Theater- und Konzerthaus am Schlagbaum

Kulturzentrum, Event-Arena, Gute Stube, Kongress-Center, Musentempel? Eigentlich war von der ersten Sekunde an und ist bis heute unverändert der Bau ein zweckdienlicher Versammlungsort mit sprödem Charme. Die Großzügigkeit der Fläche überzeugt, die Universalität hat sich bewährt, die Räume werden einem schnell vertraut. Die Bühnentechnik war nie aufdringlich, aber immer zweckmäßig. Das Gesamtkonzept robust genug, um bereits viele Jahre und die widersprüchlichsten Ansprüche zu überstehen und zu erfüllen. Insofern muss das Gesamturteil heißen: in der Summe hat sich das Haus bewährt und seinen Zweck sehr gut erfüllt. Vielleicht ist es sogar von den guten eines der besten Stücke Solingens.

 

Endlich war es wieder so weit. Solingen hatte einen neues kulturellen Mittelpunkt an alter Stelle. Die alte Stadthalle war 1957 abgebrannt, eine 6jährige "Durststrecke" der Solinger Kultur war zu Ende.

 

 

Es waren seinerzeit mit die besten "Gebrauchsgrafiker", wie man Graphic Designer damals nannte : Groß und Odenthal, die die Broschüre gestalteten, mit dem das Haus der Öffentlichket vorgestellt wurde. Die Vorder- und die Rückseite

 

Herausgeber: Stadt Solingen, Presse-, Verkehrs- und Werbeamt in Verbindung mit dem Kulturamt
Graphische Gestaltung: Groß/Odenthal, Solingen
Klischees: Contius, Solingen-Wald
Druck: B. Boll, Solingen

 

Was Solingen bekommen hat, ist zu besichten. Welche Entwürfe in der Endausscheidung dennoch unterlagen, ist vergessen; hier die beiden nächstplatzierten im Architektenwettbewerb.

Prof. Gerhard Weber, München/Frankfurt a. M.

 

 

 

 

Man kann der Jury selbst heute noch dankbar sein für die Auswahl der Entwürfe. Denn beiden abgelehnten, die architektonisch sicherlich nicht minderwertiger waren und bei denen die Funktionalität insgesamt nachvollzogen werden, fehlt das eigentlich Entscheidende, was das Haus bis heute so universell macht: der flexible multifunktionelle Konzertsaal, der nichts anderes als ein riesiger Kubus ist, aber eben deswegen so vielseitig. Mit einer Bestuhlung, wie hier eingezeichnet, wären viele Möglichkeiten verbaut gewesen und der Saal nichts anderes als ein Theater mit kleinerer Bühne gewesen.

Professor Gerhard Graubner, Hannover

 

 

 

 

 

 

Interessant ist, dass beide Architekten beim Konzertsaal auf die Wabenform kommen. Prof. Graubner macht sogar bewusst Anleihen beim Plüschtheater und sieht einen intim-verspielten Zuschauerraum vor. 

Architekt Harde und Dipl.-Ing. Budelt, Dortmund

Dieser Entwurf konnte sich durchsetzen. Schade nur, dass die Solinger Bevölkerung über all die Jahre das Theaterrestaurant nicht "angenommen" hat. Das mag einerseits an den Wirten gelegen haben, andererseits ist ihm aber auch der Charme einer misslungen Bahnhofs-Wartehalle mitgegeben worden. Nie hat jemand gewagt, es umzubauen, was ja möglich gewesen wäre.

 

So ist das Theatergebäude dann gebaut worden. Vom Haupteingang geht es links ins Theater-Foyer, eine bzw. zwei Treppen zum Zuschauerraum herauf. Nach rechts in den Kammermusiksaal (Kleiner Saal) im Parterre, wo auch die Garderobe ist und treppauf in den großen Saal.

Die Bauzeit betrug 3 Jahre (1961-63).

Die Kosten des Neubaus des (linken) Theatertrakts beliefen sich auf 6,9 Mio. DM, das sind bei 820 Sitzplätzen  ca. 8.500 DM/Platz.

Der Konzertsaal, maximal 1.440 Plätze bei Bestuhlung, kostete 4,5 Mio DM, als ca. 3.100 DM/Platz.

Das gesamte Gebäude hat ein Volumen von ca. 70.000 cbm. Die Baukosten pro cbm betrugen, über das gesamte Gebäude, 184 DM/cbm.

Wie üblich wurde 1% der Bausumme für "Kunst am Bau" zur Verfügung gestellt.

Die Bühne ist 20 m breit, 15 m tief und 7 m hoch. Die Vorbühne ist als Orchestergraben absenkbar.

 

 

Trotz dieser nach heutigen Verhältnissen eher bescheidenen Ausgaben motzten und meckerten natürlich noch genügend Personen, es sei Geld verschwendet worden. Die Diskussion, das war vorherzusehen, riss nie ab und wurde vor allem von denen geführt, die keine Ahnung haben. Wie immer.

 

(die folgenden Ausschnitte aus der Sonderbeilage des Solinger Tageblatts vom 11. Mai 1963)

Nun gab es das neue Haus und damit eine alte, neue Diskussion: Bühnengemeinschaft mit Remscheid und Wuppertal? Nun passiert ist bis heute, über 40 Jahre danach, natürlich nichts. Fast nichts. Denn immerhin ist das Solinger und das Remscheider Symphonieorchester zu den Bergischen Symphonikern zusammengelegt worden - und gleich aus dem städtischen Haushalt als eigenständige GmbH rausgeschmissen worden. Von wegen "ein eigenes Ensemble"!

Früher jedoch waren die Bühnen Wuppertal und Solingens wenigstens auf dem Papier vereint. Hier Aufführungen von 1950. U. a. mit dem später zu Ruhm gekommenen sympathischen Harald Leipnitz in einer Doppelrolle:

 

 


Der von mir über alles geschätzte Kulturredakteur Alois Weber offenbart seine Seele als korrekter Formalist: Er wird nächstens aus dem Bett geklingelt, weil das Theater brennt. Und seine größte Sorge ist sein Stoppelbart. Merke: unrasiert geht der verantwortungsbewusste Redakteur nicht zur Katastrophe. Aber ansonsten konnte er herzerfrischend unkonventionell quer denken und schaffte es trotzdem immer, jeglicher Formalie gerecht zu werden. Sein Markenzeichen, sagten und sagen die Kollegen, die ihn kannten, war die Pfeife. Ich meine, sein wirkliches Markenzeichen war, dass er noch fließend Steno schreiben und lesen konnte, was ihn zu einem äußerst korrekten und fleißigen Korrespondenten machte.

1957

Übrigens war in der alten Stadthalle oft der, die oder das Faust zu sehen: Adenauer, Ollenhauer und Brand reckten die Fäuste zu politischen Demonstrationen, die Boxer trugen hier Wettkämpfe aus und logisch, Johann Wolfgangs Stück mit Gretchen und Mephisto war oft zu Gast.

 

Werner Saam, Musikdirektor, am Morgen nach dem Brand. Auch er: korrekt gekleidet, wie sich das für solche eine wichtige Situation gehört. Etliche Instrumente wurden gerettet, so auch die Geigen von Konzertmusiker Werner Schneider.

Das letzte gespielte Stück der alten Stadthalle hieß übrigens "Was kam denn da ins Haus?" Am Abend der Brandnacht gab es ein Konzert, Prof. Siegfried Borries spielte Mozart - und das Pech deutete sich schon an: während der Aufführung riss ihm eine Seite. Hans Demmer, Kulturamtsleiter und Anton Boos, Wirt, waren die letzten, die das Haus verließen. Der Brand jedoch, bevor spekuliert wird, ist eindeutig auf einen Kurzschluss zurückzuführen.

Dennoch rissen die Gerüchte nie ab, es wären nicht wenige froh gewesen, dass auf diese Art und Weise der Bau eines neuen Theaterkomplexes unumgänglich geworden war.

Szenenwechsel: Von Schutt und Asche zu Glanz und Gloria

Mit solchen Heften wurde über die Inhalte besonderer Aufführungen der jeweiligen Saison informiert und um Besucher geworben.

Druck: Fr. Knoche, Solingen-Wald

 

Man kann und darf nicht einfach so ins Theater gehen. Wer Geld hat, die Karten zu kaufen, ist noch längst nicht theaterfein. Erst in edler Gardarobe sollte man es wagen, einen Schritt in die heiligen Hallen zu setzen. Und daher warben schon immer in den Theaterheften:

 

 

Auf der Hauptstraße konnte man noch mit dem Auto fahren und direkt vor dem Geschäft parken.

in: Theaterhefte Solingen 1967
Druck: Fr. Knoche, Wald

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reizvoll für Fotografen das seinerzeit neue Theater- und Konzerthaus.

 

Fotos: hgw