Theater

"Solingen hat in seiner Geschichte nur 4 Jahre lang ein eigenes Theater-Ensemble gehabt und erst seit 1963 besitzt es ein eigenes Theater- und Konzerthaus". So malt Autor Werner Müller ein eher düsteres Bild der Bretter, die in Solingen auch die Welt bedeuten sollten und fragt sich, ob man dann überhaupt eine Theatergeschichte schreiben kann. Und beweist, aufs kenntnis- und detailreichste: ja, man kann. Manch Interessantes kommt so wieder ins Rampenlicht.

 

In Solingen macht zwar ein jeder gern Theater, doch Theater im künstlerischen Sinne ist nicht Solingen's Sache - so das Vorurteil. Eigentlich darf sich die Stadt rühmen, einen wirklche Theaterstadt zu sein, denn schließlich gründet sich hier Deutschlands ältester noch existierender Theaterverein, die Gesellschaft Wohlgemuth (der Name ist Verpflichtung). Und die "Bühnenspiele Höhscheid" sind nicht minder aktiv und beliebt. Darüber hinaus gibt es jährliche Inszenierungen von Operetten im Theater- und Konzerthaus. Und mit dem "Ensemble Profan" hat die Stadt ein sehr beachtenswertes engagiertes junges Theater. Selbst eine Puppenspielbühne gibt es in der Klingenstadt. Die Beschreibung, Solingen hätte nie ein eigenes Ensemble besessen, ist also (leider) nichts anderes als die unverständlich-hochnäsige Ansicht, nur professionelle Schauspieler seien das wirkliche Theater. Es ist mehr als schade, dass die unglaublich vielen theater- und kulturwirksamen Aktivitäten auch und gerade in Solingen - ob Sprechtheater, Tanz und Musik in jeder Variante - nicht die Beachtung haben, die ihrer Qualität entspricht. Wieder einmal wird in Solingen völlig unnütz tiefgestapelt. Die Stadt hat weit mehr zu bieten, als das Volks-Lästermaul darüber mäkelt.

 

 

 

 

 

   

Wohlgemuth



Bühnenspiele Höhscheid

ohne Web-Präsenz

Ensemble Profan

ohne Web-Präsenz

Puppenbühne Violetta



   

Umschlag: Fritz Odenthal unter Verwendung des Bronzereliefs im Theater Solingen von Max Kratz
Anker und Schwert, Band 3
Herausgegeben vom Stadtarchiv
Schriftleitung Heinz Löbbers, Stadtarchivar
Walter Braun Verlag, Duisburg, 1973
DrucK Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch

Diesem Buch sind die nachfolgenden Bilder und Informationen entnommen

Die "alte" St. Clemenkirche, hier in einem Bild aus dem Jahre 1870 (Original im Klingenmuseum) am Mühlenplätzchen; direkt links daneben die Wirtschaft von J. Hilgers, in deren Saal ab 1846 bis 1861 zahlreiche Theateraufführungen stattfanden.

1869 baute der Messerfabrikatn Friedich W. Everts ein Theater-Lokal namens "Tivoli", zwischen der heutigen Gr.-Engelbert-Str. und Ufergarten gelegen (früher hieß die Straße nach diesem Etablissement). 25 Jahre lang wurde dort gespielt.

 

Zurückblickend weiß man von einer Theateraufführung am 15. August 1808, dem Geburtstag Napoleons; Solingen war damals unter französischer Herrschaft und musste daher die Regeln des Nachbarlandes befolgen. In der lutherischen Kirche gab es unter Mitwirkung einer fahrenden Schauspieltruppe eine Aufführung.

 

"Die früheste bekannte Solinger Theateranzeige im «Verkündiger» vom 3. Februar 1810"

Die Aufführung fand in der Stein'schen Wirtschaft in der Linkgasse statt.

 

1833 erbaut (aus Holz),
am 24. 4. 1877 abgebrannt
- so wie auch der Nachfolgebau später abbrennen wird (1957)

 


Die einstige "Kulturhochburg" Solingens war die Schützenburg. Die Darstellung zeigt, dass Sie diesen Namen verdient hatte: frontal wie eine Burg, ein Schloss wirkend war sie vor allem Schauplatz von Schützenbällen und anderen Lustbarkeiten, natürlich auch Konzerten:

Ein prächtiges Plakat aus dem Jahr 1862; heroisch hält ein Schütze sich am Wappen der Stadt Solingen fest und symbolisiert so Macht, Ruhm, Ehre - und religiösen Schutz, denn die Schützen stehen in der Tat in christlicher Tradition und insofern ist es nicht zufällig, dass die Darstellung an Gemälde der Heiligen-Verehrung erinnert.

 

Der älteste erhaltene Theaterzettel Solingens. W.L. Keunke ist ein Theaterunternehmer (Direktor), der mehrfach in Solingen gastierte und aus Neuss stammt. Wie man sieht, hat er sich selbst die Hauptrolle übertragen und lässt Familienmitglieder mitspielen.

Dass es nicht die erste Aufführung der Truppe gewesen sein kann, sondern sich das Dorf Solingen längst an die Conditionen gewöhnt hatte, sagt der Satz "Das Übrige ist bekannt", womit wohl auch Aufführungsort und -Zeit gemeint sein müssen. 

 

Jacobe von Baden (1558-1597) ist eine historische Figur, eine Frau, die in der Tat in die Bergische Geschichte eingegangen ist - oder, leider makaber - an der Bergischen Geschichte einging. Informationen dazu:



Jacobe von Baden spukt angeblich immer noch durch oder um den Schlossturm von Düsseldorf und ihr Geist will keine Ruhe geben ...
Recht geschieht den Düsseldorfern.

Es muss so gut gefallen haben, dass man "auf Verlagen" noch einmal spielt; es pielen mit die Herren Schauspieler und Mad. sowie Dem., also Madame (Frau) und Demoiselle (Fräulein, Jungfer).

Wahrscheinlich war nur das Rauchen verboten, die früher verbreitete Sitte, auf den Boden zu spucken (anstatt in die bereitgestellten Spucknäpfe) konnte man wohl kaum verbieten.

 

 

Neben dem später im Bombenhagel des 2. Weltkrieges zerstörten Hotel Bayrischer Hof wurde am 6. August 1896 der Kaisersaal eingeweiht - gebaut von der Brauerei Beckmann aus Solingen. In diesem Saal - resp. dem vorgelagerten Garten - fanden bis zur Zerstörung zahlreiche sehr wichtige, einige historische Veranstaltungen und Treffen statt. Hier trafen sich u. a. deutschlandweit berühmte Sozialdemokraten der 20er Jahre.  Politik und Showbusiness war schon immer "unter einem Dach".

 

Der Beckmann-Konzertsaal, Kaisersaal. Eine gewisse Würde und imposante Erscheinung kann man ihm nicht absprechen; der Stil entspricht dem damaligen Zeitgeschmack, aus dieser Epoche sind in anderen Städten zahlreiche ähnliche Gebäude erhalten geblieben.

Plüsch-Theater vom besten ...

 

Wilhelm Millowitsch, Großvater des 1909 geboren Urgesteins des Kölner Volkstheaters, des legendären Willy Millowitsch, beantragt 1893 eine Bewilligung für Aufführungen in Solingen.

 

"Lokalkolorit" auch auf Solinger Bühnen; auf dem Spielplan standen um 1850/60 u. a.:
"Die Köchinnen von Wald und Solingen"
"Der große Unbekannte in Solingen"
"Der Geist von Weeg"
"Solingen bei Nach, oder: Onkel Bergemann aus Gräfrath"

Auch in anderen Solinger Lokalen gab es Theater, wie hier im Lokal Bongards am Grünewald (20er Jahre). Manche werden sich noch an den Möbellieferanten für die Ausstattung erinnern, Möbel-Fuchs, später (nach dem 2. Weltkrieg) an der Ecke Glockenstraße.

 

Die in Deutschland außerordentlich berühmte und beliebte Adele Sandrock, k&k. Hofschauspielerin, in Solingen. Dieses streng klassisch komponierte Versdrama von Franz Grillparzer behandelt den Konflikt von Kunst und Leben. Es spielt im 6.Jh.v.Ch und erzählt von einer griechischen Lyrikerin, Sappho (1818 uraufgeführt). In diesem Werk wird ein altes Motiv der Literatur behandelt, nämlich der Mann zwischen zwei Frauen.

Ganz anders "Gas" des Dramatikers Georg Kaiser (1878-1945). In "Gas" erhebt Kaiser scharfe Anklagen gegen industrielle Automation und Vermassung, gegen Krieg, soziales Elend und menschliche Entfremdung, für die als Symbol die Maschine steht, ohne daß es ihm um eine realistische Darstellung zu tun ist; er selbst Bezeichnete "Gas" als Mittel, »um ins Menschunendliche vorzudringen; aus diesen Figuren abzuleiten das Gleichnis, das beständig gültig ist; den Aufruf zu uns, der so am schärfsten laut werden kann«. Zugleich stellt er die geschichtliche Zwangsläufigkeit dar, mit der der »Erlöser« von denen, die er erlösen will, ans Kreuz geschlagen wird.

Das Stück "Gas" wurde auch als geschlossene Vorstellung von den Gewerkschaften gebucht, des sozialkritischen Inhalts wegen (Aufführung Januar 1922).

Interessant der Wandel in der Gestaltung beider Theaterdrucksachen: Links der Wildwest-Stil, so wie er auch in den Annoncenfriedhöfen der Zeitungen eingerissen war und rechts perfekter Jugendstil. Werbeagenturen und Grafik-Designer hießen damals noch "Reklame-Institur", von einem solchen, Rud.(olf) Beck oder Bech aus Solingen stammt der linke Entwurf. Grausam. 1985 zu DTP-Zeiten, kam wieder so eine Garstigkeit auf.

 

So wollten die Nazis das Areal nördlich der Schützenhalle II / Theater zur Kreuzung Schlagbaum zu ausbauen: mit riesigem Kulturpalast und anschließenden Verwaltungsgebäude, das mit Sicherheit die Parteizentrale beherbergt hätte. Rechts in Höhe der Bildmitte der noch heute existente markante Rundbau in der Südostecke der Kreuzung Schlagbaum (Sparkassen-Filiale). Der "Fahrenkamp-Entwurf" stammt aus dem Jahr 1937.

 

Ursprünglich Wiederaufbau der alten, abgebrannten, hölzernen Schützenhalle, dann 1938 zum Stadttheater umgebaut, war dies lange Zeit das Zentrum des Solinger Bühnenlebens, obwohl rings umher - von Schloss Burg bis in jeden Stadtteil - sowohl Laienspiel- und Theatergruppen recht rege waren wie auch etliche Säle für Aufführung zur Verfügung standen.

 

In der Nacht vom 12. auf de. 13. März 1957 brannte das Theater nach einer Vorstellung komplett aus. An seine Stelle kam 1963 der noch heute existente modernistische Bau des Theater- und Konzerthauses.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Morgen danach: alles nur noch eine traurige Ruine, niedergebrannt bis auf die Mauern.

Foto: Gerd Propach

 

Die Ohligser Festhalle. Neben der Schützenburg die erste Adresse der früher selbständigen Stadt, des späteren Stadtteils, wenn es um Festivitäten aller Art ging und geht. Sie führt heute eher ein Schattendasein, ähnlich dem Festsaal Wald.

 

 

Nach dem 2. Weltkrieg ging am 14. 9. 46 das Theater in Solingen eigentlich makaber los: die gar nicht lustigen Herren aus England, bekanntlich vom Hause Windsor regiert, hatten die Stadt zerbombt. Liegt doch nun nahe, die lustigen Weiber von Windsor auf die Bühne zu bringen ... ?!

 

 

 

 

"Mit Werner Becker, Kuno Frickartz, Kurt Lauterbach und Alfons Holte waren vier Solinger Stimmen vertreten."

 

«Fra Diabolo - Oder: Das Gasthaus zu Terracina» heisst die Komische Oper in 3 Akten von Eugène Scribe, die hier gerade gespielt wird. Fra Diavolo, ein 1760 geborener Brigant, der 1806 nach einem langjährigen Guerillakrieg mit den Franzosen gehenkt wurde.
Links im Bild als Beppo Kurt Lauterbach, der sich später als tragi-komischer Stotterer durch die Karnevalsbütten und Hausfrauennachmittage jobte und im Bergischen sowie im Kölner Karneval ein geachteter Lokalmatador in Sache seichter Unterhaltung wurde.