Stadtsparkasse 2

Um 1840 wurden im Landkreis Solingen (und Umgebung) Sparkassen gegründet. Wirklich mit der Betonung auf "Sparen" - für Notfälle. Rund 60 % eines durchschnittlichen Arbeitereinkommens musste für Nahrungsmittel aufgewendet werden. Da es noch kein Krankengeld kam, waren Krankheit oder Tod des Ernährers oft gleichbedeutend mit Hunger und nicht selten Verlust der Wohnung. Die Entwicklung zu einem allgemeinen Kredit- und Finanzinstitut begannen die Sparkassen eigentlich erst weit nach dem 2. Weltkrieg. Auch die Solinger Stadtsparkasse gilt "im Volk" als "Normalleute-Bank" - und dieser Mythos wird vom Marketing auch gerne gepflegt. Stammkundschaft will halt umworben sein.

 

Reklame 1964 und 1967

in Solinger Theaterbroschüren

 

Herausgegeben 1990 von der Stadtsparkasse Solingen
Gestaltung: Hans Oberhoff, Solingen
Druck: auswärts, bei Greven & Bechtold in Köln

In interessanten, sehr detailreichen Abhandlungen und mit vielen Aspekten aus dem Alltagsleben zeigen die beiden Autoren Dr. Ute Daniel und Prof. Dr. Jürgen Reulecke kenntnis- und facettenreich, was Geld und Besitz früher bedeutete, wie sich Werte und Welten wandelten, wie unterschiedlich Sparen und Konsumieren früher und heute waren. Ein Sachbuch, das auch zugleich Geschichtsbuch ist, ohne je an einer Stelle langweilig zu werden und Informationen präsentiert, die zu überraschen vermögen. Immer geschickt eingebettet in die Solinger Industrie- und Sozialgeschichte. Kurzum: ein Leservergnügen, wie man es nicht alle Tage findet. Vielleicht kann der eine oder andere trotz der niedrigen Auflage von nur 3.000 Exemplaren noch irgendwo eins ergattern.
hgw

 

 

Bescheidene Anfänge: auf der Kölner Straße war mal in den 60er/70er Jahren des 19.Jahrhunderts die Solinger Sparkasse untergebracht.

Bild: Stadtarchiv Solingen

So sah der Jubiläumsband zum Hundertjährigen aus - mächtig, strahlend, selbstbewusst, goldgeprägt. Dennoch:

"Es bestand die Absicht, zum 100. Jubiläum eine Denkschrift herauszugeben ... Der uns aufgezwungene Krieg macht die Verwirklichung ... im Augenblick unmöglich. ... Es ist jedoch in Aussicht genommen, die Denkschrift nach Beendigung des Krieges herauszubringen ..."

 

 

 

Leider enthält dieser Geschäftsbericht zum 100jährigen keinen Hinweis zu Gestalter oder Druckerei.

23. 7. 1839: Der Stadtrat stimmt dem Vorschlg des Bürgermeisters Müller zu, eine Garantie für eine zu errichtende Sparkasse zu übernehmen.
8. 5. 1840 Die Sparkasse nimmt den Geschäftsbetrieb auf.
30. 6. 1843 Sie ist nun "Sparkasse für den obern Kreis Solingen"; die Gemeinden Solingen, Gräfraht, Höhscheid, Dorp, Wald und Merscheid übernehmen die Einlagegewähr und gründen damit - unbeabsichtigt?  - eigentlich schon "Groß-Solingen".
1866 schert Merscheid mit einer eigenen Sparkasse aus, 1871 Wald, 1881 Dorp und 1884 Höhscheid; Dorp kehrt 1889 mit der Eingemeindung zu Solingen zurück.
1929 Im Zuge der Bildung einer Großstadt werden alle Gemeinde-Sparkassen zur Stadt-Sparkasse Solingen vereint.

1934, die Nationalsozialisten hatten gerade die Macht übernommen, rollten schon die ersten "aufrüttelnden" Parolen über das Land. Auch die Sparkasse konte sich diesem Trend nicht entziehen und sammelte die Groschen aus den Taschen der Bevölkerung. Wahrscheinlich der Beginn oder sogar die Manifestierung der Legende, die Sparkasse sei dei Bank des Kleinen Mannes.

 

Annonce in "Meine Heimat", Kunst- und Heimatzeitschrfit für das bergisch-niederrhein. Gebiet, Juli 1934;
Druck und verlag Ernst Scholl, W.-Ronsdorf

 

Zu dieser Zeit war die Sparkasse kein unabhängiges Geldinstitut, sondern eine Bank der Stadt Solingen und als solche auch den politischen Verhältnissen unterworfen. 1940 jubelte man - es war immerhin erstens angeordnet und zweitens von vielen so gutgeheißen - laut und fröhlich über Adolf Hitler. Siehe Zitat oben: "... der uns aufgezwungene Krieg" !!! Und, Abbildung rechts: Da werden im Frontispiz des Jahresberichtes platte politische Sprüche als Leitsatz gewählt. Dieser zynische Satz Hitlers stellt die Wahrheit auf den Kopf. Aber wer hätte es seinerzeit verhindern können - oder wollen? Der Vorstand? Dessen Zusammensetzung 1940 zeigt, dass es sich keineswegs um eine "Volks"-Sparkasse handelte, sondern um eine Industrie-Lobby unter der Führung der von den Nazis dominierten staatlichen Gewalt.

 

 

 

 

 

 

 

Original aus dem Geschäftsbericht der Stadt-Sparkasse Solingen 1940

Nach 1924, die Inflation war überwunden, boomte die Stadt-Sparkasse Solingen. Bis 1931 "die große Arbeitslosigkeit" kam, nach mancherlei Erinnerung der damals Lebenden und Darstellung in vielen Geschichtsbüchern eine der wesentlichen Gründe, warum die Nazis später so schnell und reibungslos Fuß fassen konnten. Denn sie versprachen Arbeit (das tun übrigens alle Regierungen heute auch, ohne dass gleich der totalitäre Staat ausbrechen würde; also muß der Nationalsozialmus auf anderen Ursachen fußen). Auch in den Vorkriegsjahren ging die Entwicklung beachtlich weiter. Bis sie dann im Laufe der Kriegsjahre in sich völlig zusammenbrach.

 

Andere Tabellen aus dem Geschäftsbericht zeigen übrigens überdeutlich, dass das Wort "Spar-Kasse" richtig ist. Es wurden stets mehr Gelder auf Spar- und sonstige Konten eingezahlt als die Kasse als Kredite vergab.

Das könnte man nun als Tugend der Sparer ansehen, die eben ihr hübsches Sümmchen zur Seite legten. Man kann es aber auch als das nehmen, was es ist: die Sparkasse, wegen ihre Bürgschaft durch die Stadt zu äußerster Vorsicht gezwungen, vergabe nur "sichere" Kredite. Am liebensten auf alles, was sich problemlos pfänden und versteigrn ließ. Und da hat sich bis heute nicht viel daran geändert, obwohl das EG-Recht auch städtische Sparkassen zu einen globalen Wettbewerb zwingt.

Die G+V, in einer mustergültigen, handwerklich absolut sauberen Handsatz-Tabelle. Charakteristisch die "Buchhalternase", der Schrägstrich durch den freien Raum. Bei Handsetzern wegen der blöden "Fummelei" mit Blindmaterial innigst gehasst, zumal diese provisorisch schräg gesetzten Linien beim Drucken [Hochdruck = Buchdruck] zum Spießen neigten, das Blindmaterial kam hoch und druckte mit. Ein regelmäßiger Streitpunkt zwischen Druckern, die den Setzern Schludrigkeit vorwarfen und den Setzern, die den Druckern nachsagten, noch nicht mal eine Druckform ausschließen zu können.

 

Genau so sollten nach Lehrmeinung Linien gesetzt sein. Wenn gestückelt, dann bei dicht zusammenstehenden Linien versetzt gestücktelt (am Doppelstrich sieht man die Trennung oben unter der 3 vor dem Komma, in der unteren Linie unter dem letzten m in Summe. Und der Trennstrich über der Summe ist wieder anders gestückelt, Ansatz über der 3 der Endsumme. Natürlich wurde die Grundregel beachtet, waagerecht bricht senkrecht.

Was amtlich aussehen sollte, wurde meist Mittelachse gesetzt und bekam den siegel-ersetzenden Punkt dahinter. Der Volksmund hat es ja sprichwörtlich aufgegriffen: "Punkt und Ende" für kategorisch, so ist es jetzt. Und Namen wurden gesperrt (wenn sie nicht kursiv gesetzt wurden). Die Funktion war fetter zu setzen als der Name. Und ein Detail, das den Setzer als wahren Meister auszeichnet: Während der Wortzwischenraum im Datum dreimal ein Halbgeviert ist, trennte er die Tageszahl samt Punkt mit einem Drittelgeviert zum Monatsnamen, denn der Raum über dem Punkt wirkte optisch ja mit. Das war seinerzeit Setzer-Oberklasse.

Das korrekte Setzen seinerzeit im Detail:

Reichsmark als Logotype:

Geviertstriche an Stelle von Nullen, eine Ziffer war stets ein Halbgeviert breit (wie heute mit den Spiegelstrichen umgegangen wird, hilflos an der Tastatur, ist aus Setzersicht zum Kotzen). Und Tausender-Gruppierungen durch Viertelgevierte; die Punkte (bzw. Tausender-Kommata) stammen aus der us-anglikanischen Welt.

Korrekt verschachtelte Aufzählungen mit Wahrung der Fluchtlinie; Abstände bei linksbündigem Flattersatz Halbgeviert.

Auch hier blieb man der Tradition dreifach treu:
 

Erstens, warum sollte bei einem Jubiläum die Jahreszahl genannt werden? Solche Angaben kommen auf Solinger Drucksachen-Titel äußerst selten vor.

Zweitens: Solingen des Jahres 1990, denn das ist das Jubiläumsjahr, ist immer noch eine Stadt, die in der Vergangenheit und von der Erinnerung lebt. Na, dann kommt diese Domain mit ihrem nostalgischen Flair doch gerade recht ....  :-)

 

Design: heinz-peter knoop
Satz: vom Schemm & Müller
Lithos: Lithotechnik Schmidt
Druck: Hermann Ullrich

Und drittens: Der Solinger an sich ist ein lebenslustiger Mensch, trotz oder wegen der Arbeit:

Donn din Arbeit,
freu dech, lach,
su wie der Schuster
Otterschbach.

 

 

 

 

 

Diesen Schuster hat es wirklich gegeben. Es sind sogar Bilder von ihm erhalten:

aus obiger Dokumentation

 

 

Schuster Wilhelm Ottersbach beim Metzger Richard Siefen, genannt Siepersch Rich.

 

 

 

 

Beide Bilder aus: Leben und arbeiten am Unnersberg, Walter Krebs erzählt, SSS, 1988

 

 

 

 

 

Fettes Fleisch muss gut verdaut sein. Schuster Ottersbach lässt sich von der Gastwirtin Siefen eine Kanne Fussel abfüllen. Recht so! Wer gut arbeitet, muss auch viel trinken. Denn von nix kütt nix.

 

 

 

 

Und wenn er das getan hat, dann kann er sein Sparbuch so richtig füllen, was für die meisten Solinger die liebste "rote Karte" war oder ist.

 

Freistempler der SSS 1966

 

 

 

 

 

 

 

Gedicht: Hans Knittel

Da sitzt ein Mann vor seinem Gelde
und überlegt, ob er in Bälde
sich etwas Hübsches leisten kann,
legt er doch jeden Pfennig an.
Allein aus geldverliebten Gründen
behufs der Sicherung von Pfründen,
empfiehlt die Kasse diesem Tropf
wirf weiter in den Sparertopf.
Solange wir das Geld verwalten
kannst Du die Übersicht behalten.
Denn ist es weg, das schöne Geld,
ist nichts mehr Dein auf dieser Welt.
Egal, wofür Du es auch je verwendest,
wem Du Dein Sparschwein einmal spendest,
was Du erwirbst, ist dann vergänglich,
bei uns dagegen lebenslänglich
kannst Du Dich am Besitze freun
und wirst es sicher nicht bereu'n,
dass wir nur schmalen Zins dir geben,
denn schließlich wollen, grins, wir leben
von Deinem gut verdienten Geld.
Das ist nun mal der Lauf der Welt.