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Zwillingswerk |
Die Zwillinge, Markenzeichen der J. A. Henckels AG, sind
mindestens ebenso berühmt wie Solingen als Markenname. Im Ausland werden
sie oft gleichgesetzt, Solingen sei Zwilling - oder umgekehrt. Es ist das
einzige Unternehmen von heutigem Weltruf, dass so lange Zeit in Solingen
überlebt hat und dessen Produkte heute gefragt wie eh und je sind. Das
mindert nicht die Aussagen über die Qualitäten anderer, doch hat nur das
Zwillingswerk auch diese omnipotente optische Präsenz in Firmenzeichen
oder Schaufenstern in aller Welt.
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Aus Anlass des 175jährigen Jubiläums des
Markenzeichens Zwilling druckte das Zwillingswerk eine breviergroße
Dokumentation, die gestalterisch und drucktechnisch zu den Meisterwerken
seiner Zeit gehört. Kunstanstalt Herrmann Rabitz,
Solingen |
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«Zwilling ist eine der ältesten noch existierenden
Industriemarken der Welt, so gesehen ein Branding- und Marketing-Pionier.
Wie überhaupt die Solinger Marken zu den Grundpfeilern des heute alles
dominierenden Geschäfts mit dem Logo und der Marke gehören.» |
Hoflieferant. Aber anders.
In Solingen wohnt man in Hofschaften, ein Begriff, der sich von
Honnschaften (ca. 100 Häuser als eine Art Verwaltungsbezirk) ableitet.
Solinger Messer- und Klingenschmiede waren also immer
"Hoflieferanten", weil sie eben in diesen Höfen arbeiteten und aus ihnen
lieferten. Nur ist J. A. Henckels eben der
Lieferant, der pivilegiertermaßen an die Fürsten-, Königs- und Kaiserhöfe
liefern durfte. Mehr als nur ein kleiner Unterschied. Und deshalb darf
das Büchlein selbstbewusst und stolz diese Liste voranstellen, auf dass
wir noch heute staunen, wer damals von Adel und Wichtigkeit war. |
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Die "Wiege" von Henckels ist übrigens nicht
der Grünewald, sondern der Platzhof in Höhscheid. Dort hat der Gründer,
Joh. Abraham gewohnt und gearbeitet und von dort aus andere
Messerschmiede für sich arbeiten lassen. |
Die Handelskammer zu
Solingen widmet der Firma
J. A. Henckels
dies Blatt zur Erinnerung an die Wiederkehr des Tages an dem vor 175
Jahren ihr Zwillingszeichen eingetragen wurde.
Dank der Tüchtigkeit und Tatkraft ihrer Leiter und Mitarbeiter hat die
Firma ihren durch vorzügliche Beschaffenheit ausgezeichneten Erzeugnissen
einen stets wachsenden Absatz in allen Kulturländern geschaffen und in
hervorragenden Masse dazu beigetragen, den Ruhm Solingens und der
deutschen Arbeit über die Erde zu verbreiten.
Mögen die Zwillingen ihren alten Weltruf immerdar bewahren.
Solingen, den 13. Juni 1906
Die Handelskammer |
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Die Zwillinge sind eingetragenes Warenzeichen
der heutigen
J. A. Henckels AG seit dem 13. Juni 1731. Der erste Eintrag erfolgte in
die Zeichenrolle der Solinger Messermacher durch Peter Henckels.
Erste Zeichen, berichtet in der Chronik jemand,
sollen bis ins Jahr 1450 zurückreichen, der Zeit der Erfindung der
beweglichen Lettern durch Joh. Gensfleisch zu Gutenberg in Mainz.
Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Erst um
diese Zeit kam die Idee auf, das grafische Zeichen eine eigenständige
Bedeutung haben, die über das Verschlüsseln von Lauten (Sprache)
hinausgeht. |
"Halb Solingen ..." Wie seinerzeit üblich, wurde das Firmenareal stets
etwas großzügig dargestellt. Das hohe Gebäude im Hintergrund existiert
heute noch an der Grünewalder Straße, etliche andere im mittleren Teil
waren "ewig lange" in Betrieb. Zu erkennen ist deutlich die Nähe zum
Südbahnhof, dessen Hauptbahnhofsgebäude um diese Zeit - um 1900 - noch
nicht errichtet war - oder vom Zeichner ignoriert wurde.
Originalgröße Litho oben: 8 x 2,5 cm
Foto rechts:
Kerstin Ehmke-Pusch, 2002 |
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So hat es angefangen an der Grünewalder Straße; das
ehemalige Kontorhaus mit hinterliegender Fabrik; es ist durch den
Ziegelbau ersetzt worden. |
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the big power Schleifsteine können
von einer Dimension sein die sich ein "normale Mensch" als Betrachter
nicht vorstellt. Hier im Zwillingswerk mit seinen extrem vielfältigen
Produktionslinien und einer riesigen Produktionsvielfalt waren diese
"Monstersteine" durchaus an der Tagesordnung. |
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Um 1900 beschäftigte Henckels alles in allem an die
1.800 bis 2.000 Arbeiter - sei es in den eigenen Werkshallen oder als
Zulieferanten in den heimischen Kotten und Werkstätten.
"Sie erzeugen, außer etwa Hirschfängern, Dolchen,
Rappieren, keine Waffen; in erster Reihe vielmehr nur Messer und Scheren,
in zweiter Gabeln, Korzieher etc. Aber in welcher Mannigfaltigkeit treten
uns hier diese scheinbar so einfachen Gebrauchsgegenstände entgegen." |
Solingen proudly presents .. : Was
dem Emmentaler seine Kuh, dem Lappen sein Rentier, dem Beduinen sein
Kamel, das ist dem Soligner Arbeiter sein Schleifstein. Von dem und für
den lebt er, hier spielen sich täglich die Heldentaten ab, aus denen die
Solinger Industrie ihre Legenden webt und angeblich Weltruhm erwirbt.
"Nicht weniger als 108 Schleifsteinen, von denen vierzig einen
Druchmesser bis zu neun Fuß [ca. 2,25 m] haben, sind hier im Betrieb; sie
reichen freilich für den Bedarf bei weitem noch nicht aus und viele
Zehntausend Messer werden in den Schleifkotten an der Wupper
geschliffen." |
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Welche Wertschätzung J. A. Henckels bei der
Bevölkerung genoss, ist aus der Solinger Redensart abzuleiten "D'r
Henckels-Dahler ist dreimol mie wert", das Geld, das man bei Henckels
verdient, ist dreimal mehr wert als anderes oder anderswo. Das
Unternehmen galt und gilt gewissermaßen als "Maß aller Dinge",
marketing-chinesisch: es ist Benchmark.
(Bild ca. 10fach vergrößert;
alle anderen Abbildungen ebenfalls stark vergrößert) |
Eine Vielzahl von Berufen Schmieden
und Hämmern, das sind nicht nur mal eben zwei verschieden Arbeitsgänge,
die immer gleich bleiben. Sowohl beim Schmiede- wie uch vor allem Beim
Vorgang des Hämmerns des noch warmen Metalls werden verschiedene
Techniken und Maschinen zum Einsatz kommen. So erklärt sich das extrem
hohe Maß an Spezialiserung in dieser Industrie. Die Eigenständigkeit der
Arbeiter führte zwar zu revolutionsartigen Streiks und Aufständen,
sie bewirkten aber auch gleichzeitg , dass sich auch "niedrige
Arbeiter" sich angespornt sahen, das höchstmögliche Qualitätsniveau
zu erreichen. Motivation, die heue kaum denkbar oder unbezahlbar wäre.
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Das Herstellen von Bestecken ist "industrielles
Handwerk": einerseits Massenfabrikation - bis zu 20.000 Teile schmiedete
ein einzelner Arbeiter in einer Woche -, andererseits wird jedes Stück
eben "einzeln von Hand" gefertigt. Schnelligkeit und Genauigkeit waren
keine Gegensätze, sie forderten jedoch hohe Konzentration. Neben der
immensen Hitze, dem Lärm, der schlechten Luft und den nicht gerade
optimalen Lichtverhältnissen waren dies Belastungen, die auch in der
Rückschau Respekt verdienen. Dass eine solche Belastung auch in
Kombination mit der oft schlechten Ernährung nicht unbedingt über
Jahrzehnte durchzuhalten war, versteht sich fast von selbst. Es war, wie
man sagt, "Knochenarbeit". |
Grob und fein Das faszinierende an
der typischen Solinger Arbeit ist der Kontrast zwischen "Gewalt" im
weitesten Sinne, nämlich Tonnen-Gewichten und dem Arbeiten im Bereich der
Bruchteile von tausendstel Millimetern.
Das Fingerspitzengefühl "im My-Bereich" gehört
ebenso zu den Charakteristika typischer Solingern Handwerkskunst und
-tradition wie der Umgang mit zentnerschweren glühenden Stahl- und
Eisenstücken, die unter der Last von tonnenschweren Fallhammer-Gesenken
Form annehmen. |
Unter solchen Reckhämmern wurden Stahlstangen
"gereckt", gelängt, in lange, dünnere Stangen bzw. Profile umgeschlagen,
die dann ebenfalls geschmiedet, geschlagen, gestanzt, eben zur Rohware
der Besteck- oder Scherenteile weiterverarbeitet wurden. |
Werbung um 1910 |
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aus: "Führer durch Solingen" |
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