|
Zwillingswerk 2 |
Die Zwillinge, Markenzeichen der J. A. Henckels AG, sind
mindestens ebenso berühmt wie Solingen als Markenname. Im Ausland werden
sie oft gleichgesetzt, Solingen sei Zwilling - oder umgekehrt. Es ist das
einzige Unternehmen von heutigem Weltruf, dass so lange Zeit in Solingen
überlebt hat und dessen Produkte heute gefragt wie eh und je sind. Das
mindert nicht die Aussagen über die Qualitäten anderer, doch hat nur das
Zwillingswerk auch diese omnipotente optische Präsenz in Firmenzeichen
oder Schaufenstern in aller Welt.
|
Zum zweihundertjährigen Jubiläum Jubelpose in der
Manier des Dritten Reiches, das Motiv nach einer Originalradierung von
Seché.
Heinz Risse: Solingen so wie es war, Droste-Verlag,
1975 |
|
Natürlich pflegten alle Solinger Unternehmen gerne
das heroische Bild des stolzen und freien Schmiedes, indes der
Arbeitsalltag sah anders aus. Natürlich war es Broterwerb, gar nicht mal
so schlecht bezahlter. Insofern konnten die Arbeiter zufrieden sein. Doch
die Arbeitsbedingungen waren alles anders als man es heute im Sinn hat.
Dennoch besser als an manch anderer Stelle. Arbeitsschutz und Sicherheit,
Lärmschutz und Klimaanlage, Ergonomie und Prozessoptimierung waren eben
weder als Idee noch als Vokabel bekannt, es wurde gearbeitet, so gut es
ging und irgendwie ging es immer weiter und besser. Holzblotschen und
Elektromotoren, drangvolle Enge und Qualitätsbewusstsein waren keine
Gegensätze.
|
|
Mehr als man vermutet "Selbst wenn das
Taschenmeser nur zwei Klingen und einen Korkenzieher aufweist, setzt es
sich doch aus 12 Teilen zusammen ..." "Die guten
Taschenmesser-Klingen durchlaufen einige Fabrikationsstadien mehr als
gewöhnliche Tischmesser ..." "Die liebe Mode bringt es
mit sich, dass eine Fabrik wie die Henckel'sche ständig über 2.000
verschiedene Taschenmesser-Muster führen muss ... "
|
|
lat: forfex erectus
deutsch: Die aufrechte Schere. Sieht aus wie eine Kirchenorgel,
ist ein Kunstwerk, ästhetisch schön,
wenn auch von profaner Natur:Die Schere nach Art der Solinger Scherenmacherkunst.
Schneiderschere, Papierschere, Chirurgenschere,
Knopflochschere, Haushaltsschere, Gärtnerschere, Blechschere,
- wie hieß es doch bei Schiller?:
"Wer zählt die Völker, nennt die Namen?" |
|
"Das Schleifen der Schere ist eine ungemein schwierige
Arbeit, von deren Bedeutung man freilich keien rechte Vorstellung erhält,
wenn man einen der im Lande herzumziehenden Scherenschleifer bei seiner
oberflächlichen Tätigkeit betrachtet. Es gilt geradezu als eine der
schwierigsten Arbeiten in der ganzen Solingen Industrie und ist eine von
denjenigen, bei denen die Geschicklichkeit der geübten Menschenhand durch
keien noch so sinnreich erdachte Maschine ersetzt werden kann." |
Nachts
tanzen die Blech-Zwillinge mit dem Namen "Scissor" und "Blade"
tatsächlich. Dann klappern sie mit ihren Blechgliedern und stampfen im
Takt der Fallhämmer. Wer's nicht glauben will, suche die
Lüneschlossstraße auf.
Foto: Kerstin Ehmke-Putsch, 2005
|
|
Trauriger Nachtrag
Die Zwillingen sind DAS Markenzeichen Solingens.
Das Unternehmen, längst Kapitalgesellschaft, macht gute Umsätze, die
letztendlich auf dem Erfolg des Firmengründers Johann Abraham Henckels
beruhen. Man sollte meinen, solch eines Mannes bzw. seiner Familie wäre
ein würdiges Andenken gewiss. Doch so sieht heute, 2005, das Grab der
Familie auf dem Friedhof Casinostraße aus. Offensichtlch hat das
Unternehmen, das immense Summen in Werbung steckt, nicht einen Cent
übrig, um das Grab zu pflegen. Eine Schande, eine Traurigkeit.
Johann Abraham Henckels jun.; Sohn des hier Begrabenen; 1813-1870
|
|
|
|
|
|
|
|