Tod

Nicht nur über Heldenhaftes haben Chronisten zu berichten. In jeder Stadt und jedem Land spielen sich große und kleine Unglücke ab, sind Aufbau und Verfall eben "der Lauf der Welt".

 

Es wäre ja keine Heimat, gäbe es keine Heimatliteratur.
1925, im Juli, ließ der Remscheider Wilhelm Rees bei Druck u. Verlag von A. Martini & Grütteisen in Elberfeld ein Drama in 7 Bildern veröffentlichen, bei dem sogar Walter von der Vogelweide als handelnde Person auftritt. 1925 war der 700. Jahrestag des Ereignisses, um dass sich die Handlung rankt.

 

"Am 7. November 1225 fiel Engelbert von Berg durch die Hand der Spießgesellen Friedrichs von Isenburg im Lindengraben bei Gevelsberg, nachdem er zuvor auf einem Fürstentage in Soest vergeblich versucht hatte, seinen Verwandten von weiterer Bedrückung des Damenstiftes Essen, dessen Vogt er war, abzuhalten." So weit, so falsch. Näheres hier:



Am 4. und 5. November 1944 zerstören in zwei Staffeln englische Lancaster-Bomber Solingens Altstadt. 1.882 Tote und 2.075 Verletzte sind zu beklagen, von den 1929 existierenden 17629 Häusern waren bei Kriegsende rund ein Drittel, 5.312, zerstört.
Die Bombardierung, bei der tausende von Tonnen Sprengbomben und Luftminen eingesetzt werden, zerstört rund 2,5 qkm Innenstadt und verursacht insgesamt um die 2.100 Feuer, etwa 300 davon als Großfeuer eingestuft, die wiederum auch nicht bombardierte Gebäude zerstören.

 

Veröffentlicht im "Solinger Tageblatt" am 2. 11. 02, Seite 16 "Rückblick" in einem Artikel des ,Solinger Stadtchronisten' Herbert Weber; Foto: Dr. Karl Theodor Haanen, im Besitz des Stadtarchivs der Stadt Solingen

 

Die Zerstörung der Innenstadt wird in einem Buch, Herausgegeben vom Stadtarchiv Solingen, dokumentiert. Karl-Theodor Haanen, ein Solinger Fotograf, der 1965 verstarb, hat die Bilder aufgenommen.

Clemens-Kirche, links unten Deutsche Bank.

 

Kölner Straße, Gebäude-Ensemble Spar- und Bauverein sowie AOK. Rechs ist noch ein Gebäude zu erkennen, dass abgerissen wurde (heute Parkplatz der Stadtparkasse).

 

 

Solingen, wie es einst gewesen ist, wurde unwiderbringbar in Schutt und Asche gelegt. Die oft ohnehin morsche Substanz der Fachwerkhäuser ließ es erst gar nicht mehr zu, die Gebäude erhalten zu wollen und manche waren von den Bränden bis auf die Grundmauern zerstört, wenn nicht durch Bombentreffer oder Detonationsdruck ohnehin zusammengestürzt waren.

 

Zeichnung Ludwig Füllbeck
aus: Druckerei Ullrich, "Erinnerungen" zum 75jährigen Firmenjubiläum 1972
Druck Hermann Ullrich KG, Solingen

In der Mitte Südwall 58, in der die Druckerei Ullrich gegründet und betrieben wurde.

 

 

Foto: Kerstin Ehmke-Putsch

 

 

Ein Monat nach dem Luftangriff. Das Solinger Tageblatt, zu jener Zeit nur noch Sprachrohr der NS-Propaganda und einer eigenständigen Redaktion beraubt, jubelt geradezu die angeblichen Erfolge der deutschen Truppen heraus.  "Der Großangriff im Aachener Raum kostete den Feind ein Mehrfaches unserer eienen Verluste" gibt "Aus dem Führerhauptquartier" das Oberkommando der Wehrmacht bekannt.

 

 

Das dagegen ist das Bild der "Heimatfront": Tod und Leid durch die Bombenangriffe auf die Stadt. Ganze Familien wurden ausgelöscht, Sterben oder Überleben war eine Frage des Zufalls.

 

 

 

Aus Seite 3 dieser Ausgabe, "Stadtanzeiger zum Solinger Tageblatt":

Wann muss verdunkelt werden?
Samstag, 2. Dezember, Sonnenuntergang 16.19 Uhr.
Sonntag, 3. Dezember: Sonnenaufgang 8.16 Uhr

"Licht ist sicherste Bombenziel. Der Lichtschein einer nicht abgeblendeten Stall-Laterne oder elektrischen Taschenlampe reicht 7 Kilometer, so daß ihn ein Flieger in 7000 Meter Höhe wahrnimmt."

 

Gleich neben diesen Todesanzeigen dieser Anzeigentext:

"Echte Jungen
lieben die See, lieben die Weite, die Gefahren und Abenteuer.
Jungens mit Mut, ,Zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl', echte Jungens braucht die deusche Handelsmarine.
Melde Dich beim
Nachwuchsoffizier Seeschiffahrt
Hamburg-Altona
Palmaille 45
Die See macht Männer"

Am 25. Januar 1952 ereignete sich ein dramatisches Straßenbahnunglück mit insgesamt 8 Toten.

Vom Schlagbaum Richtung Zentral fahrend ist wohl ein Finger des mechanischen Fahrthebels ("Stromgeber") am Führerstand abgebrochen und deshalb hat die Bahn die ziemlich steil abfallende  Strecke herunter permanent beschleunigt. In der engen Kurve am Central sprang sie logischerweise aus den Schienen und knallte vor ein Haus. Die offizielle Unglücksursache wurde entweder nie wirklich ermittelt oder der Öffentlichkeit vorenthalten.

Diese Schilderung des Unglücksherganges stammt von Unglücksopfern, die in der Straßenbahn mitfuhren.

Foto aus der "Solinger Morgenpost", Sonderseite "50 Jahre Obus in Solingen" am 5. Juni 2002

 

Persönliche Betroffenheit: Mein Vater wollte mit dieser Bahn zur Arbeit fahren und saß in diesem Wagen. Er überlebte als einziger aus einer Gruppe von fünf Menschen, die von den Trümmern des Wagens eingeklemmt wurden. Mindestens eine Person (Frau) starb (erstickte), weil die Retter die Eingeklemmten nicht schnell genug befreien konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

aus: 50 Jahre Berufsfeuerwehr Solingen, 1996

 

Solinger Tageblatt, 25. 1. 1952

Mobilmachung für den I. Weltkrieg, wie er später genannt wird. Da stehen nun die Gräfrather auf ihrem geliebten Marktplatz und sind bereit, für das Vaterland zu sterben.

 

 

 

 

Wie viele von Ihnen und vor allem wer mag nich mehr heimgekommen sein?


 

 

Schriftenreihe desw Bergischen Geschichtsvereins, 1984

 

 


 

 

Solingen im 1. Weltkrieg,
Satz: vom Schemm und Müller, Solingen
Umschlag: Klaus Tettinger, Solingen
Druck: B. Boll, Solingen

 

Es gab politische Zeiten, da wurde Kriegsverweigerung als Feigheit ausgelegt. Doch manche politische Haltung war über die Zeiten hinweg konsequent, wenn auch der Logik nach in sich sich widersprüchlich: Krieg dem Krieg.

Die "Bergische Arbeiterstimme" ist eine Zeitung der damaligen KPD.


 

 

KPD-Zeitungen gab es früher zalreiche. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1927 listet für unsere Region auf:

Aachener Arbeiterzeitung
Rote Tribüne Barmen
Westfälischer Kämpfer, Dortmund
Niederrheinische Arbeiterzeitung, Duisburg
Freiheit, Düsseldorf
Ruhr-Echo, Essen
Rote Tribüne, Hagen
Sozialistische Republik, Köln
Bergische Volksstimme, Remscheid
Bergische Arbeiterstimme, Solingen

 

Das Ende eines Krieges: englische Besatzungssoldaten marschieren in Solingen ein.

Makabrer Nutzwert des Fotos: Es belegt, dass die heutige Clemensgalerie einen Vorläufer hat. Im Hintergrund das Gebäude (hiner der Straßenbahn) ist die Deutsche Bank, die jetzt dort in einem Neubau präsent ist. Der Gebäudekomplex links im Bild entspricht dem Standort der Clemensgalerie, Blick sinngemäß vom 1. Stock des heutigen Kaufhofs (Satur-Etage) aus.


 

 

Kindliche Freude oder war auch dieses Foto - wie heutzutage bei CNN - nur gestellt: Kinder tanzen Rigelreihen, während die Soldaten stramm marschieren:

Kriegerdenkmal 1870/71 auf dem Friedhof Cronenberger Straße.

 

 

 

Kriegerdenkmal im Krahenhöher Volksgarten

 

 

 

Früher Tod leider fast schon als Normalfall: vor gut 100 Jahren lag die Lebenserwartung kaum über dem, was man heute "Blüte des Lebens" nennt und fern vom Seniorendasein ist.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Druckerei Rich. Theegarten, Solingen, Südwall 17