerter Ausschnitt zeigt deutlich, mt welche Stil- und Gestaltungselementen der Architekt gearbeitet hat: Dem Kubus des letztendlich einen ganzen "Block", sprich Straßenzüge umfassenden Gebäude-Ensembles gab er an der Fassade und in jeder Perspektive eine andere, individuelle Note. Die Stufigkeit des Geländes wurde nachvollzogen, Durchgänge schufen vermieden die fundamentale Wuchtigkeit, versetzte Linienführung bei konsequenter Einhaltung perspektivischer Fluchtlinien erinnern durchaus an die positiven Impulse der Bauhaus-Genialität. In diesem Sinne ist "der Kasten", wie er gelegentlich despektierlich genannt wird, trotz seines inzwischen sichtbaren Alters immer noch ein gesunde Mischung aus eigenem Denkmal und funktioneller Maschinerie.

 

"Größe 75.460 cbm umgauter Raum eines Mehrzweckbaues; neben der Sparkasse enthält er 23 Wohnungen, 40 ein- und zweigeschossige Ladenachsen, 2 Büro- und Praxisetagen, Hotel, Gaststätte, Café, bierschenke, Kino-Studio, 8 Einzelgaragen und eine Sammelgarage für 18 Fahrzeuge".

Zu gleichen Zeit gab sich die SSS auch ein neues grafisches Design. Hanskarl Rodenkirchen (Atelier im Wipper Kotten) schuf den Entwurf. Die Bedeutung:

"Gestanzter Stahl als Ausgangsstoff der Schneidwaren- und metallverarbeitenden Industrie und das durch die Stadt-Sparkasse pulsierende Geld."

Dagegen ist das heutige allgemeine Logo der Sparkassen in Deutschland würde-, einfalss- und geschmacklos. Branding kann auch scheusslich sein, wie man sieht (heißt ja nicht, dass das SSS der 50er Jahre heute noch Bestand haben müsste; aber Charakter hatte es - damals wie auch jetzt noch).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dokumentation zur Eröffnung 1957
Graphische Beratung: W. Schwickerath jr.
Druck Hermann Ullrich, Solingen

Mit besonderer Freude sieht man, dass damals grafische Gestaltung, Typografie, wirklich noch Kunst war, die sich Mühe gab. Man kann es altmodisch nennen, aber dann ist gedruckte Würde eben altmodisch. Oder mann kann es langweilig nennen. Dann ist sachliche Dokumentation eben langweilig. Man kann es Bleiwüste nennen, dann ist Information eben eine Wüste. Man kann es aber auch Kunst und Können nennen, und dann ist es auch heut noch, nein: heute wieder ein Vorbild für den Umgang mit Fläche, Farbe, Form und Funktion.

 

 

Architektur, vor allem Innenarchitektur, spiegelt natürlich immer die "Denke" des Zeitgeistes. Und 1955 war eine Zeit auf der Grenzlinie zwischen Wiederherstellung der alten guten Zeiten und dem Aufbruch in das abenteuerliche Moderne. Das Zimmer des 1. Direktors (es gab auch eine 2. Dir., den Vize also) - hier gelb digital nachgefärbt - ist als einziges mit zwei Teppichen als raumbestimmende Elemente ausgewiesen. Psychologisch von größter Wichtigkeit auch der lange Weg des Besuchers aus dem Vorzimmer bis zum Direktor. Dem stand natürlich ein diskreter Fluchtweg direkt in Richtung großem Besprechungsraum offen. Und er konnte auf die in den 50er bis 70er Jahren so beliebten wohnzimmer-simulierenden Niedrigsesssel einladen. Die wiederum zwangen Besucher buchstänblich in die Knie - das Kinn hing einem fast darauf. Und nach einer viertel Stunde stellten sich garantiert Gelenkschmerzen ein. So etwas verkürzt Gespräche erheblich. Außerdem hat die Direktion einen Warteraum, notdürftig auch als Besprechungsraum deklariert. Ergo konnte man Gespräche 2. Klasse führen, eben die unwichtigen in der Besucher-Warte-Ecke. Oder dort jemanden weichschmoren. Ohne Blickkontakt war er gezwungen, stets auf Hut zu sein, wenn der Aufruf erfolgen würde.

 

Während (im Plan unten) die Hierarchie mit Vorzimmer-Dame und Leitung Sekretariat und Personalabteilung (eine überaus aparte Kombination) an die Tradition knüpft, ist die Ansiedlung der Werbeabteilung "Rücken an Rücken" mit dem 1. Direktor ein deutliches Singal Richtung Fortschritt.

Mit für damalige Zeit beeindruckendem modernem Flair zeigt sich Ende der 60er Jahredas Gebäude der Stadtsparkasse Solingen am Graf-Wilhelm-Platz.

Von noch größerer Wertbeständigkeit als jedes Sparbuch wäre es allerdings gewesen, der Besitzer des superschnittigen BMW hätte seine Karosse gut konserviert aufgehoben und würde sie heute, es muss ja nicht eBay sein, zum Kauf anbieten. Aber selbst der Opel Rekord, einst als "Jeder Popel fährt 'n Opel" verspottet erscheint heute von geradezu klassischer Schönheit.

 

 

Verlag Schöning & Co, Lübeck

Poststempel 13. 4. 70

Anfang/Mitte der 1950er Jahre war die Stadt noch weitgehend autofrei, der Obus hielt direkt vor den Verkaufspavillions des Sparkassengebäudes.

Verlag Karl Blümer, Wuppertal