|
Theater-
und Konzerthaus |
Die gute Stube der Stadt.
Sollte dieses Haus sein - und ist es auch. Der Neubau, typisches Produkt
der 60er Jahre, hat eine Modernität, die trotz des geradezu spröden Charms
des Minimalismus immer mehr Qualitäten bewies, je mehr sich das Ensemble
der Räume in der Routine verschliss. Bis sich schließlich alle daran
gewöhnt hatten und es auch emotional zur kulturellen Heimat wurde, obwohl
die Architekten alles taten, um Glätte und Kälte nach außen zu zeigen.
|
Der Konzertsaal
Obwohl als Mehrzwecksaal konzipiert, ist er
mit einer hervorragenden Akustik ausgestattet, die von den heutigen
Bühnen-Sound-Blödies total tot gemacht wird: er verträgt leise Töne,
schwingt durch sein Holz in sehr warmen Nuancen und gerät zur
Rückkopplungs-Hölle, sobald ein Tonidiot meint, unter 1.000 Watt pro
Lautsprecher wäre kein Sound möglich. Nein, dies ist ein Solisten-Saal,
aber einer, der auch höchste Ansprüche stellt:
Die Bühne kann, schon wegen ihrer Größe,
durchaus würde- und eindrucksvoll genutzt werden. Licht und Bewegung
können sie zu einer Szene zwischen Neutralität und charaktervollem
Szenario machen.
Doch für einen Solisten, der in die Halle schauen muss, kann sie zu einer
Art Hölle werden: Die Nüchternheit des Raumes und die Aufdringlichkeit der
ursprünglichen Mikrofone fordern von einem Redner geradezu Mut: Er muss
mit einem Saal "kämpfen", der wegen seiner Glätte durchaus "feindlich"
wirkt. Wenn dann noch die Solinger Mentalität zuschlägt ("Lot den ens
kallen") und die eigentlich erwartete spontane Reaktion ausbleibt, kann
man sich auf dieser Bühne so einsam und alleine fühlen wie in den Weiten
der Eisebene zum Nordpol ...
|
|
|
Das "Stellwerk" für Ton und Licht mit dem
seit der Eröffnung zum Inventar gehörenden Tontechniker Walgenbach. Dieser
Mann hat in unzähligen Veranstaltungen durch seine Ruhe und Routine die
Veranstaltung gerettet oder zu dem gemacht, was dann das Publikum als "wor
jo janz nett" quittierte. Die - darf man sagen: Primitivität - der Technik
sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass man mit den wenigen Mitteln
Stimmungen und Effekte erzeugen konnte, die auch von heutiger
Protz-Bühnen-Show-Technik nicht überboten werden können. Es war damals
nicht simpler, es war direkter. Und das machte - nicht nur für die
Künstler - den Reiz aus.
|
|
(Warum ich so über diesen Saal schreibe? Nun, weit über
hundert Auftritte vor allem als Conférencier, wie man das damals nannte,
machten ihn für mich in den 60er und 70er Jahren zur "Bühnenheimat") |
Eine wirklich nette Sitte des Solinger Publikums: während sich die
Künstler auf der Bühne den verdienten Applaus holen, geht der geübte
Theaterbesucher schon einmal zu den Garderoben (siehe helle Türöffnung).
Denn später, wenn alle kommen, wird es ja voll und im Saal klatschen ja
genug Leute. Da ist einem der Mantel doch wichtiger als der dritte
Vorhang.
|
|
An der Decke wie ein Eierkarton, vom Zuschauerraum wie
ein vertäfeltes Plüschkino wirkend, entfaltet das Theater seine eigentliche
Atmosphäre von der Bühne aus. Um die Stimmung zu genießen,
sollte das Publikum eigentlich auf die Bühne sitzen und die Akteure im Parkett
wirken.
|
Man tut Solingen Unrecht, es pauschal
als Provinz zu bezeichnen. Aber an einer Stelle hat es sich den Ruf redlich
verdient: das in den 60er Jahren als "gute Stube" konzipierte
Theaterrestaurant hat unzählige Anläufe unternommen, um seiner Aufgabe
gerecht zu werden. Alle sind letztendlich gescheitert, was wohl irgendwie
hälftig den Gastronomen und dem Publikum zuzuschreiben ist. Einerseits hat
der Raum schon immer den Charme einer Bahnhofswartehalle (der 60er Jahre) ausgestrahlt, andererseits erwartet ganz offensichtlich der
Solinger, wenn er ins Theater geht, ein Theaterschnitzel (noch größer und
billiger als in der Stammkneipe) und "nit su'n Quatsch met dem Flambieren,
den Schnaps köün ech doch drenken".
Eine nette persönliche Story:
Wir hatten für einen Geburtstag einen Sonntags-Brunch bestellt. Und
dutzende Leute eingeladen, alle freuten sich. Als wir dann zur
vereinbarten Zeit zum Theater-Restaurant kamen, war dies zu. Wir klopften
heftig an der Küchentür. Der Wirt öffnete unwirsch, was wir denn wollten?
Na Brunch. Erst Unglauben, dann Erstaunen, dann Verzweiflung in seinem
Gesicht: er hatte den Termin vergessen. Bat uns aber rein und versprach,
in kürzester Zeit alles parat zu haben. Solange gabs (kostenlosen) Sekt an
der Bar. Nun ja, er hat es in einer halben Stunde hinbekommen. Und genau
so schmeckte es auch. Solingen, immer gut für neue Erfahrungen.
|
Zeichnung: Klaus
Rickert, "Nico"
|
War gut gemeint, ist aber nie Realität
geworden: Solingen als Kongress-Zentrum.
Man dachte, so zwischen Düsseldorf und Köln hätte doch ein kleiner Platz
eine große Chance. Das vor allem, als sich dann später ein richtig großes
Hotel direkt neben dem Theater ansiedelte.
Aber außer singulären Events und gelegentlichen Parteitagen oder
Ausstellungen, wie es sie landauf, landab zu tausenden gibt, hat sich
Solingen nicht sonderlich als Stadt großer Meetings hervorgetan - trotz
IC/E-Anbindung. |
|
1973
Kultur- und Kongress-Zentrum
Theater und Konzerthaus Solingen
Herausgeber Stadt Solingen, Amt für Wirtschaftsförderung
Grafische Gestaltung H.-J. Schmatz
Repro: Conrad KG
Druck: Schreiber & Fey
Fotos: Jürgen Nieswand |
|
|
|